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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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eine Gestaltwirklichkeit, die durch sprachliche Entfaltung eines Kräftespiels pwe_068.002
von Bedeutungen gebildet wird." Dichtung ist "sprachgetragene Wirklichkeit", pwe_068.003
die darüber hinaus als eine "Wirklichkeit der Natur" bezeichnet pwe_068.004
werden kann. Und nun versucht Müller auch die Goetheschen Begriffe pwe_068.005
von Typus und Metamorphose auf die Dichtung zu übertragen. Gestalt pwe_068.006
entsteht, wenn der Typus Dichtung sich in der Metamorphose zum Werk pwe_068.007
gestaltet, im Nacheinander der Worte und Sätze, in vertikaler und spiraler pwe_068.008
Tendenz, wobei aber in jedem Wachstumsstand je schon Gestalt da ist. pwe_068.009
Soweit nun zwischen den Metamorphosen, in denen sich die verschiedenen pwe_068.010
Werke bilden, typische Gleichläufigkeiten bzw. Verschiedenheiten sich zeigen, pwe_068.011
muß es möglich sein, auch die Gattungen und Arten der Dichtung pwe_068.012
herzuleiten. Und schließlich wird der morphologische Gedanke auch zum pwe_068.013
Wertmaß: je vollkommener, reiner und reicher die Ausgliederung - als pwe_068.014
Einheit und Entfaltung - ist, um so höher wäre das Werk zu werten. pwe_068.015
Damit ist durch den Rückgriff auf Goethe der Poetik ein neues Arsenal pwe_068.016
von Kategorien und Termini angeboten und ein Forschungsprogramm aufgestellt, pwe_068.017
auf eine ebenso einfache wie anregende, ja verwirrende Weise.

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Horst Oppel1 hat es unternommen, "die methodischen Grundfragen pwe_068.019
einer morphologischen Literaturwissenschaft von verschiedenen Ansatzpunkten pwe_068.020
her und in wiederholtem Einsatz enger einzukreisen", d. h. in beständigem pwe_068.021
Rückblick auf Goethe zu diskutieren und zu ergänzen, ohne pwe_068.022
selber ein eingehenderes System zu wagen. Anderseits hat Emil Staiger2 pwe_068.023
ziemlich energisch abgewinkt. Es stimmt an sich mißtrauisch, wenn die Literaturwissenschaft, pwe_068.024
nachdem sie sich seit Generationen um eine sacheigene pwe_068.025
Methode bemüht, ihr Heil bei einer - wenn auch noch so geistvollen - pwe_068.026
analogischen Übertragung Goethescher, im wesentlichen naturphilosophischer pwe_068.027
Gedanken finden soll, wobei zudem Goethes Ansätze in Urpflanzenlehre pwe_068.028
bzw. Osteologie kaum einheitlich sind. Staiger ist der Ansicht, daß pwe_068.029
überhaupt umgekehrt "die deutsche Literaturwissenschaft gerade in dem pwe_068.030
engen Anschluß an Goethes Begriffe krankt". Weder ist das Dichtwerk pwe_068.031
ein Organismus nach der Art von Pflanze und Tier, noch sind die Verhältnisse pwe_068.032
der "Teile" zum Ganzen hier und dort ohne weiteres vergleichbar, pwe_068.033
noch ist der Vollzug eines Gedichts eine Metamorphose im Goetheschen pwe_068.034
Sinn. Die Analogie verwischt gerade das, worauf es ankommt, es pwe_068.035
ist überhaupt fraglich, ob der Begriff der Gestalt dem des Stils vorzuziehen pwe_068.036
sei.

1 pwe_068.037
Horst Oppel, Morphologische Literaturwissenschaft. Goethes Ansicht und pwe_068.038
Methode.
Mainz 1947.
2 pwe_068.039
Emil Staiger, Morphologische Literaturwissenschaft. Trivium II (1944), 223 ff.

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eine Gestaltwirklichkeit, die durch sprachliche Entfaltung eines Kräftespiels pwe_068.002
von Bedeutungen gebildet wird.“ Dichtung ist „sprachgetragene Wirklichkeit“, pwe_068.003
die darüber hinaus als eine „Wirklichkeit der Natur“ bezeichnet pwe_068.004
werden kann. Und nun versucht Müller auch die Goetheschen Begriffe pwe_068.005
von Typus und Metamorphose auf die Dichtung zu übertragen. Gestalt pwe_068.006
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Soweit nun zwischen den Metamorphosen, in denen sich die verschiedenen pwe_068.010
Werke bilden, typische Gleichläufigkeiten bzw. Verschiedenheiten sich zeigen, pwe_068.011
muß es möglich sein, auch die Gattungen und Arten der Dichtung pwe_068.012
herzuleiten. Und schließlich wird der morphologische Gedanke auch zum pwe_068.013
Wertmaß: je vollkommener, reiner und reicher die Ausgliederung – als pwe_068.014
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Damit ist durch den Rückgriff auf Goethe der Poetik ein neues Arsenal pwe_068.016
von Kategorien und Termini angeboten und ein Forschungsprogramm aufgestellt, pwe_068.017
auf eine ebenso einfache wie anregende, ja verwirrende Weise.

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  Horst Oppel1 hat es unternommen, „die methodischen Grundfragen pwe_068.019
einer morphologischen Literaturwissenschaft von verschiedenen Ansatzpunkten pwe_068.020
her und in wiederholtem Einsatz enger einzukreisen“, d. h. in beständigem pwe_068.021
Rückblick auf Goethe zu diskutieren und zu ergänzen, ohne pwe_068.022
selber ein eingehenderes System zu wagen. Anderseits hat Emil Staiger2 pwe_068.023
ziemlich energisch abgewinkt. Es stimmt an sich mißtrauisch, wenn die Literaturwissenschaft, pwe_068.024
nachdem sie sich seit Generationen um eine sacheigene pwe_068.025
Methode bemüht, ihr Heil bei einer – wenn auch noch so geistvollen – pwe_068.026
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Gedanken finden soll, wobei zudem Goethes Ansätze in Urpflanzenlehre pwe_068.028
bzw. Osteologie kaum einheitlich sind. Staiger ist der Ansicht, daß pwe_068.029
überhaupt umgekehrt „die deutsche Literaturwissenschaft gerade in dem pwe_068.030
engen Anschluß an Goethes Begriffe krankt“. Weder ist das Dichtwerk pwe_068.031
ein Organismus nach der Art von Pflanze und Tier, noch sind die Verhältnisse pwe_068.032
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sei.

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Horst Oppel, Morphologische Literaturwissenschaft. Goethes Ansicht und pwe_068.038
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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/74>, abgerufen am 25.11.2024.