Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

mässigen Abgabe solcher inaktiver Determinanten an bestimmte
Zellen und Zellfolgen noch ein weiter Weg ist. Indessen wird
die Natur auch hier vom Einfachen zum Verwickelten fort-
geschritten sein, und ganz so, wie complicirte Organismen nur
im Laufe ungezählter Generationsfolgen und Artenfolgen ent-
stehen konnten, wird auch der complicirte Regenerations-Apparat
im Schwanz oder Bein eines Wassermolches sich nicht plötzlich
und unvermittelt, sondern nur auf Grund ähnlicher Errungen-
schaften ungezählter Vorfahren entwickelt haben können.

Es wäre wohl nicht unausführbar, sich ein ungefähres Bild
von der Reihe von Steigerungen zu entwerfen, welche der Re-
generations-Apparat von den niedersten vielzelligen Wesen an-
gefangen bis zu denjenigen Thieren durchlaufen hat, welche die
höchstentwickelte und complicirteste Regeneration besitzen, in-
dessen verzichte ich darauf. Vielleicht wird die Zukunft Ver-
schiedenheiten in der Zahl der Ide bei Zellen stark regene-
rationsfähiger Theile auffinden, und wenn erst eine thatsächliche
idioplasmatische Basis für die Theorie gewonnen ist, dann wird
es sich lohnen, den Wegen im Einzelnen nachzuspüren, welche
die Entwickelung des Regenerationsvermögens genommen hat.

4. Regeneration bei Pflanzen.

Von dem, was man bei niedern Pflanzen, Pilzen und Moosen
als Regeneration bezeichnen kann, soll später noch genauer
gehandelt werden. Hier möchte ich nur hervorheben, dass bei
allen höheren Pflanzen, bei allen solchen, die als Cormen oder
Pflanzenstöcke zu betrachten sind, eine eigentliche Regeneration
nur in sehr beschränktem Maasse vorkommt. Schneidet man
aus dem Blatte eines Baumes oder irgend einer phanerogamen
Pflanze ein Stück heraus, so ergänzt sich dasselbe nicht
wieder. Ebensowenig wächst ein Staubbeutel aus dem Stiel
wieder neu hervor, oder es bildet sich eine neue Narbe auf

Weismann, Das Keimplasma. 12

mässigen Abgabe solcher inaktiver Determinanten an bestimmte
Zellen und Zellfolgen noch ein weiter Weg ist. Indessen wird
die Natur auch hier vom Einfachen zum Verwickelten fort-
geschritten sein, und ganz so, wie complicirte Organismen nur
im Laufe ungezählter Generationsfolgen und Artenfolgen ent-
stehen konnten, wird auch der complicirte Regenerations-Apparat
im Schwanz oder Bein eines Wassermolches sich nicht plötzlich
und unvermittelt, sondern nur auf Grund ähnlicher Errungen-
schaften ungezählter Vorfahren entwickelt haben können.

Es wäre wohl nicht unausführbar, sich ein ungefähres Bild
von der Reihe von Steigerungen zu entwerfen, welche der Re-
generations-Apparat von den niedersten vielzelligen Wesen an-
gefangen bis zu denjenigen Thieren durchlaufen hat, welche die
höchstentwickelte und complicirteste Regeneration besitzen, in-
dessen verzichte ich darauf. Vielleicht wird die Zukunft Ver-
schiedenheiten in der Zahl der Ide bei Zellen stark regene-
rationsfähiger Theile auffinden, und wenn erst eine thatsächliche
idioplasmatische Basis für die Theorie gewonnen ist, dann wird
es sich lohnen, den Wegen im Einzelnen nachzuspüren, welche
die Entwickelung des Regenerationsvermögens genommen hat.

4. Regeneration bei Pflanzen.

Von dem, was man bei niedern Pflanzen, Pilzen und Moosen
als Regeneration bezeichnen kann, soll später noch genauer
gehandelt werden. Hier möchte ich nur hervorheben, dass bei
allen höheren Pflanzen, bei allen solchen, die als Cormen oder
Pflanzenstöcke zu betrachten sind, eine eigentliche Regeneration
nur in sehr beschränktem Maasse vorkommt. Schneidet man
aus dem Blatte eines Baumes oder irgend einer phanerogamen
Pflanze ein Stück heraus, so ergänzt sich dasselbe nicht
wieder. Ebensowenig wächst ein Staubbeutel aus dem Stiel
wieder neu hervor, oder es bildet sich eine neue Narbe auf

