Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


hauptsächlich schmecket: Neulich begieng er
ein hauswirthisch Stücke/ sagte der Wirth
ferner/ da kam ihn eine Lust Wein zu trincken
an/ doch war ihm das Geld zu lieb. Drum
borgte er bey mir ein Wein-Faß/ darauf noch
etliche Hefen waren/ die ich sonst weggegossen
hätte. Darzu goß er Wasser/ rührete es
weidlich unter einander/ gab ihm darnach mit
einem Nössel Brandtewein den Einschlag/
welchen die Tröde-Frau an statt baaren Gel-
des gebracht hatte. Daraus ward ein
Tranck/ er roch nicht wie Wein/ er sahe nicht
wie Wein/ er schmackte nicht wie Wein/ er
wärmte nicht wie Wein/ und war doch
Wein. Florindo, dem das Maul allezeit
nach der Liebsten wässerte/ fragte/ warum sich
der wunderliche Kummpe nicht verheyrathet
hätte/ so könte er offt ein gutes bißgen zurich-
ten lassen/ und dürffte dem Wirthe nit gleich
vier Groschen davor bezahlen. Ja wohl/ gab
der Wirth zur Antwort/ hätte er die Coura-
ge,
er will immer verhungern/ weil er allein
ist/ was würde er thun/ wenn er heyrathen sol-
te? Hencken könte er sich nicht/ denn die zween
Pfennige thauerten ihn/ davor er den Strick
kauffen müste. Vielleicht hungerte er sich
selbst zu Tode. Gelanor fragte/ womit er

denn


hauptſaͤchlich ſchmecket: Neulich begieng er
ein hauswirthiſch Stuͤcke/ ſagte der Wirth
ferner/ da kam ihn eine Luſt Wein zu trincken
an/ doch war ihm das Geld zu lieb. Drum
borgte er bey mir ein Wein-Faß/ darauf noch
etliche Hefen waren/ die ich ſonſt weggegoſſen
haͤtte. Darzu goß er Waſſer/ ruͤhrete es
weidlich unter einander/ gab ihm darnach mit
einem Noͤſſel Brandtewein den Einſchlag/
welchen die Troͤde-Frau an ſtatt baaren Gel-
des gebracht hatte. Daraus ward ein
Tranck/ er roch nicht wie Wein/ er ſahe nicht
wie Wein/ er ſchmackte nicht wie Wein/ er
waͤrmte nicht wie Wein/ und war doch
Wein. Florindo, dem das Maul allezeit
nach der Liebſten waͤſſerte/ fragte/ warum ſich
der wunderliche Kummpe nicht verheyrathet
haͤtte/ ſo koͤnte er offt ein gutes bißgen zurich-
ten laſſen/ und duͤrffte dem Wirthe nit gleich
vier Groſchen davor bezahlen. Ja wohl/ gab
der Wirth zur Antwort/ haͤtte er die Coura-
ge,
er will immer verhungern/ weil er allein
iſt/ was wuͤrde er thun/ wenn er heyrathen ſol-
te? Hencken koͤnte er ſich nicht/ denn die zween
Pfennige thauerten ihn/ davor er den Strick
kauffen muͤſte. Vielleicht hungerte er ſich
ſelbſt zu Tode. Gelanor fragte/ womit er

denn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0116" n="110"/><lb/>
haupt&#x017F;a&#x0364;chlich &#x017F;chmecket: Neulich begieng er<lb/>
ein hauswirthi&#x017F;ch Stu&#x0364;cke/ &#x017F;agte der Wirth<lb/>
ferner/ da kam ihn eine Lu&#x017F;t Wein zu trincken<lb/>
an/ doch war ihm das Geld zu lieb. Drum<lb/>
borgte er bey mir ein Wein-<hi rendition="#fr">F</hi>aß/ darauf noch<lb/>
etliche Hefen waren/ die ich &#x017F;on&#x017F;t weggego&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ha&#x0364;tte. Darzu goß er Wa&#x017F;&#x017F;er/ ru&#x0364;hrete es<lb/>
weidlich unter einander/ gab ihm darnach mit<lb/>
einem No&#x0364;&#x017F;&#x017F;el Brandtewein den Ein&#x017F;chlag/<lb/>
welchen die Tro&#x0364;de-<hi rendition="#fr">F</hi>rau an &#x017F;tatt baaren Gel-<lb/>
des gebracht hatte. Daraus ward ein<lb/>
Tranck/ er roch nicht wie Wein/ er &#x017F;ahe nicht<lb/>
wie Wein/ er &#x017F;chmackte nicht wie Wein/ er<lb/>
wa&#x0364;rmte nicht wie Wein/ und war doch<lb/>
Wein. <hi rendition="#aq">Florindo,</hi> dem das Maul allezeit<lb/>
nach der Lieb&#x017F;ten wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erte/ fragte/ warum &#x017F;ich<lb/>
der wunderliche Kummpe nicht verheyrathet<lb/>
ha&#x0364;tte/ &#x017F;o ko&#x0364;nte er offt ein gutes bißgen zurich-<lb/>
ten la&#x017F;&#x017F;en/ und du&#x0364;rffte dem Wirthe nit gleich<lb/>
vier Gro&#x017F;chen davor bezahlen. Ja wohl/ gab<lb/>
der Wirth zur Antwort/ ha&#x0364;tte er die <hi rendition="#aq">Coura-<lb/>
ge,</hi> er will immer verhungern/ weil er allein<lb/>
i&#x017F;t/ was wu&#x0364;rde er thun/ wenn er heyrathen &#x017F;ol-<lb/>
te? Hencken ko&#x0364;nte er &#x017F;ich nicht/ denn die zween<lb/>
Pfennige thauerten ihn/ davor er den Strick<lb/>
kauffen mu&#x0364;&#x017F;te. Vielleicht hungerte er &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu Tode. <hi rendition="#aq">Gelanor</hi> fragte/ womit er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">denn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0116] hauptſaͤchlich ſchmecket: Neulich begieng er ein hauswirthiſch Stuͤcke/ ſagte der Wirth ferner/ da kam ihn eine Luſt Wein zu trincken an/ doch war ihm das Geld zu lieb. Drum borgte er bey mir ein Wein-Faß/ darauf noch etliche Hefen waren/ die ich ſonſt weggegoſſen haͤtte. Darzu goß er Waſſer/ ruͤhrete es weidlich unter einander/ gab ihm darnach mit einem Noͤſſel Brandtewein den Einſchlag/ welchen die Troͤde-Frau an ſtatt baaren Gel- des gebracht hatte. Daraus ward ein Tranck/ er roch nicht wie Wein/ er ſahe nicht wie Wein/ er ſchmackte nicht wie Wein/ er waͤrmte nicht wie Wein/ und war doch Wein. Florindo, dem das Maul allezeit nach der Liebſten waͤſſerte/ fragte/ warum ſich der wunderliche Kummpe nicht verheyrathet haͤtte/ ſo koͤnte er offt ein gutes bißgen zurich- ten laſſen/ und duͤrffte dem Wirthe nit gleich vier Groſchen davor bezahlen. Ja wohl/ gab der Wirth zur Antwort/ haͤtte er die Coura- ge, er will immer verhungern/ weil er allein iſt/ was wuͤrde er thun/ wenn er heyrathen ſol- te? Hencken koͤnte er ſich nicht/ denn die zween Pfennige thauerten ihn/ davor er den Strick kauffen muͤſte. Vielleicht hungerte er ſich ſelbſt zu Tode. Gelanor fragte/ womit er denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/116
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/116>, abgerufen am 30.12.2024.