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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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Es gemahnt mich wie mit jenem Bür-
germeister/ der schrieb an drey Universitäten
ümb einen Magister, der seinen Sohn in allen
Handwercks-Officinen herumführte/ und
ihm sagte/ wie alles Lateinisch hiesse/ gleich
als bestünde die Kunst darinn/ daß man solche
Sachen Lateinisch verstünde: die wohl der
vornehmste Professor nicht Teutsch zu nennen
weiß. Unterdessen lernt ein Kind viel no-
mina
die Verba hingegen und die particulae
connectendi
bleiben aussen. Wenn nun ein
Moral-discurs oder sonst eine Disciplin soll
tractiret werden/ so stehen die Kerlen mit ih-
rem bettelsäckischen Latein/ und können ihre
Schauffeln/ Qverle/ Mistgabeln und Ofen-
krücken nicht anbringen. Wer heutiges Ta-
ges einen Historicum, Philosophum, Theo-
logum
und andere Disciplinen Lateinisch ver-
steht: darneben selbst eine nette Epistel/ und
zur Noth eine Oration schreiben kan. Und
endlich im Reden so fertig ist/ daß er im di-
sputiren
seine Sachen vorzubringen weiß/ der
ist perfect genug/ er wolte denn Latinam lin-
guam ex professo
vor sich nehmen. Nun
aber ist es zu diesem allen kaum die Helffte auß
dem Orbe picto und auß dergleichen gemahl-
ten Narren-Possen von nöthen. Gesetzt

auch
G

Es gemahnt mich wie mit jenem Buͤr-
germeiſter/ der ſchrieb an drey Univerſitaͤten
uͤmb einen Magiſter, der ſeinen Sohn in allen
Handwercks-Officinen herumfuͤhrte/ und
ihm ſagte/ wie alles Lateiniſch hieſſe/ gleich
als beſtuͤnde die Kunſt darinn/ daß man ſolche
Sachen Lateiniſch verſtuͤnde: die wohl der
vornehmſte Profeſſor nicht Teutſch zu nennen
weiß. Unterdeſſen lernt ein Kind viel no-
mina
die Verba hingegen und die particulæ
connectendi
bleiben auſſen. Wenn nun ein
Moral-diſcurs oder ſonſt eine Diſciplin ſoll
tractiret werden/ ſo ſtehen die Kerlen mit ih-
rem bettelſaͤckiſchen Latein/ und koͤnnen ihre
Schauffeln/ Qverle/ Miſtgabeln und Ofen-
kruͤcken nicht anbringen. Wer heutiges Ta-
ges einen Hiſtoricum, Philoſophum, Theo-
logum
und andere Diſciplinen Lateiniſch ver-
ſteht: darneben ſelbſt eine nette Epiſtel/ und
zur Noth eine Oration ſchreiben kan. Und
endlich im Reden ſo fertig iſt/ daß er im di-
ſputiren
ſeine Sachen vorzubringen weiß/ der
iſt perfect genug/ er wolte denn Latinam lin-
guam ex profeſſo
vor ſich nehmen. Nun
aber iſt es zu dieſem allen kaum die Helffte auß
dem Orbe picto und auß dergleichen gemahl-
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[145/0151] Es gemahnt mich wie mit jenem Buͤr- germeiſter/ der ſchrieb an drey Univerſitaͤten uͤmb einen Magiſter, der ſeinen Sohn in allen Handwercks-Officinen herumfuͤhrte/ und ihm ſagte/ wie alles Lateiniſch hieſſe/ gleich als beſtuͤnde die Kunſt darinn/ daß man ſolche Sachen Lateiniſch verſtuͤnde: die wohl der vornehmſte Profeſſor nicht Teutſch zu nennen weiß. Unterdeſſen lernt ein Kind viel no- mina die Verba hingegen und die particulæ connectendi bleiben auſſen. Wenn nun ein Moral-diſcurs oder ſonſt eine Diſciplin ſoll tractiret werden/ ſo ſtehen die Kerlen mit ih- rem bettelſaͤckiſchen Latein/ und koͤnnen ihre Schauffeln/ Qverle/ Miſtgabeln und Ofen- kruͤcken nicht anbringen. Wer heutiges Ta- ges einen Hiſtoricum, Philoſophum, Theo- logum und andere Diſciplinen Lateiniſch ver- ſteht: darneben ſelbſt eine nette Epiſtel/ und zur Noth eine Oration ſchreiben kan. Und endlich im Reden ſo fertig iſt/ daß er im di- ſputiren ſeine Sachen vorzubringen weiß/ der iſt perfect genug/ er wolte denn Latinam lin- guam ex profeſſo vor ſich nehmen. Nun aber iſt es zu dieſem allen kaum die Helffte auß dem Orbe picto und auß dergleichen gemahl- ten Narren-Poſſen von noͤthen. Geſetzt auch G

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/151>, abgerufen am 22.11.2024.