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Weigel, Valentin: Der güldene Griff/ Alle Ding ohne Jrrthumb zuerkennen. Halle (Saale), 1613.

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Der güldene Griff.
keit des Auges/ sie werde nuhn erweckt vnd erjnnert vom Gegen-
wurff/ wie sie wolle/ so heisset sie doch eine natürliche Erkentnis/
Erstlich daß es die Natur des Menschens selbs für sich nimpt/
vnd das Vrtheil im Menschen/ so da redet vber das objectum,
vnd darnach gegen der vbernatürlichen Erkentnis durch Gnade/
die sich muß leidenlich halten/ vnnd nicht wircklich/ die vberna-
türliche E[r]kendtnis ist nicht aus Vermögen der Natur/ sondern
die Gnade wircket/ da der Mensch mit seiner Vernunfft vnnd
Weißheit in ein Stillschweigen kömpt/ da sich GOTT selber
in das Aug leidenlich ergeusset/ da der Mensch nur wartet vnd
empfehet/ vnd GOtt gibet vnd wircket/ Jn Summa/ der gleich
das objectum wircket in das Aug/ vnd das Aug nicht in das ob-
jectum
wircket/ wie in der natürlichen Erkendtnis geschicht/ in
der natürlichen eusserlichen Erkendtnis stehet das Vrtheil/ in vnd
bey dem Menschen das objectum/ Aber in der vbernatürlichen
Erkentnis stehet das Vrtheil in vnd bey dem objecto oder Ge-
genwurff/ welcher ist Gott oder sein Wort/ ob gleich solche
vbernatürliche Erkentnis vom objecto kömpt/ so kömpt sie doch
nicht von aussen hinein/ denn GOtt Geist vnd Wort ist in vns/
vnd also fliesset die Erkendtnis von innen heraus/ vnd nit von aus-
sen hinein/ auff daß die Buchstabischen Theologi nicht sagen
dürffen/ es komme vom Buchstaben hinein/ auff daß sie nur das
innere (das ist Christum das Wort des Lebens/ so seine Woh-
nung in den Gläubigen Hertzen hat) verleugnen/ hindansetzen/
wie die Buchstabischen Phariseer/ der Jüden/ zu denen Christus
saget/ Jch kenne euch/ daß die Göttliche Lieb nicht in euch ist/ habt
auch Gottes Wort nicht in ewrem Hertzen wohnen/ dar-
an doch alles gelegen ist/ Item, du hast Wort des ewigen Lebens/
nicht des Buchstabens/ saget der Apostel Petrus/ Die deutsche
Theologia saget im ersten Capitel/ das vollkommene vnbegreiff-

liche

Der guͤldene Griff.
keit des Auges/ ſie werde nuhn erweckt vnd erjnnert vom Gegen-
wurff/ wie ſie wolle/ ſo heiſſet ſie doch eine natuͤrliche Erkentnis/
Erſtlich daß es die Natur des Menſchens ſelbs fuͤr ſich nimpt/
vnd das Vrtheil im Menſchen/ ſo da redet vber das objectum,
vnd darnach gegen der vbernatuͤrlichen Erkentnis durch Gnade/
die ſich muß leidenlich halten/ vnnd nicht wircklich/ die vberna-
tuͤrliche E[r]kendtnis iſt nicht aus Vermoͤgen der Natur/ ſondern
die Gnade wircket/ da der Menſch mit ſeiner Vernunfft vnnd
Weißheit in ein Stillſchweigen koͤmpt/ da ſich GOTT ſelber
in das Aug leidenlich ergeuſſet/ da der Menſch nur wartet vnd
empfehet/ vnd GOtt gibet vnd wircket/ Jn Summa/ der gleich
das objectum wircket in das Aug/ vnd das Aug nicht in das ob-
jectum
wircket/ wie in der natuͤrlichen Erkendtnis geſchicht/ in
der natuͤrlichen euſſerlichen Erkendtnis ſtehet das Vrtheil/ in vnd
bey dem Menſchen das objectum/ Aber in der vbernatuͤrlichen
Erkentnis ſtehet das Vrtheil in vnd bey dem objecto oder Ge-
genwurff/ welcher iſt Gott oder ſein Wort/ ob gleich ſolche
vbernatuͤrliche Erkentnis vom objecto koͤmpt/ ſo koͤmpt ſie doch
nicht von auſſen hinein/ denn GOtt Geiſt vnd Wort iſt in vns/
vnd alſo flieſſet die Erkendtnis von innen heraus/ vnd nit von auſ-
ſen hinein/ auff daß die Buchſtabiſchen Theologi nicht ſagen
duͤrffen/ es komme vom Buchſtaben hinein/ auff daß ſie nur das
innere (das iſt Chriſtum das Wort des Lebens/ ſo ſeine Woh-
nung in den Glaͤubigen Hertzen hat) verleugnen/ hindanſetzen/
wie die Buchſtabiſchẽ Phariſeer/ der Juͤden/ zu denen Chriſtus
ſaget/ Jch kenne euch/ daß die Goͤttliche Lieb nicht in euch iſt/ habt
auch Gottes Wort nicht in ewrem Hertzen wohnen/ dar-
an doch alles gelegen iſt/ Item, du haſt Wort des ewigen Lebens/
nicht des Buchſtabens/ ſaget der Apoſtel Petrus/ Die deutſche
Theologia ſaget im erſten Capitel/ das vollkommene vnbegreiff-

