Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Uberfl. gedancken andere gattung Jch will dem himmel/ der es sieht/Mein theil so lange borgen. Jch mag mich gut und böse paaren/ So werd ichs zeit genung erfahren. Mel. Der letzte vers ist gut. Wol dem der seines glückes erwarten kan. Da wil mancher auß der hand oder aus der nase wahrsagen lassen/ wie es ihm künftig gehen werde. Und doch steht ihm was gutes vor/ so schmeckt es unverhofft am besten: Hat er aber was übels zubesorgen/ so ist es zeit genung/ daß man es fühlt/ wenn es würcklich da ist/ man darf sich nicht vor- her betrüben. Gil. Es ist gar recht/ man verderbt mit solchen grillen nur sein leben/ und das schlimste ist/ daß die meisten gänse-prophezeyungen/ Plattdeutsch zu reden/ erlogen sind. Fill. Es ist alles wahr. Doch bruder du zielst ge- wiß auff eine bekandte person. Gil. Jch wolte nicht viel geld nehmen/ und wolte das thun. Fill. Du bist sonst einer von den furchtsamen. Gil. Hier muß ich furchtsam seyn. Fill. Jch sehe keine ursache. Gil. Dencke bruder/ wie viel dergleichen leute in der welt leben. Wenn ich nun einen allein meinte/ wie würde ich gegen den andern bestehen/ daß ich sie ü- bergangen hätte. Sie nehmen es vor eine hauptsäch- liche verachtung an. Mel. Dessentwegen wolte ich mich keines injurien- processes besorgen. Gil. Jch kan es auch in meinem gewissen nicht ver- antworten/ es ist einer so gut als der andre. Fill.
Uberfl. gedancken andere gattung Jch will dem himmel/ der es ſieht/Mein theil ſo lange borgen. Jch mag mich gut und boͤſe paaren/ So werd ichs zeit genung erfahren. Mel. Der letzte vers iſt gut. Wol dem der ſeines gluͤckes erwarten kan. Da wil mancher auß der hand oder aus der naſe wahrſagen laſſen/ wie es ihm kuͤnftig gehen werde. Und doch ſteht ihm was gutes vor/ ſo ſchmeckt es unverhofft am beſten: Hat er aber was uͤbels zubeſorgen/ ſo iſt es zeit genung/ daß man es fuͤhlt/ wenn es wuͤrcklich da iſt/ man darf ſich nicht vor- her betruͤben. Gil. Es iſt gar recht/ man verderbt mit ſolchen grillen nur ſein leben/ und das ſchlimſte iſt/ daß die meiſten gaͤnſe-prophezeyungen/ Plattdeutſch zu reden/ erlogen ſind. Fill. Es iſt alles wahr. Doch bruder du zielſt ge- wiß auff eine bekandte perſon. Gil. Jch wolte nicht viel geld nehmen/ und wolte das thun. Fill. Du biſt ſonſt einer von den furchtſamen. Gil. Hier muß ich furchtſam ſeyn. Fill. Jch ſehe keine urſache. Gil. Dencke bruder/ wie viel dergleichen leute in der welt leben. Wenn ich nun einen allein meinte/ wie wuͤrde ich gegen den andern beſtehen/ daß ich ſie uͤ- bergangen haͤtte. Sie nehmen es vor eine hauptſaͤch- liche verachtung an. Mel. Deſſentwegen wolte ich mich keines injurien- proceſſes beſorgen. Gil. Jch kan es auch in meinem gewiſſen nicht ver- antworten/ es iſt einer ſo gut als der andre. Fill.
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Uberfl. gedancken andere gattung
Jch will dem himmel/ der es ſieht/
Mein theil ſo lange borgen.
Jch mag mich gut und boͤſe paaren/
So werd ichs zeit genung erfahren.
Mel. Der letzte vers iſt gut. Wol dem der ſeines
gluͤckes erwarten kan. Da wil mancher auß der hand
oder aus der naſe wahrſagen laſſen/ wie es ihm kuͤnftig
gehen werde. Und doch ſteht ihm was gutes vor/ ſo
ſchmeckt es unverhofft am beſten: Hat er aber was
uͤbels zubeſorgen/ ſo iſt es zeit genung/ daß man es
fuͤhlt/ wenn es wuͤrcklich da iſt/ man darf ſich nicht vor-
her betruͤben.
Gil. Es iſt gar recht/ man verderbt mit ſolchen
grillen nur ſein leben/ und das ſchlimſte iſt/ daß die
meiſten gaͤnſe-prophezeyungen/ Plattdeutſch zu reden/
erlogen ſind.
Fill. Es iſt alles wahr. Doch bruder du zielſt ge-
wiß auff eine bekandte perſon.
Gil. Jch wolte nicht viel geld nehmen/ und wolte
das thun.
Fill. Du biſt ſonſt einer von den furchtſamen.
Gil. Hier muß ich furchtſam ſeyn.
Fill. Jch ſehe keine urſache.
Gil. Dencke bruder/ wie viel dergleichen leute in
der welt leben. Wenn ich nun einen allein meinte/
wie wuͤrde ich gegen den andern beſtehen/ daß ich ſie uͤ-
bergangen haͤtte. Sie nehmen es vor eine hauptſaͤch-
liche verachtung an.
Mel. Deſſentwegen wolte ich mich keines injurien-
proceſſes beſorgen.
Gil. Jch kan es auch in meinem gewiſſen nicht ver-
antworten/ es iſt einer ſo gut als der andre.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/326>, abgerufen am 22.07.2024. |