einer andern Längsebene halbirt; beide Hälften sterben viel- mehr. Anders bei Hydra; theilt man sie in einer Längsebene, so ergänzen sich beide Hälften wieder zum ganzen Individuum, und es ist dabei gleichgültig, welche Ebene vom Schnitt ge- troffen wird. Da nun Quertheilung des Thieres an beliebiger Stelle ebenfalls eine Ergänzung jeder Hälfte zum Ganzen zur Folge hat, so muss also von jeder Stelle des Körpers eine Re- generation in dreifacher Richtung ausgehen können, nämlich nach den drei Richtungen des Raumes, und da der Körper in diesen drei Richtungen verschieden gebaut ist, so wird man zu der Annahme gedrängt, dass in jeder Zelle drei verschiedene Arten von Determinanten-Gruppen enthalten sind, nämlich solche für das Vorderende, solche für das Hinderende und solche für den Mauerschluss des Körpers, wenn ich diesen Ausdruck für den Ausbau der Körperwandung in der Richtung der Quer- achsen gebrauchen darf. Ein und dieselbe Zelle1) müsste also in dreierlei Richtung hin sich theilen und dreierlei Abschnitte des Körpers liefern können, und zwar müsste auch hier nicht die Qualität, sondern die Richtung, von welcher her der Wund- reiz wirkt, die Entscheidung darüber geben, welche Theilungs- art faktisch ausgeführt wird, d. h. welche Determinanten in in Activität treten und die Herrschaft über die Zelle über- nehmen.
Mit dieser Annahme, scheint mir, lassen sich die Regene- rations-Vorgänge bei Hydra einigermassen verstehen. Wird z. B. die Gruppe der Ersatz-Determinanten des Hinderendes activ, so entstehen seitlich zu Ringen geschlossene lineare Zellen- reihen in der Richtung von vorn nach hinten mit der Tendenz, sich zum Fussgewölbe so bald als möglich zusammenzuschliessen
1) Auf den histologischen Theil der Regeneration von Hydra gehe ich nicht ein, weil mir die Thatsachen hier noch allzu unsicher und lückenhaft zu sein scheinen.
einer andern Längsebene halbirt; beide Hälften sterben viel- mehr. Anders bei Hydra; theilt man sie in einer Längsebene, so ergänzen sich beide Hälften wieder zum ganzen Individuum, und es ist dabei gleichgültig, welche Ebene vom Schnitt ge- troffen wird. Da nun Quertheilung des Thieres an beliebiger Stelle ebenfalls eine Ergänzung jeder Hälfte zum Ganzen zur Folge hat, so muss also von jeder Stelle des Körpers eine Re- generation in dreifacher Richtung ausgehen können, nämlich nach den drei Richtungen des Raumes, und da der Körper in diesen drei Richtungen verschieden gebaut ist, so wird man zu der Annahme gedrängt, dass in jeder Zelle drei verschiedene Arten von Determinanten-Gruppen enthalten sind, nämlich solche für das Vorderende, solche für das Hinderende und solche für den Mauerschluss des Körpers, wenn ich diesen Ausdruck für den Ausbau der Körperwandung in der Richtung der Quer- achsen gebrauchen darf. Ein und dieselbe Zelle1) müsste also in dreierlei Richtung hin sich theilen und dreierlei Abschnitte des Körpers liefern können, und zwar müsste auch hier nicht die Qualität, sondern die Richtung, von welcher her der Wund- reiz wirkt, die Entscheidung darüber geben, welche Theilungs- art faktisch ausgeführt wird, d. h. welche Determinanten in in Activität treten und die Herrschaft über die Zelle über- nehmen.
