Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683.Der Haupt-Rebelle. Leon. Ich wolte wünschen/ daß meine Furcht aus Weiblicher Schwachheit entstanden wäre; allein/ ich höre solche Zeitung/ darüber ich vor Angst zerspringen möchte: ach wer wil dem rasen- den Volcke wiederstehen! Ist uns und unserer Familie der unglückselige Tod zu Neapolis bestimt/ und sollen wir das jenige/ was andere verschuldet haben/ mit unserm Blute büssen? Rod. Ihr Liebden beschämen mich mit der un- zeitigen Furcht. Leon. Ihr Liebden halten mir es zu Gnaden/ daß ich spreche/ die Furcht sey etwas langsam: Ach! ich sehe mein Verderben schon vor Augen! und weil doch so viel hundert tausend Menschen nach unserm Blute durstig sind/ so gebe doch der barmhertzige Himmel/ daß ich zu erst einen tödlichen Stoß be- kommen möge/ ehe ich den Tod meiner hertzliebsten Kinder/ und so denn auch das euserste Unglück mei- nes Hertzgeliebtesten Ehe-Gemahls anschauen müsse. Rod. Wie hat doch die eitele Einbildung so ei- ne mächtige Operation, daß man dem Tode ent- gegen lauffen wil/ wenn man noch gute Gelegen- heit zum Leben hat. Leon. Ich sehe bey dem gegenwärtigen Zustan- de nichts/ als einen geschwinden Tod/ oder ein dienstbares Leben. Nun weiß ich wohl/ wie mein Stand/ meine Ehre und meine inbrünstige Liebe ge- gen den Hertzgeliebtesten Ehegemahl aus zweyen Ubeln das geringste erwehlen sol. Rod.
Der Haupt-Rebelle. Leon. Ich wolte wuͤnſchen/ daß meine Furcht aus Weiblicher Schwachheit entſtanden waͤre; allein/ ich hoͤre ſolche Zeitung/ daruͤber ich vor Angſt zerſpringen moͤchte: ach wer wil dem raſen- den Volcke wiederſtehen! Iſt uns und unſerer Familie der ungluͤckſelige Tod zu Neapolis beſtimt/ und ſollen wir das jenige/ was andere verſchuldet haben/ mit unſerm Blute buͤſſen? Rod. Ihr Liebden beſchaͤmen mich mit der un- zeitigen Furcht. Leon. Ihr Liebden halten mir es zu Gnaden/ daß ich ſpreche/ die Furcht ſey etwas langſam: Ach! ich ſehe mein Verderben ſchon vor Augen! und weil doch ſo viel hundert tauſend Menſchen nach unſerm Blute durſtig ſind/ ſo gebe doch der barmhertzige Himmel/ daß ich zu erſt einen toͤdlichen Stoß be- kommen moͤge/ ehe ich den Tod meiner hertzliebſten Kinder/ und ſo denn auch das euſerſte Ungluͤck mei- nes Hertzgeliebteſten Ehe-Gemahls anſchauen muͤſſe. Rod. Wie hat doch die eitele Einbildung ſo ei- ne maͤchtige Operation, daß man dem Tode ent- gegen lauffen wil/ wenn man noch gute Gelegen- heit zum Leben hat. Leon. Ich ſehe bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtan- de nichts/ als einen geſchwinden Tod/ oder ein dienſtbares Leben. Nun weiß ich wohl/ wie mein Stand/ meine Ehre und meine inbruͤnſtige Liebe ge- gen den Hertzgeliebteſten Ehegemahl aus zweyen Ubeln das geringſte erwehlen ſol. Rod.
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Angſt zerſpringen moͤchte: ach wer wil dem raſen-
den Volcke wiederſtehen! Iſt uns und unſerer
Familie der ungluͤckſelige Tod zu Neapolis beſtimt/
und ſollen wir das jenige/ was andere verſchuldet
haben/ mit unſerm Blute buͤſſen?
Rod. Ihr Liebden beſchaͤmen mich mit der un-
zeitigen Furcht.
Leon. Ihr Liebden halten mir es zu Gnaden/
daß ich ſpreche/ die Furcht ſey etwas langſam: Ach!
ich ſehe mein Verderben ſchon vor Augen! und weil
doch ſo viel hundert tauſend Menſchen nach unſerm
Blute durſtig ſind/ ſo gebe doch der barmhertzige
Himmel/ daß ich zu erſt einen toͤdlichen Stoß be-
kommen moͤge/ ehe ich den Tod meiner hertzliebſten
Kinder/ und ſo denn auch das euſerſte Ungluͤck mei-
nes Hertzgeliebteſten Ehe-Gemahls anſchauen muͤſſe.
Rod. Wie hat doch die eitele Einbildung ſo ei-
ne maͤchtige Operation, daß man dem Tode ent-
gegen lauffen wil/ wenn man noch gute Gelegen-
heit zum Leben hat.
Leon. Ich ſehe bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtan-
de nichts/ als einen geſchwinden Tod/ oder ein
dienſtbares Leben. Nun weiß ich wohl/ wie mein
Stand/ meine Ehre und meine inbruͤnſtige Liebe ge-
gen den Hertzgeliebteſten Ehegemahl aus zweyen
Ubeln das geringſte erwehlen ſol.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683/351>, abgerufen am 27.07.2024. |