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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Von der Obligation Das XVI.
zu ergreiffen/ mit dem selben sich zu conjungiren/ dasselbe zu thun/
angestrenget wird.

Die civilische Dringung und Obligation ist special, da des
Menschen Gemüth sich selbst unmittelbarer weiß/ oder durch den/
deme sich der Mensch hierzu ergeben/ auff etwas entweder sonst
willkührliches oder schon von Natur gebottenes/ damit es gesche-
hen möge/ zu dringen sich richten lassen und entschlossen.

Nun hat die Republiq nicht vor müglich befunden/ alle na-
türliche Dringungen zu reassumiren/ und mit gewissen civilischen
Anstrengungen gleichsam zu staffiren/ sondern sie hat nur die je-
nigen also besonders befestiget/ welche zu der Wohlfahrt des ge-
meinen Wesens unmittelbar gehören; Dahero die übrigen/ als
dte Verbindung zur Danckbarkeit/ zur Höflichkeit und derglei-
chen/ nur blosse natürliche Verbindungen heissen: die civilischen
aber sind gleichsam versteiffte natürliche Verbindungen zu nennen.
Wer wieder die blossen natürlichen Verbindungen verfähret/ den
straffet die Natur selbst/ und zwar scharff genug/ wie man leicht-
lich dencken kan/ wenn man sich nur recht besinnen will; wer aber
wieder die civilischen Verbindungen thut/ den kan man verkla-
gen beym Gerichte/ welches die gröbesten Verbrechen zu Beru-
ruhigung des Staats zubestraffen bemühet. Die dem äusserli-
lichen Ansehen nach geringer sind (ob sie zwar noch ziemlich un-
leidlich) denen ist keine ordentliche Straffe gesetzt/ theils damit
man in den Gerichten nicht gar zu viel zu thun bekommen möch-
te; theils damit die Frommen und Auffrichtigen auch etwas hät-
ten/ worinnen sie ihre Frömmigkeit ohne Zwang/ und nicht aus
Furcht der Straffe/ sondern aus Lieb der Tugend/ freywillig dar-
stellen könten.

Ob nun zwar bey der Affter-Welt/ welche der auffrichti-
gen alles nach affen will// auch dergleichen Handlungen/ welche
sonst allhier eine Verbindung machen/ (als etwas versprechen/)
vorgehen; dennoch wie dieselbe gantze Welt ungültig ist; also sind
auch ihre Bande/ da sie sich untereinander zum bösen verbinden/
gantz untüchtig/ und obligiren nicht. Denn alle gültige Verbin-
dungen und Dringungen haben etwas gutes und zulässiges zum
Zweck dahin sie dringen sollen. Zum bösen aber obligirt uns

nichts

Von der Obligation Das XVI.
zu ergreiffen/ mit dem ſelben ſich zu conjungiren/ daſſelbe zu thun/
angeſtrenget wird.

Die civiliſche Dringung und Obligation iſt ſpecial, da des
Menſchen Gemuͤth ſich ſelbſt unmittelbarer weiß/ oder durch den/
deme ſich der Menſch hierzu ergeben/ auff etwas entweder ſonſt
willkuͤhrliches oder ſchon von Natur gebottenes/ damit es geſche-
hen moͤge/ zu dringen ſich richten laſſen und entſchloſſen.

Nun hat die Republiq nicht vor muͤglich befunden/ alle na-
tuͤrliche Dringungen zu reaſſumiren/ und mit gewiſſen civiliſchen
Anſtrengungen gleichſam zu ſtaffiren/ ſondern ſie hat nur die je-
nigen alſo beſonders befeſtiget/ welche zu der Wohlfahrt des ge-
meinen Weſens unmittelbar gehoͤren; Dahero die uͤbrigen/ als
dte Verbindung zur Danckbarkeit/ zur Hoͤflichkeit und derglei-
chen/ nur bloſſe natuͤrliche Verbindungen heiſſen: die civiliſchen
aber ſind gleichſam verſteiffte natuͤrliche Verbindungẽ zu nennen.
Wer wieder die bloſſen natuͤrlichen Verbindungen verfaͤhret/ den
ſtraffet die Natur ſelbſt/ und zwar ſcharff genug/ wie man leicht-
lich dencken kan/ wenn man ſich nur recht beſinnen will; wer aber
wieder die civiliſchen Verbindungen thut/ den kan man verkla-
gen beym Gerichte/ welches die groͤbeſten Verbrechen zu Beru-
ruhigung des Staats zubeſtraffen bemuͤhet. Die dem aͤuſſerli-
lichen Anſehen nach geringer ſind (ob ſie zwar noch ziemlich un-
leidlich) denen iſt keine ordentliche Straffe geſetzt/ theils damit
man in den Gerichten nicht gar zu viel zu thun bekommen moͤch-
te; theils damit die Frommen und Auffrichtigen auch etwas haͤt-
ten/ worinnen ſie ihre Froͤmmigkeit ohne Zwang/ und nicht aus
Furcht der Straffe/ ſondern aus Lieb der Tugend/ freywillig dar-
ſtellen koͤnten.

