Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Der winter führt das leid 2. Jch fühle keine lust Die mich zum versen treibt/ Weil meine kalte brust Unangefochten bleibt: Das harte silber fleust Nur bey der grossen hitze/ Und der poeten geist Wird nur im lieben nütze. 3. Wie kan ich itzt betrübt Und wieder frölich seyn/ Jn dem mir nichts beliebt Von anmuth oder pein/ Soll mein erfrornes hertz Von glut und flammen singen. Und soll der kalte schertz Die spröde feder zwingen. 4. Ach nein die aloe/ Der zucker und zibeth/ Macht weder wol noch weh. Wann der geschmack vergeht: Man muß die eitelkeit Der liebe noch ertragen/ Will man von freud und leid Gereimte reime sagen. 5. Der ist fürwar nicht klug/ Der ohn ein seitenspiel/ Durch einen selbstbetrug/ Verschwiegen tantzen will/ Und so wird mein gedicht Ein schlechtes urtheil fühlen/ Wo die begierden nicht Die sarabande spielen. 6. Geh
Der winter fuͤhrt das leid 2. Jch fuͤhle keine luſt Die mich zum verſen treibt/ Weil meine kalte bruſt Unangefochten bleibt: Das harte ſilber fleuſt Nur bey der groſſen hitze/ Und der poeten geiſt Wird nur im lieben nuͤtze. 3. Wie kan ich itzt betruͤbt Und wieder froͤlich ſeyn/ Jn dem mir nichts beliebt Von anmuth oder pein/ Soll mein erfrornes hertz Von glut und flammen ſingen. Und ſoll der kalte ſchertz Die ſproͤde feder zwingen. 4. Ach nein die aloe/ Der zucker und zibeth/ Macht weder wol noch weh. Wann der geſchmack vergeht: Man muß die eitelkeit Der liebe noch ertragen/ Will man von freud und leid Gereimte reime ſagen. 5. Der iſt fuͤrwar nicht klug/ Der ohn ein ſeitenſpiel/ Durch einen ſelbſtbetrug/ Verſchwiegen tantzen will/ Und ſo wird mein gedicht Ein ſchlechtes urtheil fuͤhlen/ Wo die begierden nicht Die ſarabande ſpielen. 6. Geh
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Der winter fuͤhrt das leid
Und hat ſich angefangen.
2. Jch fuͤhle keine luſt
Die mich zum verſen treibt/
Weil meine kalte bruſt
Unangefochten bleibt:
Das harte ſilber fleuſt
Nur bey der groſſen hitze/
Und der poeten geiſt
Wird nur im lieben nuͤtze.
3. Wie kan ich itzt betruͤbt
Und wieder froͤlich ſeyn/
Jn dem mir nichts beliebt
Von anmuth oder pein/
Soll mein erfrornes hertz
Von glut und flammen ſingen.
Und ſoll der kalte ſchertz
Die ſproͤde feder zwingen.
4. Ach nein die aloe/
Der zucker und zibeth/
Macht weder wol noch weh.
Wann der geſchmack vergeht:
Man muß die eitelkeit
Der liebe noch ertragen/
Will man von freud und leid
Gereimte reime ſagen.
5. Der iſt fuͤrwar nicht klug/
Der ohn ein ſeitenſpiel/
Durch einen ſelbſtbetrug/
Verſchwiegen tantzen will/
Und ſo wird mein gedicht
Ein ſchlechtes urtheil fuͤhlen/
Wo die begierden nicht
Die ſarabande ſpielen.
6. Geh
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/30>, abgerufen am 16.07.2024. |