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Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce te ipsum. Erkenne dich selber O Mensch. Neustadt, 1618.

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Erkenne dich selber/

Das ist der schöne lustige Apffel/ darvon alle hohe
Schulen/ Geistlche vnd Weltliche den bittern Todt Es-
sen/ sie suchen das Leben darinnen/ vnd jhnen kommet dar-
für der zeitliche vnnd Ewige Todt. Den jhr Gestirnter
Leib/ der solches alles selber ist/ bewircket sich Tag vnnd
Nacht/ vnd verkürtzet sein Leben dardurch. Den viel wis-
sen/ macht viel gremens/ vnd ist eine schwere/ harte Bür-
de des Zodiaci, die den Menschen das Leben abschneidet:
So darkegen Ruhe vnd Sabbath das Leben erlengert/ wie
wir sehen an den Leuthen der Ersten Welt/ das sie etliche
Hundert Jahr jhr Leben erlengert haben. Dann sie wa-
ren solcher grossen/ schweren last/ vnd Bürden des Gestirns
nicht so sehr vnterworffen als wir. Hie fahen nun an die
Weltgelerthen/ sonderlich die Theologi, aus jhrer Fin-
sternuß zu disputiren/ wie das müglich sey/ das ein Men-
schen im Sabbath solle sein Leben erlengern vnd durch viel
studieren sein Leben abkürtzen? Aber dieweil sie so vnmüssig
seind mit jhrem Philosophiren/ kan ich bey jhnen nichts aus-
richten/ ich lasse sie das Leben suchen durch viel Künste vnd
sprachen.

Nun were es nicht zuthun vmb das zeitliche Leben/
sie verschertzen auch darmit das ewige Leben/ dann kein sol-
cher kan in Himmel kommen: Vrsache/ Er hat lust/ vnnd
liebe/ Frewde dem Gestirne nachzufolgen/ bleibet in der
Alten Geburt/ bekümmert sich gar nichts vmb die Newe/
Er ist so hart besessen durch seine Wissenheit/ kunst/ Spra-
chen/ etc. Das es jhm vnmüglich bleibet/ vmb zuwenden
vnd werden wie ein Kind. Es ist jhm eine Narheit/ das er
sol fallen von seiner Physica, Astronomia, Philosophia,
Sprachen/ Künsten/ etc. Vnnd jhr vergessen/ gedencket/
warumb hette ich sie dann mit solcher mühe gelernet. Denn

ich
Erkenne dich ſelber/

Das iſt der ſchoͤne luſtige Apffel/ darvon alle hohe
Schulen/ Geiſtlche vnd Weltliche den bittern Todt Eſ-
ſen/ ſie ſuchen das Leben darinnen/ vnd jhnen kommet dar-
fuͤr der zeitliche vnnd Ewige Todt. Den jhr Geſtirnter
Leib/ der ſolches alles ſelber iſt/ bewircket ſich Tag vnnd
Nacht/ vnd verkuͤrtzet ſein Leben dardurch. Den viel wiſ-
ſen/ macht viel gremens/ vnd iſt eine ſchwere/ harte Buͤr-
de des Zodiaci, die den Menſchen das Leben abſchneidet:
So darkegen Ruhe vnd Sabbath das Leben erlengert/ wie
wir ſehen an den Leuthen der Erſten Welt/ das ſie etliche
Hundert Jahr jhr Leben erlengert haben. Dann ſie wa-
ren ſolcher groſſen/ ſchweren laſt/ vnd Buͤrden des Geſtirns
nicht ſo ſehr vnterworffen als wir. Hie fahen nun an die
Weltgelerthen/ ſonderlich die Theologi, aus jhrer Fin-
ſternuß zu diſputiren/ wie das muͤglich ſey/ das ein Men-
ſchen im Sabbath ſolle ſein Leben erlengern vnd durch viel
ſtudieren ſein Leben abkuͤrtzen? Aber dieweil ſie ſo vnmuͤſſig
ſeind mit jhrem Philoſophiren/ kan ich bey jhnen nichts aus-
richten/ ich laſſe ſie das Leben ſuchen durch viel Kuͤnſte vnd
ſprachen.

