Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.
das Urtheil ist grausam/ es ist zu ge- schwinde/ und weil der König dem Parlamente hierinne folgen muß/ so werde ich mich an keiner Majestät ver- sündigen/ wenn ich darzu setze/ das Ur- theil ist ungerecht. Arn. Wir wollen an die Seele geden- cken: GOtt hat alles gerecht gemacht. Bir. Jn guten Tagen wolte ich auch trö- sten: Aber wenn ich itzo die Worte im Hertzen begreiffen solte/ so müsten sie gantz anders gesetzt werden. (Er laufft in die Scene, welche zufällt.) Harl. Mein Herr Pater, was muß er vor Angst bey diesem Manne ausstehen? Sill. Er soll sterben/ und die Begierden lassen sich an/ als wenn er noch so lange leben solte. Arn. Der Kopff/ den er die Zeit seines Le- bens nicht hat brechen können/ der wird numehr in dieser Verwirrung schwer- lich zu brechen seyn: Und ich bitte Gott/ er wolle dieses Merckmal der menschli- chen Schwachheit seiner Seelen nicht zurechnen. Harl. Die Zeit ist kurtz/ wo er die ver- säumt
das Urtheil iſt grauſam/ es iſt zu ge- ſchwinde/ und weil der Koͤnig dem Parlamente hierinne folgen muß/ ſo werde ich mich an keiner Majeſtaͤt ver- ſuͤndigen/ wenn ich darzu ſetze/ das Ur- theil iſt ungerecht. Arn. Wir wollen an die Seele geden- cken: GOtt hat alles gerecht gemacht. Bir. Jn guten Tagen wolte ich auch troͤ- ſten: Aber wenn ich itzo die Worte im Hertzen begreiffen ſolte/ ſo muͤſten ſie gantz anders geſetzt werden. (Er laufft in die Scene, welche zufaͤllt.) Harl. Mein Herr Pater, was muß er vor Angſt bey dieſem Manne ausſtehen? Sill. Er ſoll ſterben/ und die Begierden laſſen ſich an/ als wenn er noch ſo lange leben ſolte. Arn. Der Kopff/ den er die Zeit ſeines Le- bens nicht hat brechen koͤnnen/ der wird numehr in dieſer Verwirrung ſchwer- lich zu brechen ſeyn: Und ich bitte Gott/ er wolle dieſes Merckmal der menſchli- chen Schwachheit ſeiner Seelen nicht zurechnen. Harl. Die Zeit iſt kurtz/ wo er die ver- ſaͤumt
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BIR"> <p><pb facs="#f0737" n="571"/> das Urtheil iſt grauſam/ es iſt zu ge-<lb/> ſchwinde/ und weil der Koͤnig dem<lb/> Parlamente hierinne folgen muß/ ſo<lb/> werde ich mich an keiner Majeſtaͤt ver-<lb/> ſuͤndigen/ wenn ich darzu ſetze/ das Ur-<lb/> theil iſt ungerecht.</p> </sp><lb/> <sp who="#ARN"> <speaker>Arn.</speaker> <p>Wir wollen an die Seele geden-<lb/> cken: GOtt hat alles gerecht gemacht.</p> </sp><lb/> <sp who="#BIR"> <speaker>Bir.</speaker> <p>Jn guten Tagen wolte ich auch troͤ-<lb/> ſten: Aber wenn ich itzo die Worte im<lb/> Hertzen begreiffen ſolte/ ſo muͤſten ſie<lb/> gantz anders geſetzt werden.</p> <stage>(Er<lb/> laufft in die <hi rendition="#aq">Scene,</hi> welche zufaͤllt.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#HAR"> <speaker>Harl.</speaker> <p>Mein Herr <hi rendition="#aq">Pater,</hi> was muß er vor<lb/> Angſt bey dieſem Manne ausſtehen?</p> </sp><lb/> <sp who="#SIL"> <speaker>Sill.</speaker> <p>Er ſoll ſterben/ und die Begierden<lb/> laſſen ſich an/ als wenn er noch ſo lange<lb/> leben ſolte.</p> </sp><lb/> <sp who="#ARN"> <speaker>Arn.</speaker> <p>Der Kopff/ den er die Zeit ſeines Le-<lb/> bens nicht hat brechen koͤnnen/ der wird<lb/> numehr in dieſer Verwirrung ſchwer-<lb/> lich zu brechen ſeyn: Und ich bitte Gott/<lb/> er wolle dieſes Merckmal der menſchli-<lb/> chen Schwachheit ſeiner Seelen nicht<lb/> zurechnen.</p> </sp><lb/> <sp who="#HAR"> <speaker>Harl.</speaker> <p>Die Zeit iſt kurtz/ wo er die ver-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſaͤumt</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [571/0737]
das Urtheil iſt grauſam/ es iſt zu ge-
ſchwinde/ und weil der Koͤnig dem
Parlamente hierinne folgen muß/ ſo
werde ich mich an keiner Majeſtaͤt ver-
ſuͤndigen/ wenn ich darzu ſetze/ das Ur-
theil iſt ungerecht.
Arn. Wir wollen an die Seele geden-
cken: GOtt hat alles gerecht gemacht.
Bir. Jn guten Tagen wolte ich auch troͤ-
ſten: Aber wenn ich itzo die Worte im
Hertzen begreiffen ſolte/ ſo muͤſten ſie
gantz anders geſetzt werden. (Er
laufft in die Scene, welche zufaͤllt.)
Harl. Mein Herr Pater, was muß er vor
Angſt bey dieſem Manne ausſtehen?
Sill. Er ſoll ſterben/ und die Begierden
laſſen ſich an/ als wenn er noch ſo lange
leben ſolte.
Arn. Der Kopff/ den er die Zeit ſeines Le-
bens nicht hat brechen koͤnnen/ der wird
numehr in dieſer Verwirrung ſchwer-
lich zu brechen ſeyn: Und ich bitte Gott/
er wolle dieſes Merckmal der menſchli-
chen Schwachheit ſeiner Seelen nicht
zurechnen.
Harl. Die Zeit iſt kurtz/ wo er die ver-
ſaͤumt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |