Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Uberfl. gedancken andere gattung Ja vor dem Cato selbst recht überley behält.Zum ersten suche was: zum andern lern es kennen: Zum dritten lasse dich nicht gar zu zeitlich trennen/ Jn dieses schließ ich hier die gantze klugheit ein/ Und dieses soll der zweck der guten lehren seyn. Wer sucht/ der findet was. Der safft der reiffen trauben Wächst in der stuben nicht/ und die gebratnen tauben Die fliegen nicht ins maul: man muß sich drum bemühn/ Und die gelegenheit fein offt zu rathe ziehn/ Die mädgen kommen ja bald hier bald dort zusammen/ Da muß derselbe nach/ der seine liebes-flammen Nicht übel hegen wil: und welcher diß nicht kan/ Bey diesem giebt sich auch die liebste langsam an. Der fischer schüttelt nicht die krebse von dem baume. Der vogelsteller fangt die lerchen in dem schaume Des kalten wassers nicht: und der ist gar kein held/ Der allzeit warten wil biß was vom himmel fällt/ Es hilfft doch nichts davor: man muß ein bißgen lauffen. Der himmel pflegt die lust um arbeit zu verkauffen. Das mädgen ist schon da man sehe sich nur um/ Offt zeigt ein fremder ort ein süsses eigenthum/ Man darf deßhalben nicht auf sechs und sieben meilen Nach einer frembden zier mit pferd und kutschen eilen: Man setze nur deu fuß ein wenig vor das hauß/ Und lese sich ein kind auch in der gassen auß. Wiewohl es läst sich nicht mit diesen sachen spielen: Man kan so eigentlich auf nichts gewisses zielen/ Es kömmt zu unverhofft/ daß ein geringer blick/ Ein wort/ ein schöner fleck/ uns einen leisen strick An das gemüthe legt. - - - Fill. Damit ist es nicht aus. Gil. Es geht als wie in des Claudiani de raptu Proser- pinae. Caetera desiderantur. Fill. Das kömmt aber possierlich/ daß ich mir soll das maul vergebens auffsperren lassen. Gil. So mache das maul vergebens wieder zu/ biß ich die andern stücke finde/ die darzu gehören. Mel.
Uberfl. gedancken andere gattung Ja vor dem Cato ſelbſt recht uͤberley behaͤlt.Zum erſten ſuche was: zum andern lern es kennen: Zum dritten laſſe dich nicht gar zu zeitlich trennen/ Jn dieſes ſchließ ich hier die gantze klugheit ein/ Und dieſes ſoll der zweck der guten lehren ſeyn. Wer ſucht/ der findet was. Der ſafft der reiffen trauben Waͤchſt in der ſtuben nicht/ und die gebratnen tauben Die fliegen nicht ins maul: man muß ſich drum bemuͤhn/ Und die gelegenheit fein offt zu rathe ziehn/ Die maͤdgen kommen ja bald hier bald dort zuſammen/ Da muß derſelbe nach/ der ſeine liebes-flammen Nicht uͤbel hegen wil: und welcher diß nicht kan/ Bey dieſem giebt ſich auch die liebſte langſam an. Der fiſcher ſchuͤttelt nicht die krebſe von dem baume. Der vogelſteller fangt die lerchen in dem ſchaume Des kalten waſſers nicht: und der iſt gar kein held/ Der allzeit warten wil biß was vom himmel faͤllt/ Es hilfft doch nichts davor: man muß ein bißgen lauffen. Der himmel pflegt die luſt um arbeit zu verkauffen. Das maͤdgen iſt ſchon da man ſehe ſich nur um/ Offt zeigt ein fremder ort ein ſuͤſſes eigenthum/ Man darf deßhalben nicht auf ſechs und ſieben meilen Nach einer frembden zier mit pferd und kutſchen eilen: Man ſetze nur deu fuß ein wenig vor das hauß/ Und leſe ſich ein kind auch in der gaſſen auß. Wiewohl es laͤſt ſich nicht mit dieſen ſachen ſpielen: Man kan ſo eigentlich auf nichts gewiſſes zielen/ Es koͤmmt zu unverhofft/ daß ein geringer blick/ Ein wort/ ein ſchoͤner fleck/ uns einen leiſen ſtrick An das gemuͤthe legt. ‒ ‒ ‒ Fill. Damit iſt es nicht aus. Gil. Es geht als wie in des Claudiani de raptu Proſer- pinæ. Cætera deſiderantur. Fill. Das koͤmmt aber poſſierlich/ daß ich mir ſoll das maul vergebens auffſperren laſſen. Gil. So mache das maul vergebens wieder zu/ biß ich die andern ſtuͤcke finde/ die darzu gehoͤren. Mel.
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Uberfl. gedancken andere gattung
Ja vor dem Cato ſelbſt recht uͤberley behaͤlt.
Zum erſten ſuche was: zum andern lern es kennen:
Zum dritten laſſe dich nicht gar zu zeitlich trennen/
Jn dieſes ſchließ ich hier die gantze klugheit ein/
Und dieſes ſoll der zweck der guten lehren ſeyn.
Wer ſucht/ der findet was. Der ſafft der reiffen trauben
Waͤchſt in der ſtuben nicht/ und die gebratnen tauben
Die fliegen nicht ins maul: man muß ſich drum bemuͤhn/
Und die gelegenheit fein offt zu rathe ziehn/
Die maͤdgen kommen ja bald hier bald dort zuſammen/
Da muß derſelbe nach/ der ſeine liebes-flammen
Nicht uͤbel hegen wil: und welcher diß nicht kan/
Bey dieſem giebt ſich auch die liebſte langſam an.
Der fiſcher ſchuͤttelt nicht die krebſe von dem baume.
Der vogelſteller fangt die lerchen in dem ſchaume
Des kalten waſſers nicht: und der iſt gar kein held/
Der allzeit warten wil biß was vom himmel faͤllt/
Es hilfft doch nichts davor: man muß ein bißgen lauffen.
Der himmel pflegt die luſt um arbeit zu verkauffen.
Das maͤdgen iſt ſchon da man ſehe ſich nur um/
Offt zeigt ein fremder ort ein ſuͤſſes eigenthum/
Man darf deßhalben nicht auf ſechs und ſieben meilen
Nach einer frembden zier mit pferd und kutſchen eilen:
Man ſetze nur deu fuß ein wenig vor das hauß/
Und leſe ſich ein kind auch in der gaſſen auß.
Wiewohl es laͤſt ſich nicht mit dieſen ſachen ſpielen:
Man kan ſo eigentlich auf nichts gewiſſes zielen/
Es koͤmmt zu unverhofft/ daß ein geringer blick/
Ein wort/ ein ſchoͤner fleck/ uns einen leiſen ſtrick
An das gemuͤthe legt. ‒ ‒ ‒
Fill. Damit iſt es nicht aus.
Gil. Es geht als wie in des Claudiani de raptu Proſer-
pinæ. Cætera deſiderantur.
Fill. Das koͤmmt aber poſſierlich/ daß ich mir ſoll
das maul vergebens auffſperren laſſen.
Gil. So mache das maul vergebens wieder zu/ biß
ich die andern ſtuͤcke finde/ die darzu gehoͤren.
Mel.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/368>, abgerufen am 04.07.2024. |