Weismann, Das Keimplasma. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0201" n="177"/>
mässigen Abgabe solcher inaktiver Determinanten an bestimmte<lb/>
Zellen und Zellfolgen noch ein weiter Weg ist. Indessen wird<lb/>
die Natur auch hier vom Einfachen zum Verwickelten fort-<lb/>
geschritten sein, und ganz so, wie complicirte Organismen nur<lb/>
im Laufe ungezählter Generationsfolgen und Artenfolgen ent-<lb/>
stehen konnten, wird auch der complicirte Regenerations-Apparat<lb/>
im Schwanz oder Bein eines Wassermolches sich nicht plötzlich<lb/>
und unvermittelt, sondern nur auf Grund ähnlicher Errungen-<lb/>
schaften ungezählter Vorfahren entwickelt haben können.</p><lb/>
            <p>Es wäre wohl nicht unausführbar, sich ein ungefähres Bild<lb/>
von der Reihe von Steigerungen zu entwerfen, welche der Re-<lb/>
generations-Apparat von den niedersten vielzelligen Wesen an-<lb/>
gefangen bis zu denjenigen Thieren durchlaufen hat, welche die<lb/>
höchstentwickelte und complicirteste Regeneration besitzen, in-<lb/>
dessen verzichte ich darauf. Vielleicht wird die Zukunft Ver-<lb/>
schiedenheiten in der Zahl der Ide bei Zellen stark regene-<lb/>
rationsfähiger Theile auffinden, und wenn erst eine thatsächliche<lb/>
idioplasmatische Basis für die Theorie gewonnen ist, dann wird<lb/>
es sich lohnen, den Wegen im Einzelnen nachzuspüren, welche<lb/>
die Entwickelung des Regenerationsvermögens genommen hat.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">4. Regeneration bei Pflanzen.</hi> </head><lb/>
            <p>Von dem, was man bei niedern Pflanzen, Pilzen und Moosen<lb/>
als Regeneration bezeichnen kann, soll später noch genauer<lb/>
gehandelt werden. Hier möchte ich nur hervorheben, dass bei<lb/>
allen höheren Pflanzen, bei allen solchen, die als Cormen oder<lb/>
Pflanzenstöcke zu betrachten sind, eine eigentliche Regeneration<lb/>
nur in sehr beschränktem Maasse vorkommt. Schneidet man<lb/>
aus dem Blatte eines Baumes oder irgend einer phanerogamen<lb/>
Pflanze ein Stück heraus, so ergänzt sich dasselbe nicht<lb/>
wieder. Ebensowenig wächst ein Staubbeutel aus dem Stiel<lb/>
wieder neu hervor, oder es bildet sich eine neue Narbe auf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Weismann</hi>, Das Keimplasma. 12</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0201] mässigen Abgabe solcher inaktiver Determinanten an bestimmte Zellen und Zellfolgen noch ein weiter Weg ist. Indessen wird die Natur auch hier vom Einfachen zum Verwickelten fort- geschritten sein, und ganz so, wie complicirte Organismen nur im Laufe ungezählter Generationsfolgen und Artenfolgen ent- stehen konnten, wird auch der complicirte Regenerations-Apparat im Schwanz oder Bein eines Wassermolches sich nicht plötzlich und unvermittelt, sondern nur auf Grund ähnlicher Errungen- schaften ungezählter Vorfahren entwickelt haben können. Es wäre wohl nicht unausführbar, sich ein ungefähres Bild von der Reihe von Steigerungen zu entwerfen, welche der Re- generations-Apparat von den niedersten vielzelligen Wesen an- gefangen bis zu denjenigen Thieren durchlaufen hat, welche die höchstentwickelte und complicirteste Regeneration besitzen, in- dessen verzichte ich darauf. Vielleicht wird die Zukunft Ver- schiedenheiten in der Zahl der Ide bei Zellen stark regene- rationsfähiger Theile auffinden, und wenn erst eine thatsächliche idioplasmatische Basis für die Theorie gewonnen ist, dann wird es sich lohnen, den Wegen im Einzelnen nachzuspüren, welche die Entwickelung des Regenerationsvermögens genommen hat. 4. Regeneration bei Pflanzen. Von dem, was man bei niedern Pflanzen, Pilzen und Moosen als Regeneration bezeichnen kann, soll später noch genauer gehandelt werden. Hier möchte ich nur hervorheben, dass bei allen höheren Pflanzen, bei allen solchen, die als Cormen oder Pflanzenstöcke zu betrachten sind, eine eigentliche Regeneration nur in sehr beschränktem Maasse vorkommt. Schneidet man aus dem Blatte eines Baumes oder irgend einer phanerogamen Pflanze ein Stück heraus, so ergänzt sich dasselbe nicht wieder. Ebensowenig wächst ein Staubbeutel aus dem Stiel wieder neu hervor, oder es bildet sich eine neue Narbe auf Weismann, Das Keimplasma. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/201
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/201>, abgerufen am 22.12.2024.