Nun were es nicht zuthun vmb das zeitliche Leben/
ſie verſchertzen auch darmit das ewige Leben/ dann kein ſol-
cher kan in Himmel kommen: Vrſache/ Er hat luſt/ vnnd
liebe/ Frewde dem Geſtirne nachzufolgen/ bleibet in der
Alten Geburt/ bekuͤmmert ſich gar nichts vmb die Newe/
Er iſt ſo hart beſeſſen durch ſeine Wiſſenheit/ kunſt/ Spra-
chen/ etc. Das es jhm vnmuͤglich bleibet/ vmb zuwenden
vnd werden wie ein Kind. Es iſt jhm eine Narheit/ das er
ſol fallen von ſeiner Phyſica, Aſtronomia, Philoſophia,
Sprachen/ Kuͤnſten/ etc. Vnnd jhr vergeſſen/ gedencket/
warumb hette ich ſie dann mit ſolcher muͤhe gelernet. Denn

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[81/0088] Erkenne dich ſelber/ Das iſt der ſchoͤne luſtige Apffel/ darvon alle hohe Schulen/ Geiſtlche vnd Weltliche den bittern Todt Eſ- ſen/ ſie ſuchen das Leben darinnen/ vnd jhnen kommet dar- fuͤr der zeitliche vnnd Ewige Todt. Den jhr Geſtirnter Leib/ der ſolches alles ſelber iſt/ bewircket ſich Tag vnnd Nacht/ vnd verkuͤrtzet ſein Leben dardurch. Den viel wiſ- ſen/ macht viel gremens/ vnd iſt eine ſchwere/ harte Buͤr- de des Zodiaci, die den Menſchen das Leben abſchneidet: So darkegen Ruhe vnd Sabbath das Leben erlengert/ wie wir ſehen an den Leuthen der Erſten Welt/ das ſie etliche Hundert Jahr jhr Leben erlengert haben. Dann ſie wa- ren ſolcher groſſen/ ſchweren laſt/ vnd Buͤrden des Geſtirns nicht ſo ſehr vnterworffen als wir. Hie fahen nun an die Weltgelerthen/ ſonderlich die Theologi, aus jhrer Fin- ſternuß zu diſputiren/ wie das muͤglich ſey/ das ein Men- ſchen im Sabbath ſolle ſein Leben erlengern vnd durch viel ſtudieren ſein Leben abkuͤrtzen? Aber dieweil ſie ſo vnmuͤſſig ſeind mit jhrem Philoſophiren/ kan ich bey jhnen nichts aus- richten/ ich laſſe ſie das Leben ſuchen durch viel Kuͤnſte vnd ſprachen. Nun were es nicht zuthun vmb das zeitliche Leben/ ſie verſchertzen auch darmit das ewige Leben/ dann kein ſol- cher kan in Himmel kommen: Vrſache/ Er hat luſt/ vnnd liebe/ Frewde dem Geſtirne nachzufolgen/ bleibet in der Alten Geburt/ bekuͤmmert ſich gar nichts vmb die Newe/ Er iſt ſo hart beſeſſen durch ſeine Wiſſenheit/ kunſt/ Spra- chen/ etc. Das es jhm vnmuͤglich bleibet/ vmb zuwenden vnd werden wie ein Kind. Es iſt jhm eine Narheit/ das er ſol fallen von ſeiner Phyſica, Aſtronomia, Philoſophia, Sprachen/ Kuͤnſten/ etc. Vnnd jhr vergeſſen/ gedencket/ warumb hette ich ſie dann mit ſolcher muͤhe gelernet. Denn ich

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce te ipsum. Erkenne dich selber O Mensch. Neustadt, 1618, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi02_1618/88>, abgerufen am 22.11.2024.