Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

an fest bestimmt, dennoch im Einzelnen kleinen Schwankungen
unterliegt. Diese liefern uns die Bastarde zwischen ge-
wissen Pflanzenarten
, indem sie an manchen Theilen einen
ziemlichen Grad von Variabilität, von Schwanken zwischen den
Art-Charakteren der beiden Eltern zeigen. So sind die Blüthen
der Mischlinge von Digitalis lutea und purpurea "in der Färbung
ungleich, bald blass mit leichtem (zuweilen ganz ohne) röth-
lichen Anflug, bald mit mehr oder minder lebhafter Purpur-
färbung".1) Diese Beobachtungen scheinen mir besonders des-
halb von Wichtigkeit, weil wir in diesem Falle der Kreuzung
zweier sehr verschiedener und scharf begrenzter Arten mit
Sicherheit annehmen dürfen, dass in beiden Eltern die Art-
Charaktere in gleicher Reinheit und Stärke enthalten waren,
dass also das gegenseitige Verhältniss der elterlichen Idioplasmen
während der Ontogenese nicht immer ganz genau dasselbe bleibt,
mag dies nun auf kleinen Unregelmässigkeiten in der Kern-
theilung, oder -- was wohl weniger wahrscheinlich -- auf
Ungleichheiten in der Ernährung und dem Wachsthum der
beiderseitigen elterlichen Idanten beruhen.

Bis in wie kleinste Einzelheiten hinein aber die Voraus-
bestimmung reicht, hatte ich Gelegenheit, an Bastarden zwischen
zwei Arten von Oxalis zu beobachten, welche von Professor
Hildebrandt in Freiburg i. Br. erzogen worden waren, und
deren Betrachtung mir gütigst gestattet wurde. Die eine Stamm-
art hatte grössere helllila Blumen, die andere kleinere rothe
mit dunkelkarminrothem Grund. Die Blumen der verschiedenen
Bastardpflanzen waren nichts weniger, als völlig gleich, vielmehr
liessen sich drei Hauptformen nach der Mischung der Blumen-
farben unterscheiden, die ich nicht im Einzelnen beschreiben
will, allein die Blumen ein und desselben Bastard-

1) Focke, "Die Pflanzen-Mischlinge". Berlin 1881, p. 316.

an fest bestimmt, dennoch im Einzelnen kleinen Schwankungen
unterliegt. Diese liefern uns die Bastarde zwischen ge-
wissen Pflanzenarten
, indem sie an manchen Theilen einen
ziemlichen Grad von Variabilität, von Schwanken zwischen den
Art-Charakteren der beiden Eltern zeigen. So sind die Blüthen
der Mischlinge von Digitalis lutea und purpurea „in der Färbung
ungleich, bald blass mit leichtem (zuweilen ganz ohne) röth-
lichen Anflug, bald mit mehr oder minder lebhafter Purpur-
färbung“.1) Diese Beobachtungen scheinen mir besonders des-
halb von Wichtigkeit, weil wir in diesem Falle der Kreuzung
zweier sehr verschiedener und scharf begrenzter Arten mit
Sicherheit annehmen dürfen, dass in beiden Eltern die Art-
Charaktere in gleicher Reinheit und Stärke enthalten waren,
dass also das gegenseitige Verhältniss der elterlichen Idioplasmen
während der Ontogenese nicht immer ganz genau dasselbe bleibt,
mag dies nun auf kleinen Unregelmässigkeiten in der Kern-
theilung, oder — was wohl weniger wahrscheinlich — auf
Ungleichheiten in der Ernährung und dem Wachsthum der
beiderseitigen elterlichen Idanten beruhen.

Bis in wie kleinste Einzelheiten hinein aber die Voraus-
bestimmung reicht, hatte ich Gelegenheit, an Bastarden zwischen
zwei Arten von Oxalis zu beobachten, welche von Professor
Hildebrandt in Freiburg i. Br. erzogen worden waren, und
deren Betrachtung mir gütigst gestattet wurde. Die eine Stamm-
art hatte grössere helllila Blumen, die andere kleinere rothe
mit dunkelkarminrothem Grund. Die Blumen der verschiedenen
Bastardpflanzen waren nichts weniger, als völlig gleich, vielmehr
liessen sich drei Hauptformen nach der Mischung der Blumen-
farben unterscheiden, die ich nicht im Einzelnen beschreiben
will, allein die Blumen ein und desselben Bastard-

