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Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

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Bir. Jhr kennet das Ober-Haupt schon/
welches sich zu rechter Zeit wird ge-
brauchen lassen.
Del. Die Sache ist auch an sich selbst so
beschaffen/ daß man die höchste Unbil-
ligkeit beklagen muß.
Bir. Lieber Freund/ es ist uns nicht um die
Unbilligkeit zu thun/ wenn wir an der
Stelle wären/ so dürffte sich das Volck
keiner Besserung getrösten. Die Scha-
fe sind deßwegen da/ daß sie sollen gepu-
tzet werden.
Del. Doch wenn die Schafe sollen in ei-
nen frembden Stall getrieben wer-
den/ so muß man sie durch die Hoffnung
eines bessern Tractaments anlocken.
Bir. Recht so/ das sind meine Gedancken:
Drum helfft die Sache so gut verdre-
hen und verwirren/ als ihr könnt. Wird
das Wasser recht getrübt seyn/ so sollen
die Meinigen schon etwas guts zu fi-
schen haben.
Del. Jst noch etwas/ das Jhr. Excell. be-
fehlen wollen?
Bir. Folget mir in das Zimmer/ es ist eine
ge-
P 6
Bir. Jhr kennet das Ober-Haupt ſchon/
welches ſich zu rechter Zeit wird ge-
brauchen laſſen.
Del. Die Sache iſt auch an ſich ſelbſt ſo
beſchaffen/ daß man die hoͤchſte Unbil-
ligkeit beklagen muß.
Bir. Lieber Freund/ es iſt uns nicht um die
Unbilligkeit zu thun/ wenn wir an der
Stelle waͤren/ ſo duͤrffte ſich das Volck
keiner Beſſerung getroͤſten. Die Scha-
fe ſind deßwegen da/ daß ſie ſollen gepu-
tzet werden.
Del. Doch wenn die Schafe ſollen in ei-
nen frembden Stall getrieben wer-
den/ ſo muß man ſie durch die Hoffnung
eines beſſern Tractaments anlocken.
Bir. Recht ſo/ das ſind meine Gedancken:
Drum helfft die Sache ſo gut verdre-
hen und verwirren/ als ihr koͤnnt. Wird
das Waſſer recht getruͤbt ſeyn/ ſo ſollen
die Meinigen ſchon etwas guts zu fi-
ſchen haben.
Del. Jſt noch etwas/ das Jhr. Excell. be-
fehlen wollen?
Bir. Folget mir in das Zimmer/ es iſt eine
ge-
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[343/0509] Bir. Jhr kennet das Ober-Haupt ſchon/ welches ſich zu rechter Zeit wird ge- brauchen laſſen. Del. Die Sache iſt auch an ſich ſelbſt ſo beſchaffen/ daß man die hoͤchſte Unbil- ligkeit beklagen muß. Bir. Lieber Freund/ es iſt uns nicht um die Unbilligkeit zu thun/ wenn wir an der Stelle waͤren/ ſo duͤrffte ſich das Volck keiner Beſſerung getroͤſten. Die Scha- fe ſind deßwegen da/ daß ſie ſollen gepu- tzet werden. Del. Doch wenn die Schafe ſollen in ei- nen frembden Stall getrieben wer- den/ ſo muß man ſie durch die Hoffnung eines beſſern Tractaments anlocken. Bir. Recht ſo/ das ſind meine Gedancken: Drum helfft die Sache ſo gut verdre- hen und verwirren/ als ihr koͤnnt. Wird das Waſſer recht getruͤbt ſeyn/ ſo ſollen die Meinigen ſchon etwas guts zu fi- ſchen haben. Del. Jſt noch etwas/ das Jhr. Excell. be- fehlen wollen? Bir. Folget mir in das Zimmer/ es iſt eine ge- P 6

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/509>, abgerufen am 22.11.2024.