Ob nun zwar bey der Affter-Welt/ welche der auffrichti-
gen alles nach affen will// auch dergleichen Handlungen/ welche
ſonſt allhier eine Verbindung machen/ (als etwas verſprechen/)
vorgehen; dennoch wie dieſelbe gantze Welt unguͤltig iſt; alſo ſind
auch ihre Bande/ da ſie ſich untereinander zum boͤſen verbinden/
gantz untuͤchtig/ und obligiren nicht. Denn alle guͤltige Verbin-
dungen und Dringungen haben etwas gutes und zulaͤſſiges zum
Zweck dahin ſie dringen ſollen. Zum boͤſen aber obligirt uns

nichts
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[114/0124] Von der Obligation Das XVI. zu ergreiffen/ mit dem ſelben ſich zu conjungiren/ daſſelbe zu thun/ angeſtrenget wird. Die civiliſche Dringung und Obligation iſt ſpecial, da des Menſchen Gemuͤth ſich ſelbſt unmittelbarer weiß/ oder durch den/ deme ſich der Menſch hierzu ergeben/ auff etwas entweder ſonſt willkuͤhrliches oder ſchon von Natur gebottenes/ damit es geſche- hen moͤge/ zu dringen ſich richten laſſen und entſchloſſen. Nun hat die Republiq nicht vor muͤglich befunden/ alle na- tuͤrliche Dringungen zu reaſſumiren/ und mit gewiſſen civiliſchen Anſtrengungen gleichſam zu ſtaffiren/ ſondern ſie hat nur die je- nigen alſo beſonders befeſtiget/ welche zu der Wohlfahrt des ge- meinen Weſens unmittelbar gehoͤren; Dahero die uͤbrigen/ als dte Verbindung zur Danckbarkeit/ zur Hoͤflichkeit und derglei- chen/ nur bloſſe natuͤrliche Verbindungen heiſſen: die civiliſchen aber ſind gleichſam verſteiffte natuͤrliche Verbindungẽ zu nennen. Wer wieder die bloſſen natuͤrlichen Verbindungen verfaͤhret/ den ſtraffet die Natur ſelbſt/ und zwar ſcharff genug/ wie man leicht- lich dencken kan/ wenn man ſich nur recht beſinnen will; wer aber wieder die civiliſchen Verbindungen thut/ den kan man verkla- gen beym Gerichte/ welches die groͤbeſten Verbrechen zu Beru- ruhigung des Staats zubeſtraffen bemuͤhet. Die dem aͤuſſerli- lichen Anſehen nach geringer ſind (ob ſie zwar noch ziemlich un- leidlich) denen iſt keine ordentliche Straffe geſetzt/ theils damit man in den Gerichten nicht gar zu viel zu thun bekommen moͤch- te; theils damit die Frommen und Auffrichtigen auch etwas haͤt- ten/ worinnen ſie ihre Froͤmmigkeit ohne Zwang/ und nicht aus Furcht der Straffe/ ſondern aus Lieb der Tugend/ freywillig dar- ſtellen koͤnten. Ob nun zwar bey der Affter-Welt/ welche der auffrichti- gen alles nach affen will// auch dergleichen Handlungen/ welche ſonſt allhier eine Verbindung machen/ (als etwas verſprechen/) vorgehen; dennoch wie dieſelbe gantze Welt unguͤltig iſt; alſo ſind auch ihre Bande/ da ſie ſich untereinander zum boͤſen verbinden/ gantz untuͤchtig/ und obligiren nicht. Denn alle guͤltige Verbin- dungen und Dringungen haben etwas gutes und zulaͤſſiges zum Zweck dahin ſie dringen ſollen. Zum boͤſen aber obligirt uns nichts

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/124>, abgerufen am 22.11.2024.