1) Focke, „Die Pflanzen-Mischlinge“. Berlin 1881, p. 316.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0358" n="334"/>
an fest bestimmt, dennoch im Einzelnen kleinen Schwankungen<lb/>
unterliegt. Diese liefern uns die <hi rendition="#g">Bastarde zwischen ge-<lb/>
wissen Pflanzenarten</hi>, indem sie an manchen Theilen einen<lb/>
ziemlichen Grad von Variabilität, von Schwanken zwischen den<lb/>
Art-Charakteren der beiden Eltern zeigen. So sind die Blüthen<lb/>
der Mischlinge von Digitalis lutea und purpurea &#x201E;in der Färbung<lb/>
ungleich, bald blass mit leichtem (zuweilen ganz ohne) röth-<lb/>
lichen Anflug, bald mit mehr oder minder lebhafter Purpur-<lb/>
färbung&#x201C;.<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Focke</hi>, &#x201E;Die Pflanzen-Mischlinge&#x201C;. Berlin 1881, p. 316.</note> Diese Beobachtungen scheinen mir besonders des-<lb/>
halb von Wichtigkeit, weil wir in diesem Falle der Kreuzung<lb/>
zweier sehr verschiedener und scharf begrenzter Arten mit<lb/>
Sicherheit annehmen dürfen, dass in beiden Eltern die Art-<lb/>
Charaktere in gleicher Reinheit und Stärke enthalten waren,<lb/>
dass also das gegenseitige Verhältniss der elterlichen Idioplasmen<lb/>
während der Ontogenese nicht immer ganz genau dasselbe bleibt,<lb/>
mag dies nun auf kleinen Unregelmässigkeiten in der Kern-<lb/>
theilung, oder &#x2014; was wohl weniger wahrscheinlich &#x2014; auf<lb/>
Ungleichheiten in der Ernährung und dem Wachsthum der<lb/>
beiderseitigen elterlichen Idanten beruhen.</p><lb/>
            <p>Bis in wie kleinste Einzelheiten hinein aber die Voraus-<lb/>
bestimmung reicht, hatte ich Gelegenheit, an Bastarden zwischen<lb/>
zwei Arten von Oxalis zu beobachten, welche von Professor<lb/><hi rendition="#g">Hildebrandt</hi> in Freiburg i. Br. erzogen worden waren, und<lb/>
deren Betrachtung mir gütigst gestattet wurde. Die <hi rendition="#g">eine</hi> Stamm-<lb/>
art hatte grössere helllila Blumen, die andere kleinere rothe<lb/>
mit dunkelkarminrothem Grund. Die Blumen der verschiedenen<lb/>
Bastardpflanzen waren nichts weniger, als völlig gleich, vielmehr<lb/>
liessen sich drei Hauptformen nach der Mischung der Blumen-<lb/>
farben unterscheiden, die ich nicht im Einzelnen beschreiben<lb/>
will, <hi rendition="#g">allein die Blumen ein und desselben Bastard-<lb/></hi></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0358] an fest bestimmt, dennoch im Einzelnen kleinen Schwankungen unterliegt. Diese liefern uns die Bastarde zwischen ge- wissen Pflanzenarten, indem sie an manchen Theilen einen ziemlichen Grad von Variabilität, von Schwanken zwischen den Art-Charakteren der beiden Eltern zeigen. So sind die Blüthen der Mischlinge von Digitalis lutea und purpurea „in der Färbung ungleich, bald blass mit leichtem (zuweilen ganz ohne) röth- lichen Anflug, bald mit mehr oder minder lebhafter Purpur- färbung“. 1) Diese Beobachtungen scheinen mir besonders des- halb von Wichtigkeit, weil wir in diesem Falle der Kreuzung zweier sehr verschiedener und scharf begrenzter Arten mit Sicherheit annehmen dürfen, dass in beiden Eltern die Art- Charaktere in gleicher Reinheit und Stärke enthalten waren, dass also das gegenseitige Verhältniss der elterlichen Idioplasmen während der Ontogenese nicht immer ganz genau dasselbe bleibt, mag dies nun auf kleinen Unregelmässigkeiten in der Kern- theilung, oder — was wohl weniger wahrscheinlich — auf Ungleichheiten in der Ernährung und dem Wachsthum der beiderseitigen elterlichen Idanten beruhen. Bis in wie kleinste Einzelheiten hinein aber die Voraus- bestimmung reicht, hatte ich Gelegenheit, an Bastarden zwischen zwei Arten von Oxalis zu beobachten, welche von Professor Hildebrandt in Freiburg i. Br. erzogen worden waren, und deren Betrachtung mir gütigst gestattet wurde. Die eine Stamm- art hatte grössere helllila Blumen, die andere kleinere rothe mit dunkelkarminrothem Grund. Die Blumen der verschiedenen Bastardpflanzen waren nichts weniger, als völlig gleich, vielmehr liessen sich drei Hauptformen nach der Mischung der Blumen- farben unterscheiden, die ich nicht im Einzelnen beschreiben will, allein die Blumen ein und desselben Bastard- 1) Focke, „Die Pflanzen-Mischlinge“. Berlin 1881, p. 316.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/358
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/358>, abgerufen am 27.11.2024.