identischen Zwillingen allein lässt sich kaum ableiten, welche Auffassung die richtige ist. Durch die Güte des Herrn Otto Ammon in Karlsruhe besitze ich die Photographien identischer Zwillinge im Alter von 17 und 18 Jahren, sowie die genauen Maasse aller Körperverhältnisse derselben. Trotz auffallendster Ähnlichkeit nicht nur im Gesicht, sondern in allen Theilen des Körpers finden sich doch auch Unterschiede. So beträgt die ganze Grösse bei dem Einen der in Herrn Ammon's Listen als No. 507 bezeichnet steht, in liegender Stellung 172 Cent., bei No. 508 aber nur 170 Cent.; ferner ist zwar die Handlänge bei Beiden gleich, aber die Armlänge stimmt nur auf der linken Seite, wo sie bei Beiden 74 Cent. beträgt, während der rechte Arm bei No. 507 nur 71 Cent. lang ist gegen den 74 Cent. langen rechten Arm von No. 508. Auch ist die Länge des Armes bei Beiden in einer etwas ungleichen Weise auf Ober- arm und Vorderarm vertheilt, indem die Länge des linken Ober- armes bei No. 507 27 Cent. beträgt, bei No. 508 aber 27,5 Cent. und dementsprechend die Länge des Vorderarmes bei No. 507 ebenfalls 27 Cent., bei No. 508 aber nur 26 Cent. Wenn man nun auch die Maasse der Eltern aus dem gleichen Lebensalter besässe, was nicht der Fall ist, so würde man doch vermuthlich auch daraus nichts Entscheidendes darüber entnehmen können, ob diese geringen Grössen-Unterschiede auf einer nicht ganz vollkommenen Gleichheit der Keimplasma-Mischung beruhen, wie sie durch eine nicht völlig exakte Kerntheilung bei der Ver- doppelung des befruchteten Eies, oder eines späteren Stadiums gesetzt werden könnte, -- oder ob sie nicht einfach in kleinen allgemeinen oder lokalen Ernährungs-Ungleichheiten ihren Grund haben, welche während der Ontogenese einwirken.
Es giebt aber andere Thatsachen, welche beweisen, dass in der That die Mischung der elterlichen Idioplasmen während der Ontogenese, obgleich im Allgemeinen von der Befruchtung
identischen Zwillingen allein lässt sich kaum ableiten, welche Auffassung die richtige ist. Durch die Güte des Herrn Otto Ammon in Karlsruhe besitze ich die Photographien identischer Zwillinge im Alter von 17 und 18 Jahren, sowie die genauen Maasse aller Körperverhältnisse derselben. Trotz auffallendster Ähnlichkeit nicht nur im Gesicht, sondern in allen Theilen des Körpers finden sich doch auch Unterschiede. So beträgt die ganze Grösse bei dem Einen der in Herrn Ammon’s Listen als No. 507 bezeichnet steht, in liegender Stellung 172 Cent., bei No. 508 aber nur 170 Cent.; ferner ist zwar die Handlänge bei Beiden gleich, aber die Armlänge stimmt nur auf der linken Seite, wo sie bei Beiden 74 Cent. beträgt, während der rechte Arm bei No. 507 nur 71 Cent. lang ist gegen den 74 Cent. langen rechten Arm von No. 508. Auch ist die Länge des Armes bei Beiden in einer etwas ungleichen Weise auf Ober- arm und Vorderarm vertheilt, indem die Länge des linken Ober- armes bei No. 507 27 Cent. beträgt, bei No. 508 aber 27,5 Cent. und dementsprechend die Länge des Vorderarmes bei No. 507 ebenfalls 27 Cent., bei No. 508 aber nur 26 Cent. Wenn man nun auch die Maasse der Eltern aus dem gleichen Lebensalter besässe, was nicht der Fall ist, so würde man doch vermuthlich auch daraus nichts Entscheidendes darüber entnehmen können, ob diese geringen Grössen-Unterschiede auf einer nicht ganz vollkommenen Gleichheit der Keimplasma-Mischung beruhen, wie sie durch eine nicht völlig exakte Kerntheilung bei der Ver- doppelung des befruchteten Eies, oder eines späteren Stadiums gesetzt werden könnte, — oder ob sie nicht einfach in kleinen allgemeinen oder lokalen Ernährungs-Ungleichheiten ihren Grund haben, welche während der Ontogenese einwirken.
Es giebt aber andere Thatsachen, welche beweisen, dass in der That die Mischung der elterlichen Idioplasmen während der Ontogenese, obgleich im Allgemeinen von der Befruchtung
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identischen Zwillingen allein lässt sich kaum ableiten, welche
Auffassung die richtige ist. Durch die Güte des Herrn Otto
Ammon in Karlsruhe besitze ich die Photographien identischer
Zwillinge im Alter von 17 und 18 Jahren, sowie die genauen
Maasse aller Körperverhältnisse derselben. Trotz auffallendster
Ähnlichkeit nicht nur im Gesicht, sondern in allen Theilen des
Körpers finden sich doch auch Unterschiede. So beträgt die
ganze Grösse bei dem Einen der in Herrn Ammon’s Listen
als No. 507 bezeichnet steht, in liegender Stellung 172 Cent.,
bei No. 508 aber nur 170 Cent.; ferner ist zwar die Handlänge
bei Beiden gleich, aber die Armlänge stimmt nur auf der linken
Seite, wo sie bei Beiden 74 Cent. beträgt, während der rechte
Arm bei No. 507 nur 71 Cent. lang ist gegen den 74 Cent.
langen rechten Arm von No. 508. Auch ist die Länge des
Armes bei Beiden in einer etwas ungleichen Weise auf Ober-
arm und Vorderarm vertheilt, indem die Länge des linken Ober-
armes bei No. 507 27 Cent. beträgt, bei No. 508 aber 27,5 Cent.
und dementsprechend die Länge des Vorderarmes bei No. 507
ebenfalls 27 Cent., bei No. 508 aber nur 26 Cent. Wenn man
nun auch die Maasse der Eltern aus dem gleichen Lebensalter
besässe, was nicht der Fall ist, so würde man doch vermuthlich
auch daraus nichts Entscheidendes darüber entnehmen können,
ob diese geringen Grössen-Unterschiede auf einer nicht ganz
vollkommenen Gleichheit der Keimplasma-Mischung beruhen, wie
sie durch eine nicht völlig exakte Kerntheilung bei der Ver-
doppelung des befruchteten Eies, oder eines späteren Stadiums
gesetzt werden könnte, — oder ob sie nicht einfach in kleinen
allgemeinen oder lokalen Ernährungs-Ungleichheiten ihren Grund
haben, welche während der Ontogenese einwirken.
Es giebt aber andere Thatsachen, welche beweisen, dass
in der That die Mischung der elterlichen Idioplasmen während
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/357>, abgerufen am 23.11.2024.
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