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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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III. POETIK
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1. die dichtkunst
pwe_040.003
a) Ästhetik und Poetik
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Literaturwissenschaft steht und fällt mit der Überzeugung, daß Dichtung pwe_040.005
- als ein Schaffen, ein Werk und ein Verstehen - etwas Wirkliches darstellt, pwe_040.006
das nicht durch ein Anderes ersetzt oder auf ein Anderes reduziert pwe_040.007
werden kann. Die Lehre vom dichterischen Phänomen in diesem dreifachen pwe_040.008
Aspekt heißt Poetik und stellt nach heute vorherrschender Überzeugung pwe_040.009
den systematisch grundlegenden Teil der Literaturwissenschaft dar. Es pwe_040.010
wird dabei noch nicht berücksichtigt, wieweit dieses Phänomen an außerkünstlerische pwe_040.011
Wirklichkeiten (d. h. die geschichtliche Menschenwelt in ihrem pwe_040.012
individuellen und kollektiven Leben aller Stufen) gebunden ist, es sei denn, pwe_040.013
daß diese Bindungen selbst sich als unmittelbar konstituierend für die pwe_040.014
Dichtung und speziell das Dichtwerk selbst erweisen.

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Die Lehre von der ars poetica hat schon längst den normativen Charakter pwe_040.016
einer sog. Regelpoetik abgestreift und ist zur beschreibenden und begründenden pwe_040.017
Wissenschaft geworden, auch wenn damit eine sekundäre Verwendung pwe_040.018
zum praktischen Zweck in bewußter und unbewußter Weise pwe_040.019
nicht ausgeschlossen ist (sonst würde sie nicht gerade von den Dichtern pwe_040.020
selbst sehr oft gepflegt). Nachdem durch den Neuidealismus, vor allem bei pwe_040.021
Dilthey und seiner geistesgeschichtlichen Schule, aber auch bei Croce und pwe_040.022
seinen Nachfolgern das Wesen der Dichtung vom Begriff des Lebens oder pwe_040.023
des schöpferischen Geistes aus als ein Ausdrucksphänomen ergründet pwe_040.024
wurde und Poetik damit vorwiegend als Schaffens- bzw. Verstehenspoetik pwe_040.025
erschien, gaben Phänomenologie und Existenzphilosophie die Möglichkeit, pwe_040.026
das literarische Werk an sich nicht nur als Funktion, sondern selbst als pwe_040.027
Wirklichkeit sui generis zu begreifen und in seinem Aufbau und Geschehen pwe_040.028
zu beschreiben.

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Bevor wir den von der Literaturwissenschaft in zahllosen Einzelforschungen pwe_040.030
grundsätzlicher oder praktischer Art erarbeiteten Fragen der pwe_040.031
Poetik nachgehen, ist die Stellung und der Gegenstand der Wissenschaft pwe_040.032
selbst nach außen abzugrenzen. Dichtung ist ein ästhetisches Phänomen, und pwe_040.033
damit erscheint die Poetik im Rahmen einer umfassenden Ästhetik; Dichtung pwe_040.034
ist eine Kunst unter andern Künsten, womit sich das Problem einer pwe_040.035
vergleichenden Kunstwissenschaft stellt; und Dichtung ist schließlich Kunst

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III. POETIK
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Literaturwissenschaft steht und fällt mit der Überzeugung, daß Dichtung pwe_040.005
– als ein Schaffen, ein Werk und ein Verstehen – etwas Wirkliches darstellt, pwe_040.006
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den systematisch grundlegenden Teil der Literaturwissenschaft dar. Es pwe_040.010
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Wirklichkeiten (d. h. die geschichtliche Menschenwelt in ihrem pwe_040.012
individuellen und kollektiven Leben aller Stufen) gebunden ist, es sei denn, pwe_040.013
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Dichtung und speziell das Dichtwerk selbst erweisen.

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  Die Lehre von der ars poetica hat schon längst den normativen Charakter pwe_040.016
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zum praktischen Zweck in bewußter und unbewußter Weise pwe_040.019
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selbst sehr oft gepflegt). Nachdem durch den Neuidealismus, vor allem bei pwe_040.021
Dilthey und seiner geistesgeschichtlichen Schule, aber auch bei Croce und pwe_040.022
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das literarische Werk an sich nicht nur als Funktion, sondern selbst als pwe_040.027
Wirklichkeit sui generis zu begreifen und in seinem Aufbau und Geschehen pwe_040.028
zu beschreiben.

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  Bevor wir den von der Literaturwissenschaft in zahllosen Einzelforschungen pwe_040.030
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Poetik nachgehen, ist die Stellung und der Gegenstand der Wissenschaft pwe_040.032
selbst nach außen abzugrenzen. Dichtung ist ein ästhetisches Phänomen, und pwe_040.033
damit erscheint die Poetik im Rahmen einer umfassenden Ästhetik; Dichtung pwe_040.034
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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. E40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/46>, abgerufen am 25.11.2024.