wie es thatsächlich der Fall sein muss, damit nicht nur die Gestalt der Feder, sondern auch jeder Farbenfleck auf derselben bei allen Individuen der Art in gleicher Weise sich wiederholt, das ist schon schwer genug sich vorzustellen; dass aber dieser ganze complicirte Bildungs-Mechanismus sich auch noch ausser- dem derart sollte umgestalten können, dass von jeder Schnitt- fläche des Flügels aus der ganze Flügel mit allen seinen Federn und Farbenfleckchen auf den Federn sollte regenerirt werden können, das möchte man wohl für unmöglich erklären. Nach unserer Theorie gehörte dazu, dass die Zellen einer jeden Quer- schnittfläche des Flügels neben dem ihnen für ihre eigentliche Natur zukommenden Idioplasma noch sämmtliche Determinanten sämmtlicher Zellen als Ersatz-Determinanten enthielten, welche zum Aufbau des distalwärts noch folgenden Stückes des Flügels gehören, und zwar in entsprechender Vertheilung auf die Zellen der radialen und ulnaren, der oberen und unteren Fläche des Flügels, und mit genauer Abwägung der Vermehrungskraft jeder Zelle und ihrer Nachfolge. So wenig wir auch urtheilen können über das, was in der Natur möglich ist, und so sehr wir durchdrungen sind von der niederschlagenden Überzeugung, dass zahlreiche Vorgänge des Lebens immer noch unverstanden für uns geblieben sind, so möchten wir uns doch berechtigt glauben, in diesem Falle aus dem Nichtgeschehen auf die Unmöglichkeit solchen Geschehens zu schliessen, d. h. daraus, dass thatsächlich eine Regeneration des Vogelflügels nicht vorkommt, zu schliessen, dass sie der Complicirtheit des dazu erforderlichen Mechanismus halber nicht möglich sei.
Dennoch darf ein förmlicher Beweis, dass dem so ist in der Thatsache, dass Regeneration hier nicht vorkommt, nicht gesehen werden. Dies wäre schon deshalb unstatthaft, weil der erste der drei Faktoren, welche nach unserer Annahme den Regenerations-Mechanismus hervorrufen, hier nicht vorhanden
wie es thatsächlich der Fall sein muss, damit nicht nur die Gestalt der Feder, sondern auch jeder Farbenfleck auf derselben bei allen Individuen der Art in gleicher Weise sich wiederholt, das ist schon schwer genug sich vorzustellen; dass aber dieser ganze complicirte Bildungs-Mechanismus sich auch noch ausser- dem derart sollte umgestalten können, dass von jeder Schnitt- fläche des Flügels aus der ganze Flügel mit allen seinen Federn und Farbenfleckchen auf den Federn sollte regenerirt werden können, das möchte man wohl für unmöglich erklären. Nach unserer Theorie gehörte dazu, dass die Zellen einer jeden Quer- schnittfläche des Flügels neben dem ihnen für ihre eigentliche Natur zukommenden Idioplasma noch sämmtliche Determinanten sämmtlicher Zellen als Ersatz-Determinanten enthielten, welche zum Aufbau des distalwärts noch folgenden Stückes des Flügels gehören, und zwar in entsprechender Vertheilung auf die Zellen der radialen und ulnaren, der oberen und unteren Fläche des Flügels, und mit genauer Abwägung der Vermehrungskraft jeder Zelle und ihrer Nachfolge. So wenig wir auch urtheilen können über das, was in der Natur möglich ist, und so sehr wir durchdrungen sind von der niederschlagenden Überzeugung, dass zahlreiche Vorgänge des Lebens immer noch unverstanden für uns geblieben sind, so möchten wir uns doch berechtigt glauben, in diesem Falle aus dem Nichtgeschehen auf die Unmöglichkeit solchen Geschehens zu schliessen, d. h. daraus, dass thatsächlich eine Regeneration des Vogelflügels nicht vorkommt, zu schliessen, dass sie der Complicirtheit des dazu erforderlichen Mechanismus halber nicht möglich sei.
