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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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Blutvergiessen hättet ihr verdienet/ wann
nicht etliche arme Kinder/ die vielleicht ihr
Brod vor den Thüren suchen/ durch ihr Va-
ter unser den Himmlischen Vater noch beweg-
ten/ daß er umb zehen Gerechter willen dieses
Sodoma nicht verderbte. Der Wirth/ der
sonst im Geschrey war/ nicht daß er wie Elisa-
beth unfruchtbar/ sondern daß er hier und da
gar zu fruchtbar wäre/ hatte keinen Gefallen
an der, Predigt: Stellte sich derhalben/ als mü-
ste er weggehen und fragte kürtzlich/ ob sie noch
etwz zu bestellen hätten. Gelan. begehrte man
möchte ihm doch einen Schneider verschaffen/
der mitgienge/ wenn sie zu Kleidern einkaufften.
Der Wirth versprach einen köstlichen Mei-
ster in einer halben Stunde mit zubringen. Jn-
dessen legte sich Gelanor und Florindo an das
Fenster und sahen/ was auf der Gasse neues
vorlieff/ weiln ein vornehmer Fürst gleich fort
gereiset/ dem zu ehren etliche Compagnien
Bürger auffgezogen waren: die schossen in
der zurückkunfft ihre Musqueten loß/ und platz-
ten daß es vor frembden Leuten eine Schan-
de war. Unter andern wolte ein armer Ta-
gelöhner/ der vor einen andern Bürger auff-
zog/ seine Büchse auch versuchen: Aber als
er es knallen hörte/ erschrack er so hefftig/ daß

er


Blutvergieſſen haͤttet ihr verdienet/ wann
nicht etliche arme Kinder/ die vielleicht ihr
Brod vor den Thuͤren ſuchen/ durch ihr Va-
ter unſer den Himmliſchen Vater noch beweg-
ten/ daß er umb zehen Gerechter willen dieſes
Sodoma nicht verderbte. Der Wirth/ der
ſonſt im Geſchrey war/ nicht daß er wie Eliſa-
beth unfruchtbar/ ſondern daß er hier und da
gar zu fruchtbar waͤre/ hatte keinen Gefallen
an der, Predigt: Stellte ſich derhalben/ als muͤ-
ſte er weggehẽ und fragte kuͤrtzlich/ ob ſie noch
etwz zu beſtellen haͤtten. Gelan. begehrte man
moͤchte ihm doch einen Schneider verſchaffen/
der mitgienge/ weñ ſie zu Kleidern einkaufften.
Der Wirth verſprach einen koͤſtlichen Mei-
ſter in einer halbẽ Stunde mit zubringen. Jn-
deſſen legte ſich Gelanor und Florindo an das
Fenſter und ſahen/ was auf der Gaſſe neues
vorlieff/ weiln ein vornehmer Fuͤrſt gleich fort
gereiſet/ dem zu ehren etliche Compagnien
Buͤrger auffgezogen waren: die ſchoſſen in
der zuruͤckkunfft ihre Muſqueten loß/ und platz-
ten daß es vor frembden Leuten eine Schan-
de war. Unter andern wolte ein armer Ta-
geloͤhner/ der vor einen andern Buͤrger auff-
zog/ ſeine Buͤchſe auch verſuchen: Aber als
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[220/0226] Blutvergieſſen haͤttet ihr verdienet/ wann nicht etliche arme Kinder/ die vielleicht ihr Brod vor den Thuͤren ſuchen/ durch ihr Va- ter unſer den Himmliſchen Vater noch beweg- ten/ daß er umb zehen Gerechter willen dieſes Sodoma nicht verderbte. Der Wirth/ der ſonſt im Geſchrey war/ nicht daß er wie Eliſa- beth unfruchtbar/ ſondern daß er hier und da gar zu fruchtbar waͤre/ hatte keinen Gefallen an der, Predigt: Stellte ſich derhalben/ als muͤ- ſte er weggehẽ und fragte kuͤrtzlich/ ob ſie noch etwz zu beſtellen haͤtten. Gelan. begehrte man moͤchte ihm doch einen Schneider verſchaffen/ der mitgienge/ weñ ſie zu Kleidern einkaufften. Der Wirth verſprach einen koͤſtlichen Mei- ſter in einer halbẽ Stunde mit zubringen. Jn- deſſen legte ſich Gelanor und Florindo an das Fenſter und ſahen/ was auf der Gaſſe neues vorlieff/ weiln ein vornehmer Fuͤrſt gleich fort gereiſet/ dem zu ehren etliche Compagnien Buͤrger auffgezogen waren: die ſchoſſen in der zuruͤckkunfft ihre Muſqueten loß/ und platz- ten daß es vor frembden Leuten eine Schan- de war. Unter andern wolte ein armer Ta- geloͤhner/ der vor einen andern Buͤrger auff- zog/ ſeine Buͤchſe auch verſuchen: Aber als er es knallen hoͤrte/ erſchrack er ſo hefftig/ daß er

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/226>, abgerufen am 24.11.2024.