liche
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[0044] Der guͤldene Griff. keit des Auges/ ſie werde nuhn erweckt vnd erjnnert vom Gegen- wurff/ wie ſie wolle/ ſo heiſſet ſie doch eine natuͤrliche Erkentnis/ Erſtlich daß es die Natur des Menſchens ſelbs fuͤr ſich nimpt/ vnd das Vrtheil im Menſchen/ ſo da redet vber das objectum, vnd darnach gegen der vbernatuͤrlichen Erkentnis durch Gnade/ die ſich muß leidenlich halten/ vnnd nicht wircklich/ die vberna- tuͤrliche Erkendtnis iſt nicht aus Vermoͤgen der Natur/ ſondern die Gnade wircket/ da der Menſch mit ſeiner Vernunfft vnnd Weißheit in ein Stillſchweigen koͤmpt/ da ſich GOTT ſelber in das Aug leidenlich ergeuſſet/ da der Menſch nur wartet vnd empfehet/ vnd GOtt gibet vnd wircket/ Jn Summa/ der gleich das objectum wircket in das Aug/ vnd das Aug nicht in das ob- jectum wircket/ wie in der natuͤrlichen Erkendtnis geſchicht/ in der natuͤrlichen euſſerlichen Erkendtnis ſtehet das Vrtheil/ in vnd bey dem Menſchen das objectum/ Aber in der vbernatuͤrlichen Erkentnis ſtehet das Vrtheil in vnd bey dem objecto oder Ge- genwurff/ welcher iſt Gott oder ſein Wort/ ob gleich ſolche vbernatuͤrliche Erkentnis vom objecto koͤmpt/ ſo koͤmpt ſie doch nicht von auſſen hinein/ denn GOtt Geiſt vnd Wort iſt in vns/ vnd alſo flieſſet die Erkendtnis von innen heraus/ vnd nit von auſ- ſen hinein/ auff daß die Buchſtabiſchen Theologi nicht ſagen duͤrffen/ es komme vom Buchſtaben hinein/ auff daß ſie nur das innere (das iſt Chriſtum das Wort des Lebens/ ſo ſeine Woh- nung in den Glaͤubigen Hertzen hat) verleugnen/ hindanſetzen/ wie die Buchſtabiſchẽ Phariſeer/ der Juͤden/ zu denen Chriſtus ſaget/ Jch kenne euch/ daß die Goͤttliche Lieb nicht in euch iſt/ habt auch Gottes Wort nicht in ewrem Hertzen wohnen/ dar- an doch alles gelegen iſt/ Item, du haſt Wort des ewigen Lebens/ nicht des Buchſtabens/ ſaget der Apoſtel Petrus/ Die deutſche Theologia ſaget im erſten Capitel/ das vollkommene vnbegreiff- liche

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Der güldene Griff/ Alle Ding ohne Jrrthumb zuerkennen. Halle (Saale), 1613, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gueldenergriff_1613/44>, abgerufen am 23.11.2024.