Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.Vom Unterscheid des Standes Das X. §. 2. Was den absonderlich betrachteten Stand anlanget/ so jede
Vom Unterſcheid des Standes Das X. §. 2. Was den abſonderlich betrachteten Stand anlanget/ ſo jede
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Vom Unterſcheid des Standes Das X.
§. 2. Was den abſonderlich betrachteten Stand anlanget/ ſo
wird das Wort/ Stand/ auff dreyerley Weiſe genommen/ welche
mit dem Zuſtand vielerley Standes-Bedeutungen machen/ die zwar
mit einerley Wort geſaget werden/ aber gantz unterſchiedene Dinge
vorſtellen. Welches eben ein gut Exempel gibt/ augenſcheinlich zuer-
kennen/ daß man einem Wort allein und alſo bloß nicht trauen ſoll/
ſondern/ daß man allezeit aus denen beyſtehenden die rechte Bedeutung
heraus ſuchen muͤſſe; ſonſt wird alſobald eiu vergebener Woͤrterſtreit
daraus/ welcher nicht allein der Warheit hoͤchſt ſchaͤdlich iſt; ſondern
auch die Gemuͤther/ die es nicht mercken/ daß es ein Wort-Streit ſey/
auff das hefftigſte verbittern kan/ deßwegen/ weil iede Part vor ſich recht
hat/ und iede dennoch meynet/ die andere habe unrecht. Dann dieſe
Part iſt in ihrẽ Gewiſſen verſichert/ daß ihr vorgebrachtes Wort dieſes
was ſie meynet/ warhafftig bedeute/ und daß es alſo deroſelben bedeute-
ten Sachen ihre darzu geſagte wahre Beſchaffenheit auch warhaftig
mit auff ſich nehmen koͤnne: zum Exempel/ daß intreitas, extreitas,
oder/ alſo zureden/ die Jnnigkeit/ oder die Drauſſenheit/ ein
Stand ſey/ nemlich ein foͤrmlicher Stand oder die Foͤrmligkeit des
Standes/ das iſt ein von dem alſo ſtehenden Werck zuſagendes For-
mular/ weil man ſpricht/ daß Titius in der Geſellſchaft oder auſſer der
Geſellſchaft ſey/ und dadurch einẽ gewiſſen Stand auf ſich habe. Die an-
dere Part iſt gleicher geſtalt in ihrẽ Gewiſſen verſichert/ daß eben daſſelbe
vorhabẽde Wort (Stand) die andere Sache/ welche nun dieſe Part mey-
net/ (ſoaber võ der vorigẽ oftmals weit unterſchiedẽ iſt) warhaftig bedeu-
te/ und daß alſo daſſelbe Wort dieſer bedeuteten andern Sachen ihre
von dieſer dazugeſagte wahre Beſchaffenheit (welche aber der vorigen
oftmahls gantz entgegen) auch warhaftig mit auff ſich nehmen koͤnne:
zum Exempel/ daß der Eheſtand/ da Mann und Weib eine Geſellſchaft
und Societaͤt machen/ auch ein Stand ſey/ nemlich nicht ſelbſt der
foͤrmliche Stand/ ſondern der Standes-Begriff/ von deme man ſagen
kan/ daß einer in demſelben oder auſſer demſelben ſey/ nicht die Jn-
nigkeit oder die Drauſſenheit ſelbſt. Wann nun beyde Partheyen
dencken/ jene Parthey wolle eben dieſelbe Sache/ welche dieſe Parthey
wil/ mit eben demſelben Wort (Stand) vorgebracht haben/ wie ſie dañ
gemeiniglich dencken/ da doch dieſe Parthey dieſe Sache/ jene Parthey
jene Sache mit eben demſelben Wort geſaget haben wil; ſo meynet
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