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Weigel, Valentin: Der güldene Griff/ Alle Ding ohne Jrrthumb zuerkennen. Halle (Saale), 1613.

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Der güldene Griff.


Das eilffte Capitel.
Das der Mensch das Aug selber sey dar-
durch alle sichtige vnd vnsichtige Gegenwürff ge-
sehen vnd erkandt werden.

WJe wil ich aber die Einfeltigen vberreden/ daß
sie mir gleuben/ wie der Mensch sey das Auge selbest/ so
ich doch sinnlicher weiß sagen muß/ daß Aug ist nicht der
Mensch/ sondern der ist der Mensch der durch das Aug siehet/ das
Ohr ist nicht der Mensch/ sondern der ist der Mensch der dardurch
vnd mit dem Ohr höret/ vnd die Zung ist nicht der Mensch/ son-
dern der ist der Mensch/ der da mit der Zungen rodet/ die Hand
oder der Fuß machen noch nicht den Menschen/ sondern der re-
det in dem Menschen/ vnd macht den Menschen/ der die Händ
vnd Füß brauchen kan/ aber eben hiemit wil ich gnugsam erwiesen
haben/ daß nicht das Werckzeug für den Menschen sol geachtet
werden/ als das eussere Aug/ sondern der jnnerliche vnd vnsicht-
bare/ der da weiß zu gebrauchen des eussern Auges des Liechtes/
dasselbige sey der rechte Mensch/ Dienweil aber nhun dieser vn-
sichtbare/ jnnerliche rechte Mensch alle Ding erkennet vnnd be-
greiffet/ entweder durch die Sinn oder durch die Vernunfft/ oder
durch den Verstandt/ Dieweil aber Vernunfft/ Verstandt
nichts anders ist/ als der Geist des Menschen/ oder der vnsicht-
bare Mensch/ So folget ja daß der Mensch sey/ damit vnd dar-
durch alle sichtbare vnd vnsichtbare objecta oder Gegenwürff er-
sehen vnd erkennet werden/ Gleich wie ein Engel/ ist alles das sel-
ber/ was er kan vnd hat/ natürlicher weiß zu reden/ (sonst vberna-
türlicher ist GOTT alles im Engel) also ist der Mensch auch

alles
Der guͤldene Griff.


Das eilffte Capitel.
Das der Menſch das Aug ſelber ſey dar-
durch alle ſichtige vnd vnſichtige Gegenwuͤrff ge-
ſehen vnd erkandt werden.

WJe wil ich aber die Einfeltigen vberreden/ daß
ſie mir gleuben/ wie der Menſch ſey das Auge ſelbeſt/ ſo
ich doch ſinnlicher weiß ſagen muß/ daß Aug iſt nicht der
Menſch/ ſondern der iſt der Menſch der durch das Aug ſiehet/ das
Ohr iſt nicht der Menſch/ ſondern der iſt der Menſch der dardurch
vnd mit dem Ohr hoͤret/ vnd die Zung iſt nicht der Menſch/ ſon-
dern der iſt der Menſch/ der da mit der Zungen rodet/ die Hand
oder der Fuß machen noch nicht den Menſchen/ ſondern der re-
det in dem Menſchen/ vnd macht den Menſchen/ der die Haͤnd
vnd Fuͤß brauchen kan/ aber eben hiemit wil ich gnugſam erwieſen
haben/ daß nicht das Werckzeug fuͤr den Menſchen ſol geachtet
werden/ als das euſſere Aug/ ſondern der jnnerliche vnd vnſicht-
bare/ der da weiß zu gebrauchen des euſſern Auges des Liechtes/
daſſelbige ſey der rechte Menſch/ Diẽweil aber nhun dieſer vn-
ſichtbare/ jnnerliche rechte Menſch alle Ding erkennet vnnd be-
greiffet/ entweder durch die Sinn oder durch die Vernunfft/ oder
durch den Verſtandt/ Dieweil aber Vernunfft/ Verſtandt
nichts anders iſt/ als der Geiſt des Menſchen/ oder der vnſicht-
bare Menſch/ So folget ja daß der Menſch ſey/ damit vnd dar-
durch alle ſichtbare vnd vnſichtbare objecta oder Gegenwuͤrff er-
ſehen vnd erkennet werden/ Gleich wie ein Engel/ iſt alles das ſel-
ber/ was er kan vnd hat/ natuͤrlicher weiß zu reden/ (ſonſt vberna-
tuͤrlicher iſt GOTT alles im Engel) alſo iſt der Menſch auch

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[0040] Der guͤldene Griff. Das eilffte Capitel. Das der Menſch das Aug ſelber ſey dar- durch alle ſichtige vnd vnſichtige Gegenwuͤrff ge- ſehen vnd erkandt werden. WJe wil ich aber die Einfeltigen vberreden/ daß ſie mir gleuben/ wie der Menſch ſey das Auge ſelbeſt/ ſo ich doch ſinnlicher weiß ſagen muß/ daß Aug iſt nicht der Menſch/ ſondern der iſt der Menſch der durch das Aug ſiehet/ das Ohr iſt nicht der Menſch/ ſondern der iſt der Menſch der dardurch vnd mit dem Ohr hoͤret/ vnd die Zung iſt nicht der Menſch/ ſon- dern der iſt der Menſch/ der da mit der Zungen rodet/ die Hand oder der Fuß machen noch nicht den Menſchen/ ſondern der re- det in dem Menſchen/ vnd macht den Menſchen/ der die Haͤnd vnd Fuͤß brauchen kan/ aber eben hiemit wil ich gnugſam erwieſen haben/ daß nicht das Werckzeug fuͤr den Menſchen ſol geachtet werden/ als das euſſere Aug/ ſondern der jnnerliche vnd vnſicht- bare/ der da weiß zu gebrauchen des euſſern Auges des Liechtes/ daſſelbige ſey der rechte Menſch/ Diẽweil aber nhun dieſer vn- ſichtbare/ jnnerliche rechte Menſch alle Ding erkennet vnnd be- greiffet/ entweder durch die Sinn oder durch die Vernunfft/ oder durch den Verſtandt/ Dieweil aber Vernunfft/ Verſtandt nichts anders iſt/ als der Geiſt des Menſchen/ oder der vnſicht- bare Menſch/ So folget ja daß der Menſch ſey/ damit vnd dar- durch alle ſichtbare vnd vnſichtbare objecta oder Gegenwuͤrff er- ſehen vnd erkennet werden/ Gleich wie ein Engel/ iſt alles das ſel- ber/ was er kan vnd hat/ natuͤrlicher weiß zu reden/ (ſonſt vberna- tuͤrlicher iſt GOTT alles im Engel) alſo iſt der Menſch auch alles

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Der güldene Griff/ Alle Ding ohne Jrrthumb zuerkennen. Halle (Saale), 1613, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gueldenergriff_1613/40>, abgerufen am 21.11.2024.