Dennoch darf ein förmlicher Beweis, dass dem so ist in der Thatsache, dass Regeneration hier nicht vorkommt, nicht gesehen werden. Dies wäre schon deshalb unstatthaft, weil der erste der drei Faktoren, welche nach unserer Annahme den Regenerations-Mechanismus hervorrufen, hier nicht vorhanden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0189"n="165"/>
wie es thatsächlich der Fall sein muss, damit nicht nur die<lb/>
Gestalt der Feder, sondern auch jeder Farbenfleck auf derselben<lb/>
bei allen Individuen der Art in gleicher Weise sich wiederholt,<lb/>
das ist schon schwer genug sich vorzustellen; dass aber dieser<lb/>
ganze complicirte Bildungs-Mechanismus sich auch noch ausser-<lb/>
dem derart sollte umgestalten können, dass von jeder Schnitt-<lb/>
fläche des Flügels aus der ganze Flügel mit allen seinen Federn<lb/>
und Farbenfleckchen auf den Federn sollte regenerirt werden<lb/>
können, das möchte man wohl für unmöglich erklären. Nach<lb/>
unserer Theorie gehörte dazu, dass die Zellen einer jeden Quer-<lb/>
schnittfläche des Flügels neben dem ihnen für ihre eigentliche<lb/>
Natur zukommenden Idioplasma noch sämmtliche Determinanten<lb/>
sämmtlicher Zellen als Ersatz-Determinanten enthielten, welche<lb/>
zum Aufbau des distalwärts noch folgenden Stückes des Flügels<lb/>
gehören, und zwar in entsprechender Vertheilung auf die Zellen<lb/>
der radialen und ulnaren, der oberen und unteren Fläche des<lb/>
Flügels, und mit genauer Abwägung der Vermehrungskraft<lb/>
jeder Zelle und ihrer Nachfolge. So wenig wir auch urtheilen<lb/>
können über das, was in der Natur möglich ist, und so sehr<lb/>
wir durchdrungen sind von der niederschlagenden Überzeugung,<lb/>
dass zahlreiche Vorgänge des Lebens immer noch unverstanden<lb/>
für uns geblieben sind, so möchten wir uns doch berechtigt<lb/>
glauben, in diesem Falle <hirendition="#g">aus dem Nichtgeschehen auf die<lb/>
Unmöglichkeit solchen Geschehens zu schliessen</hi>, d. h.<lb/>
daraus, dass thatsächlich eine Regeneration des Vogelflügels<lb/>
nicht vorkommt, zu schliessen, dass sie der Complicirtheit des<lb/>
dazu erforderlichen Mechanismus halber nicht möglich sei.</p><lb/><p>Dennoch darf ein förmlicher Beweis, dass dem so ist in<lb/>
der Thatsache, dass Regeneration hier nicht vorkommt, nicht<lb/>
gesehen werden. Dies wäre schon deshalb unstatthaft, weil der<lb/>
erste der drei Faktoren, welche nach unserer Annahme den<lb/>
Regenerations-Mechanismus hervorrufen, hier nicht vorhanden<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[165/0189]
wie es thatsächlich der Fall sein muss, damit nicht nur die
Gestalt der Feder, sondern auch jeder Farbenfleck auf derselben
bei allen Individuen der Art in gleicher Weise sich wiederholt,
das ist schon schwer genug sich vorzustellen; dass aber dieser
ganze complicirte Bildungs-Mechanismus sich auch noch ausser-
dem derart sollte umgestalten können, dass von jeder Schnitt-
fläche des Flügels aus der ganze Flügel mit allen seinen Federn
und Farbenfleckchen auf den Federn sollte regenerirt werden
können, das möchte man wohl für unmöglich erklären. Nach
unserer Theorie gehörte dazu, dass die Zellen einer jeden Quer-
schnittfläche des Flügels neben dem ihnen für ihre eigentliche
Natur zukommenden Idioplasma noch sämmtliche Determinanten
sämmtlicher Zellen als Ersatz-Determinanten enthielten, welche
zum Aufbau des distalwärts noch folgenden Stückes des Flügels
gehören, und zwar in entsprechender Vertheilung auf die Zellen
der radialen und ulnaren, der oberen und unteren Fläche des
Flügels, und mit genauer Abwägung der Vermehrungskraft
jeder Zelle und ihrer Nachfolge. So wenig wir auch urtheilen
können über das, was in der Natur möglich ist, und so sehr
wir durchdrungen sind von der niederschlagenden Überzeugung,
dass zahlreiche Vorgänge des Lebens immer noch unverstanden
für uns geblieben sind, so möchten wir uns doch berechtigt
glauben, in diesem Falle aus dem Nichtgeschehen auf die
Unmöglichkeit solchen Geschehens zu schliessen, d. h.
daraus, dass thatsächlich eine Regeneration des Vogelflügels
nicht vorkommt, zu schliessen, dass sie der Complicirtheit des
dazu erforderlichen Mechanismus halber nicht möglich sei.
Dennoch darf ein förmlicher Beweis, dass dem so ist in
der Thatsache, dass Regeneration hier nicht vorkommt, nicht
gesehen werden. Dies wäre schon deshalb unstatthaft, weil der
erste der drei Faktoren, welche nach unserer Annahme den
Regenerations-Mechanismus hervorrufen, hier nicht vorhanden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/189>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.