Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Anderes Gespräch. schlagen. Und damit du siehst was ich vor gedanckenhabe/ so will ich sie schrifftlich von mir geben. Setzte hiermit folgendes auff: MEin geist verzeihe mir/ daß ich dem schweren leibe Gehorsam leisten muß/ der mich gefangen hält An einem solchen ort/ da ich gezwungen bleibe/ Und da mir fast kein mensch und keine lust gefällt. Jch wolte lieber seyn wo meine bücher liegen/ Doch leide die gewalt die ich vertragen muß/ Was heute nicht geschicht das kan sich morgen fügen/ Du fühlest diese nacht den letzten überdruß. Was soll ein eitles wort ein unvernünfftig lachen/ Ein winck/ ein leichter blick/ ein halbes kinderspiel/ Ein ungereimter tantz mir doch vor freude machen/ Wenn ich verdrießlich bin und mich entreissen wil. Ja freylich hilfft es nicht; wiewohl von guten freunden Nimmt man dergleichen zwang aus guter meinung an: Doch wolt ich lieber seyn bey meinen ärgsten feinden/ Da man doch öffentlich den zwang verschlagen kan. Wolan der abendstern ist itzo mein Prophete/ Der rufft mir gleichsam zu: Geh fort und schlaffe wohl/ Und dencke daß das liecht der süssen morgenröhte/ Dich von der schnöden lust gewiß erlösen soll. Mel. Diese verse hastu gewiß mehr deinen guten freunden zu gefallen/ als aus deiner meynung geschrie- ben. Gil. So hin/ es war doch halb und halb mein ernst. Fill. Ja/ wer dich nicht kennte/ wie gern du wärest bey der compagnie gewesen. Gil. Jch habe sie fürwahr so sonderlich nicht ge- liebt: Allein diß gestehe ich/ den nahmen möchte ich nicht gerne haben/ als wenn ich eine compagnie ver- derbte. Mel. Sage ich doch allezeit/ du hast allezeit eine entschuldigung im vorrath. Gil. X 2
Anderes Geſpraͤch. ſchlagen. Und damit du ſiehſt was ich vor gedanckenhabe/ ſo will ich ſie ſchrifftlich von mir geben. Setzte hiermit folgendes auff: MEin geiſt verzeihe mir/ daß ich dem ſchweren leibe Gehorſam leiſten muß/ der mich gefangen haͤlt An einem ſolchen ort/ da ich gezwungen bleibe/ Und da mir faſt kein menſch und keine luſt gefaͤllt. Jch wolte lieber ſeyn wo meine buͤcher liegen/ Doch leide die gewalt die ich vertragen muß/ Was heute nicht geſchicht das kan ſich morgen fuͤgen/ Du fuͤhleſt dieſe nacht den letzten uͤberdruß. Was ſoll ein eitles wort ein unvernuͤnfftig lachen/ Ein winck/ ein leichter blick/ ein halbes kinderſpiel/ Ein ungereimter tantz mir doch vor freude machen/ Wenn ich verdrießlich bin und mich entreiſſen wil. Ja freylich hilfft es nicht; wiewohl von guten freunden Nim̃t man dergleichen zwang aus guter meinung an: Doch wolt ich lieber ſeyn bey meinen aͤrgſten feinden/ Da man doch oͤffentlich den zwang verſchlagen kan. Wolan der abendſtern iſt itzo mein Prophete/ Der rufft mir gleichſam zu: Geh fort und ſchlaffe wohl/ Und dencke daß das liecht der ſuͤſſen morgenroͤhte/ Dich von der ſchnoͤden luſt gewiß erloͤſen ſoll. Mel. Dieſe verſe haſtu gewiß mehr deinen guten freunden zu gefallen/ als aus deiner meynung geſchrie- ben. Gil. So hin/ es war doch halb und halb mein ernſt. Fill. Ja/ wer dich nicht kennte/ wie gern du waͤreſt bey der compagnie geweſen. Gil. Jch habe ſie fuͤrwahr ſo ſonderlich nicht ge- liebt: Allein diß geſtehe ich/ den nahmen moͤchte ich nicht gerne haben/ als wenn ich eine compagnie ver- derbte. Mel. Sage ich doch allezeit/ du haſt allezeit eine entſchuldigung im vorrath. Gil. X 2
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Anderes Geſpraͤch.
ſchlagen. Und damit du ſiehſt was ich vor gedancken
habe/ ſo will ich ſie ſchrifftlich von mir geben. Setzte
hiermit folgendes auff:
MEin geiſt verzeihe mir/ daß ich dem ſchweren leibe
Gehorſam leiſten muß/ der mich gefangen haͤlt
An einem ſolchen ort/ da ich gezwungen bleibe/
Und da mir faſt kein menſch und keine luſt gefaͤllt.
Jch wolte lieber ſeyn wo meine buͤcher liegen/
Doch leide die gewalt die ich vertragen muß/
Was heute nicht geſchicht das kan ſich morgen fuͤgen/
Du fuͤhleſt dieſe nacht den letzten uͤberdruß.
Was ſoll ein eitles wort ein unvernuͤnfftig lachen/
Ein winck/ ein leichter blick/ ein halbes kinderſpiel/
Ein ungereimter tantz mir doch vor freude machen/
Wenn ich verdrießlich bin und mich entreiſſen wil.
Ja freylich hilfft es nicht; wiewohl von guten freunden
Nim̃t man dergleichen zwang aus guter meinung an:
Doch wolt ich lieber ſeyn bey meinen aͤrgſten feinden/
Da man doch oͤffentlich den zwang verſchlagen kan.
Wolan der abendſtern iſt itzo mein Prophete/
Der rufft mir gleichſam zu: Geh fort und ſchlaffe wohl/
Und dencke daß das liecht der ſuͤſſen morgenroͤhte/
Dich von der ſchnoͤden luſt gewiß erloͤſen ſoll.
Mel. Dieſe verſe haſtu gewiß mehr deinen guten
freunden zu gefallen/ als aus deiner meynung geſchrie-
ben.
Gil. So hin/ es war doch halb und halb mein ernſt.
Fill. Ja/ wer dich nicht kennte/ wie gern du waͤreſt
bey der compagnie geweſen.
Gil. Jch habe ſie fuͤrwahr ſo ſonderlich nicht ge-
liebt: Allein diß geſtehe ich/ den nahmen moͤchte ich
nicht gerne haben/ als wenn ich eine compagnie ver-
derbte.
Mel. Sage ich doch allezeit/ du haſt allezeit eine
entſchuldigung im vorrath.
Gil.
X 2
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/339>, abgerufen am 22.07.2024. |