Mit dieser Annahme, scheint mir, lassen sich die Regene- rations-Vorgänge bei Hydra einigermassen verstehen. Wird z. B. die Gruppe der Ersatz-Determinanten des Hinderendes activ, so entstehen seitlich zu Ringen geschlossene lineare Zellen- reihen in der Richtung von vorn nach hinten mit der Tendenz, sich zum Fussgewölbe so bald als möglich zusammenzuschliessen
1) Auf den histologischen Theil der Regeneration von Hydra gehe ich nicht ein, weil mir die Thatsachen hier noch allzu unsicher und lückenhaft zu sein scheinen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0194"n="170"/>
einer andern Längsebene halbirt; beide Hälften sterben viel-<lb/>
mehr. Anders bei Hydra; theilt man sie in einer Längsebene,<lb/>
so ergänzen sich beide Hälften wieder zum ganzen Individuum,<lb/>
und es ist dabei gleichgültig, welche Ebene vom Schnitt ge-<lb/>
troffen wird. Da nun Quertheilung des Thieres an beliebiger<lb/>
Stelle ebenfalls eine Ergänzung jeder Hälfte zum Ganzen zur<lb/>
Folge hat, so muss also von jeder Stelle des Körpers eine Re-<lb/>
generation in dreifacher Richtung ausgehen können, nämlich<lb/>
nach den drei Richtungen des Raumes, und da der Körper in<lb/>
diesen drei Richtungen verschieden gebaut ist, so wird man zu<lb/>
der Annahme gedrängt, dass in jeder Zelle drei verschiedene<lb/>
Arten von Determinanten-Gruppen enthalten sind, nämlich solche<lb/>
für das Vorderende, solche für das Hinderende und solche für<lb/>
den Mauerschluss des Körpers, wenn ich diesen Ausdruck für<lb/>
den Ausbau der Körperwandung in der Richtung der Quer-<lb/>
achsen gebrauchen darf. Ein und dieselbe Zelle<noteplace="foot"n="1)">Auf den histologischen Theil der Regeneration von Hydra gehe<lb/>
ich nicht ein, weil mir die Thatsachen hier noch allzu unsicher und<lb/>
lückenhaft zu sein scheinen.</note> müsste also<lb/>
in dreierlei Richtung hin sich theilen und dreierlei Abschnitte<lb/>
des Körpers liefern können, und zwar müsste auch hier nicht<lb/>
die Qualität, sondern die Richtung, von welcher her der Wund-<lb/>
reiz wirkt, die Entscheidung darüber geben, welche Theilungs-<lb/>
art faktisch ausgeführt wird, d. h. welche Determinanten in<lb/>
in Activität treten und die Herrschaft über die Zelle über-<lb/>
nehmen.</p><lb/><p>Mit dieser Annahme, scheint mir, lassen sich die Regene-<lb/>
rations-Vorgänge bei Hydra einigermassen verstehen. Wird<lb/>
z. B. die Gruppe der Ersatz-Determinanten des Hinderendes<lb/>
activ, so entstehen seitlich zu Ringen geschlossene lineare Zellen-<lb/>
reihen in der Richtung von vorn nach hinten mit der Tendenz,<lb/>
sich zum Fussgewölbe so bald als möglich zusammenzuschliessen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[170/0194]
einer andern Längsebene halbirt; beide Hälften sterben viel-
mehr. Anders bei Hydra; theilt man sie in einer Längsebene,
so ergänzen sich beide Hälften wieder zum ganzen Individuum,
und es ist dabei gleichgültig, welche Ebene vom Schnitt ge-
troffen wird. Da nun Quertheilung des Thieres an beliebiger
Stelle ebenfalls eine Ergänzung jeder Hälfte zum Ganzen zur
Folge hat, so muss also von jeder Stelle des Körpers eine Re-
generation in dreifacher Richtung ausgehen können, nämlich
nach den drei Richtungen des Raumes, und da der Körper in
diesen drei Richtungen verschieden gebaut ist, so wird man zu
der Annahme gedrängt, dass in jeder Zelle drei verschiedene
Arten von Determinanten-Gruppen enthalten sind, nämlich solche
für das Vorderende, solche für das Hinderende und solche für
den Mauerschluss des Körpers, wenn ich diesen Ausdruck für
den Ausbau der Körperwandung in der Richtung der Quer-
achsen gebrauchen darf. Ein und dieselbe Zelle 1) müsste also
in dreierlei Richtung hin sich theilen und dreierlei Abschnitte
des Körpers liefern können, und zwar müsste auch hier nicht
die Qualität, sondern die Richtung, von welcher her der Wund-
reiz wirkt, die Entscheidung darüber geben, welche Theilungs-
art faktisch ausgeführt wird, d. h. welche Determinanten in
in Activität treten und die Herrschaft über die Zelle über-
nehmen.
Mit dieser Annahme, scheint mir, lassen sich die Regene-
rations-Vorgänge bei Hydra einigermassen verstehen. Wird
z. B. die Gruppe der Ersatz-Determinanten des Hinderendes
activ, so entstehen seitlich zu Ringen geschlossene lineare Zellen-
reihen in der Richtung von vorn nach hinten mit der Tendenz,
sich zum Fussgewölbe so bald als möglich zusammenzuschliessen
1) Auf den histologischen Theil der Regeneration von Hydra gehe
ich nicht ein, weil mir die Thatsachen hier noch allzu unsicher und
lückenhaft zu sein scheinen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/194>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.