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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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einer Bedeutung gezogen wird/ nachdem der
Gebrauch und die Gewonheit solches bestäti-
gen. Und also muß man den Gebrauch am
meisten herrschen lassen. Ein Tisch heist da-
rum ein Tisch/ weil es von den alten Teutschen
so beliebet und gebraucht worden. So heist
auch ein Fenster/ ein Pistol/ eine Orgel/ etc. das
jenige/ wozu es von den ietzigen Teutschen ist
geleget worden. Jch frage auch/ ist diß nicht
der eintzige Zweck von allen Sprachen/ daß
man einander verstehen will? Nun wird es
niemand leugnen/ daß dieselben Wörter/ die
ihr außmustert/ von iederman besser verstan-
den werden/ als euere neue Gauckel Possen.
Nehmet ein Exempel. Wann ein Soldat
seinen Lieutenant wolte einen Hr. Plaßhalter/
den Quartiermeister Hr. Wohnungs- oder
Herbergenmeister nennen: Oder wenn einer
die Pistolen haben wolte/ und forderte die
Reit-Puffer: Oder wann er einen in die Corps
de Garde
schicken wolte/ und sagte/ er solte in
die Wacht-Versamlung gehen/ wer würde
ihn mit den neugebackenen Wörtern verste-
hen? Und fürwahr eben/ so thumm kömmt es mit
euren Erfindungen heraus. Es ist nicht so
bald geschehen/ daß andere Leute errathen
können/ was ihr haben wollet. Und wo habt

ihr


einer Bedeutung gezogen wird/ nachdem der
Gebrauch und die Gewonheit ſolches beſtaͤti-
gen. Und alſo muß man den Gebrauch am
meiſten herrſchen laſſen. Ein Tiſch heiſt da-
rum ein Tiſch/ weil es von den alten Teutſchen
ſo beliebet und gebraucht worden. So heiſt
auch ein Fenſter/ ein Piſtol/ eine Orgel/ ꝛc. das
jenige/ wozu es von den ietzigen Teutſchen iſt
geleget worden. Jch frage auch/ iſt diß nicht
der eintzige Zweck von allen Sprachen/ daß
man einander verſtehen will? Nun wird es
niemand leugnen/ daß dieſelben Woͤrter/ die
ihr außmuſtert/ von iederman beſſer verſtan-
den werden/ als euere neue Gauckel Poſſen.
Nehmet ein Exempel. Wann ein Soldat
ſeinen Lieutenant wolte einen Hr. Plaßhalter/
den Quartiermeiſter Hr. Wohnungs- oder
Herbergenmeiſter nennen: Oder wenn einer
die Piſtolen haben wolte/ und forderte die
Reit-Puffer: Oder wann er einen in die Corps
de Garde
ſchicken wolte/ und ſagte/ er ſolte in
die Wacht-Verſamlung gehen/ wer wuͤrde
ihn mit den neugebackenen Woͤrtern verſte-
hen? Und fuͤrwahr eben/ ſo thum̃ koͤm̃t es mit
euren Erfindungen heraus. Es iſt nicht ſo
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[118/0124] einer Bedeutung gezogen wird/ nachdem der Gebrauch und die Gewonheit ſolches beſtaͤti- gen. Und alſo muß man den Gebrauch am meiſten herrſchen laſſen. Ein Tiſch heiſt da- rum ein Tiſch/ weil es von den alten Teutſchen ſo beliebet und gebraucht worden. So heiſt auch ein Fenſter/ ein Piſtol/ eine Orgel/ ꝛc. das jenige/ wozu es von den ietzigen Teutſchen iſt geleget worden. Jch frage auch/ iſt diß nicht der eintzige Zweck von allen Sprachen/ daß man einander verſtehen will? Nun wird es niemand leugnen/ daß dieſelben Woͤrter/ die ihr außmuſtert/ von iederman beſſer verſtan- den werden/ als euere neue Gauckel Poſſen. Nehmet ein Exempel. Wann ein Soldat ſeinen Lieutenant wolte einen Hr. Plaßhalter/ den Quartiermeiſter Hr. Wohnungs- oder Herbergenmeiſter nennen: Oder wenn einer die Piſtolen haben wolte/ und forderte die Reit-Puffer: Oder wann er einen in die Corps de Garde ſchicken wolte/ und ſagte/ er ſolte in die Wacht-Verſamlung gehen/ wer wuͤrde ihn mit den neugebackenen Woͤrtern verſte- hen? Und fuͤrwahr eben/ ſo thum̃ koͤm̃t es mit euren Erfindungen heraus. Es iſt nicht ſo bald geſchehen/ daß andere Leute errathen koͤnnen/ was ihr haben wollet. Und wo habt ihr

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/124>, abgerufen am 25.11.2024.