Callusbildung von den Wundrändern her geschlossen und da- durch das freiliegende Holz vor Schädlichkeiten bewahrt. Ebenso bedeckt sich die Schnitt- oder Bruchfläche eines Astes, selbst vieler saftiger Stengel mit wucherndem Callusgewebe, in dem sogar neue Vegetationspunkte von Sprossen und Wurzeln ent- stehen können, so dass der Callus zum Ausgangspunkt neuer Pflanzen-Individuen wird.1) Der Anstoss zur Wucherung liegt hier, wie bei der thierischen Regeneration in der Aufhebung der Wachsthums-Widerstände, allein die Zellen müssen auf diese Reaction eingerichtet sein, sonst erfolgt die Wucherung nicht, wie denn bei Weitem nicht alle Stengel, Wurzeln oder Blattrippen krautartiger Pflanzen eine Verwundung mit Callus- bildung beantworten. Es liegt also hier keine Ureigenschaft der Pflanze vor, sondern eine Anpassung, die meines Erachtens auf der Beigesellung gewisser Ersatz-Determinanten zu dem aktiven Idioplasma bestimmter Zellenarten beruht.
Callusbildung ist wohl der einzige Vorgang, der bei den Pflanzen als eigentliche Regeneration aufzufassen ist.
5. Die Regeneration an thierischen Embryonen und die Principien der Ontogenese.
Der Vererbungstheorie, wie sie bis jetzt dargelegt wurde, vor Allem der Vorstellung von der Zusammensetzung des Keim- plasma's aus Determinanten und der Abwickelung der Ontogenese durch allmälige Auseinanderlegung der Determinanten-Masse des Keimplasma's liegt die Anschauung zu Grunde, dass die Zellen sich selbst bestimmen, dass ihr Schicksal ihnen durch innere, in ihnen selbst gelegene Kräfte aufgezwungen wird, nicht oder doch nur in zweiter Linie durch äussere Ein- wirkungen. Wenn aus der befruchteten Eizelle, z. B. bei der
1) J. Sachs: "Vorlesungen über Pflanzen-Physiologie", Leipzig 1882, p. 709.
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Callusbildung von den Wundrändern her geschlossen und da- durch das freiliegende Holz vor Schädlichkeiten bewahrt. Ebenso bedeckt sich die Schnitt- oder Bruchfläche eines Astes, selbst vieler saftiger Stengel mit wucherndem Callusgewebe, in dem sogar neue Vegetationspunkte von Sprossen und Wurzeln ent- stehen können, so dass der Callus zum Ausgangspunkt neuer Pflanzen-Individuen wird.1) Der Anstoss zur Wucherung liegt hier, wie bei der thierischen Regeneration in der Aufhebung der Wachsthums-Widerstände, allein die Zellen müssen auf diese Reaction eingerichtet sein, sonst erfolgt die Wucherung nicht, wie denn bei Weitem nicht alle Stengel, Wurzeln oder Blattrippen krautartiger Pflanzen eine Verwundung mit Callus- bildung beantworten. Es liegt also hier keine Ureigenschaft der Pflanze vor, sondern eine Anpassung, die meines Erachtens auf der Beigesellung gewisser Ersatz-Determinanten zu dem aktiven Idioplasma bestimmter Zellenarten beruht.
Callusbildung ist wohl der einzige Vorgang, der bei den Pflanzen als eigentliche Regeneration aufzufassen ist.
5. Die Regeneration an thierischen Embryonen und die Principien der Ontogenese.
Der Vererbungstheorie, wie sie bis jetzt dargelegt wurde, vor Allem der Vorstellung von der Zusammensetzung des Keim- plasma’s aus Determinanten und der Abwickelung der Ontogenese durch allmälige Auseinanderlegung der Determinanten-Masse des Keimplasma’s liegt die Anschauung zu Grunde, dass die Zellen sich selbst bestimmen, dass ihr Schicksal ihnen durch innere, in ihnen selbst gelegene Kräfte aufgezwungen wird, nicht oder doch nur in zweiter Linie durch äussere Ein- wirkungen. Wenn aus der befruchteten Eizelle, z. B. bei der
1) J. Sachs: „Vorlesungen über Pflanzen-Physiologie“, Leipzig 1882, p. 709.
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Callusbildung von den Wundrändern her geschlossen und da-
durch das freiliegende Holz vor Schädlichkeiten bewahrt. Ebenso
bedeckt sich die Schnitt- oder Bruchfläche eines Astes, selbst
vieler saftiger Stengel mit wucherndem Callusgewebe, in dem
sogar neue Vegetationspunkte von Sprossen und Wurzeln ent-
stehen können, so dass der Callus zum Ausgangspunkt neuer
Pflanzen-Individuen wird. 1) Der Anstoss zur Wucherung liegt
hier, wie bei der thierischen Regeneration in der Aufhebung
der Wachsthums-Widerstände, allein die Zellen müssen auf
diese Reaction eingerichtet sein, sonst erfolgt die Wucherung
nicht, wie denn bei Weitem nicht alle Stengel, Wurzeln oder
Blattrippen krautartiger Pflanzen eine Verwundung mit Callus-
bildung beantworten. Es liegt also hier keine Ureigenschaft
der Pflanze vor, sondern eine Anpassung, die meines Erachtens
auf der Beigesellung gewisser Ersatz-Determinanten zu dem
aktiven Idioplasma bestimmter Zellenarten beruht.
Callusbildung ist wohl der einzige Vorgang, der bei den
Pflanzen als eigentliche Regeneration aufzufassen ist.
5. Die Regeneration an thierischen Embryonen und
die Principien der Ontogenese.
Der Vererbungstheorie, wie sie bis jetzt dargelegt wurde,
vor Allem der Vorstellung von der Zusammensetzung des Keim-
plasma’s aus Determinanten und der Abwickelung der Ontogenese
durch allmälige Auseinanderlegung der Determinanten-Masse
des Keimplasma’s liegt die Anschauung zu Grunde, dass die
Zellen sich selbst bestimmen, dass ihr Schicksal ihnen
durch innere, in ihnen selbst gelegene Kräfte aufgezwungen
wird, nicht oder doch nur in zweiter Linie durch äussere Ein-
wirkungen. Wenn aus der befruchteten Eizelle, z. B. bei der
1) J. Sachs: „Vorlesungen über Pflanzen-Physiologie“, Leipzig
1882, p. 709.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/203>, abgerufen am 22.11.2024.
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