Ich nehme also an, dass jedes Idioplasma aus mehreren oder vielen Iden zusammengesetzt ist, die wachsen und sich durch Theilung vermehren können. Gäbe es Thiere, in deren Vorfahren-Reihe geschlechtliche Fortpflanzung niemals hineingespielt hätte, so müssten diese Ide untereinander völlig gleich sein. In jedem Falle aber enthält jedes Id des Keimplasma's die sämmtlichen Elemente, welche für die Ent- wickelung aller folgenden Id-Stufen erforderlich sind. Theo- retisch also würde eines dieser Ide für die Ontogenese ge- nügen.
Die Veränderungen dieses Keimplasma-Id's in der Ontogenese können nach unseren Voraussetzungen nur in einer gesetzmässigen Zerlegung der Determinanten in immer kleinere Gruppen bestehen, die so lange fortgeht, bis schliesslich in jeder Zelle nur noch eine Art von Determinanten enthalten ist, diejenige, welche sie zu determiniren hat. Es ist durchaus unwahrscheinlich, dass alle Determinanten des Keimplasma- Id's in die sämmtlichen Id-Stufen der Ontogenese mitgeführt werden. Ich werde zwar später bei Besprechung der Regene- ration, Knospung u. s. w. zu zeigen haben, dass unter Um- ständen Determinanten-Gruppen gewissen Zellenfolgen beigegeben werden, welche zur Determinirung dieser Zellen selbst nicht gehören, aber dies beruht, wie ich glaube, auf besonderen An- passungen und ist nicht das Ursprüngliche, wenigstens gewiss nicht bei den höheren Thieren und Pflanzen. Weshalb sollte die Natur, die doch überall Sparsamkeit walten lässt, den Luxus treiben, sämmtliche Determinanten des Keimplasmas's allen Zellen des ganzen Körpers mitzugeben, wenn eine einzige Art von ihnen genügt? Dies wird also voraussichtlich nur da geschehen sein, wo es bestimmten Zwecken dient. Auch die enorme Zahl der im Keimplasma enthaltenen Determinanten spricht gegen eine solche Annahme, denn ihre Zahl wird bei den höheren
Ich nehme also an, dass jedes Idioplasma aus mehreren oder vielen Iden zusammengesetzt ist, die wachsen und sich durch Theilung vermehren können. Gäbe es Thiere, in deren Vorfahren-Reihe geschlechtliche Fortpflanzung niemals hineingespielt hätte, so müssten diese Ide untereinander völlig gleich sein. In jedem Falle aber enthält jedes Id des Keimplasma’s die sämmtlichen Elemente, welche für die Ent- wickelung aller folgenden Id-Stufen erforderlich sind. Theo- retisch also würde eines dieser Ide für die Ontogenese ge- nügen.
Die Veränderungen dieses Keimplasma-Id’s in der Ontogenese können nach unseren Voraussetzungen nur in einer gesetzmässigen Zerlegung der Determinanten in immer kleinere Gruppen bestehen, die so lange fortgeht, bis schliesslich in jeder Zelle nur noch eine Art von Determinanten enthalten ist, diejenige, welche sie zu determiniren hat. Es ist durchaus unwahrscheinlich, dass alle Determinanten des Keimplasma- Id’s in die sämmtlichen Id-Stufen der Ontogenese mitgeführt werden. Ich werde zwar später bei Besprechung der Regene- ration, Knospung u. s. w. zu zeigen haben, dass unter Um- ständen Determinanten-Gruppen gewissen Zellenfolgen beigegeben werden, welche zur Determinirung dieser Zellen selbst nicht gehören, aber dies beruht, wie ich glaube, auf besonderen An- passungen und ist nicht das Ursprüngliche, wenigstens gewiss nicht bei den höheren Thieren und Pflanzen. Weshalb sollte die Natur, die doch überall Sparsamkeit walten lässt, den Luxus treiben, sämmtliche Determinanten des Keimplasmas’s allen Zellen des ganzen Körpers mitzugeben, wenn eine einzige Art von ihnen genügt? Dies wird also voraussichtlich nur da geschehen sein, wo es bestimmten Zwecken dient. Auch die enorme Zahl der im Keimplasma enthaltenen Determinanten spricht gegen eine solche Annahme, denn ihre Zahl wird bei den höheren
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Ich nehme also an, dass jedes Idioplasma aus mehreren
oder vielen Iden zusammengesetzt ist, die wachsen
und sich durch Theilung vermehren können. Gäbe es
Thiere, in deren Vorfahren-Reihe geschlechtliche Fortpflanzung
niemals hineingespielt hätte, so müssten diese Ide untereinander
völlig gleich sein. In jedem Falle aber enthält jedes Id des
Keimplasma’s die sämmtlichen Elemente, welche für die Ent-
wickelung aller folgenden Id-Stufen erforderlich sind. Theo-
retisch also würde eines dieser Ide für die Ontogenese ge-
nügen.
Die Veränderungen dieses Keimplasma-Id’s in der
Ontogenese können nach unseren Voraussetzungen nur in
einer gesetzmässigen Zerlegung der Determinanten in immer
kleinere Gruppen bestehen, die so lange fortgeht, bis schliesslich
in jeder Zelle nur noch eine Art von Determinanten enthalten
ist, diejenige, welche sie zu determiniren hat. Es ist durchaus
unwahrscheinlich, dass alle Determinanten des Keimplasma-
Id’s in die sämmtlichen Id-Stufen der Ontogenese mitgeführt
werden. Ich werde zwar später bei Besprechung der Regene-
ration, Knospung u. s. w. zu zeigen haben, dass unter Um-
ständen Determinanten-Gruppen gewissen Zellenfolgen beigegeben
werden, welche zur Determinirung dieser Zellen selbst nicht
gehören, aber dies beruht, wie ich glaube, auf besonderen An-
passungen und ist nicht das Ursprüngliche, wenigstens gewiss
nicht bei den höheren Thieren und Pflanzen. Weshalb sollte
die Natur, die doch überall Sparsamkeit walten lässt, den Luxus
treiben, sämmtliche Determinanten des Keimplasmas’s allen Zellen
des ganzen Körpers mitzugeben, wenn eine einzige Art von
ihnen genügt? Dies wird also voraussichtlich nur da geschehen
sein, wo es bestimmten Zwecken dient. Auch die enorme
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/109>, abgerufen am 28.11.2024.
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