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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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nennet/ einem Truthahn/ der zeucht den
Schwantz wie ein Pfau/ lässet die Flügel biß
auff die Erde hangen/ und stellet sich/ als
wolte er die gantze Welt braviren: doch wenn
der kleineste Haußhahn die Courage nimmt/
und auff ihn zu läufft/ so ist Schwantz/ Flügel/
Bauch und Rücken ein Ding/ und aller bra-
vade
ist vergessen. Und ohn allen Zweiffel
würde er ohne sonderliches Vexieren nicht
seyn darvon kommen: doch zu seinem Glücke/
und zu der gantzen Compagnie Verdruß/ kam
eine Frau mit einem Notario, die brachte
klagend vor/ ihr Mann wäre von dem Nach-
bar schelmischer und hinterlistiger Weise er-
schossen worden; der Richter solte ex officio
das Corpus delicti in Augenschein nehmen.
Hiermit war die Lust verstört/ und weil der
Wirth weggehen muste/ gaben ihm die Gäste
das Geleite/ und wolten auch sehen/ ob ein er-
schossener Mensch anders gestalt wäre/ als
eine gemeine Leiche. Sie kamen in das Hauß/
da lag die Leiche/ und war mit dem Rücken
gantz bloß und voll Blut. Der Richter befand
kein Leben da/ drum befahl er dem Balbier/ er
solte darnach sehen/ ob der Schuß tödlich ge-
wesen/ oder nicht! (quasi vero non potius ex
intentione agentis, quam ex effectu judican-

dum
Q


nennet/ einem Truthahn/ der zeucht den
Schwantz wie ein Pfau/ laͤſſet die Fluͤgel biß
auff die Erde hangen/ und ſtellet ſich/ als
wolte er die gantze Welt braviren: doch wenn
der kleineſte Haußhahn die Courage nimmt/
und auff ihn zu laͤufft/ ſo iſt Schwantz/ Fluͤgel/
Bauch und Ruͤcken ein Ding/ und aller bra-
vade
iſt vergeſſen. Und ohn allen Zweiffel
wuͤrde er ohne ſonderliches Vexieren nicht
ſeyn darvon kommen: doch zu ſeinem Gluͤcke/
und zu der gantzen Compagnie Verdruß/ kam
eine Frau mit einem Notario, die brachte
klagend vor/ ihr Mann waͤre von dem Nach-
bar ſchelmiſcher und hinterliſtiger Weiſe er-
ſchoſſen worden; der Richter ſolte ex officio
das Corpus delicti in Augenſchein nehmen.
Hiermit war die Luſt verſtoͤrt/ und weil der
Wirth weggehen muſte/ gaben ihm die Gaͤſte
das Geleite/ und wolten auch ſehen/ ob ein er-
ſchoſſener Menſch anders geſtalt waͤre/ als
eine gemeine Leiche. Sie kamen in das Hauß/
da lag die Leiche/ und war mit dem Ruͤcken
gantz bloß und voll Blut. Der Richter befand
kein Leben da/ drum befahl er dem Balbier/ er
ſolte darnach ſehen/ ob der Schuß toͤdlich ge-
weſen/ oder nicht! (quaſi verò non potius ex
intentione agentis, quàm ex effectu judican-

dum
Q
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[361/0367] nennet/ einem Truthahn/ der zeucht den Schwantz wie ein Pfau/ laͤſſet die Fluͤgel biß auff die Erde hangen/ und ſtellet ſich/ als wolte er die gantze Welt braviren: doch wenn der kleineſte Haußhahn die Courage nimmt/ und auff ihn zu laͤufft/ ſo iſt Schwantz/ Fluͤgel/ Bauch und Ruͤcken ein Ding/ und aller bra- vade iſt vergeſſen. Und ohn allen Zweiffel wuͤrde er ohne ſonderliches Vexieren nicht ſeyn darvon kommen: doch zu ſeinem Gluͤcke/ und zu der gantzen Compagnie Verdruß/ kam eine Frau mit einem Notario, die brachte klagend vor/ ihr Mann waͤre von dem Nach- bar ſchelmiſcher und hinterliſtiger Weiſe er- ſchoſſen worden; der Richter ſolte ex officio das Corpus delicti in Augenſchein nehmen. Hiermit war die Luſt verſtoͤrt/ und weil der Wirth weggehen muſte/ gaben ihm die Gaͤſte das Geleite/ und wolten auch ſehen/ ob ein er- ſchoſſener Menſch anders geſtalt waͤre/ als eine gemeine Leiche. Sie kamen in das Hauß/ da lag die Leiche/ und war mit dem Ruͤcken gantz bloß und voll Blut. Der Richter befand kein Leben da/ drum befahl er dem Balbier/ er ſolte darnach ſehen/ ob der Schuß toͤdlich ge- weſen/ oder nicht! (quaſi verò non potius ex intentione agentis, quàm ex effectu judican- dum Q

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/367>, abgerufen am 25.11.2024.