Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_142.001 Das normhafte Element macht sich vor allem verwirrend bemerkbar, pwe_142.008 Schon für eine einzelne Literatur wird die Abgrenzung eines Epochenbegriffs pwe_142.025 1 pwe_142.036 Martin Turnell, The Classical Moment. London. 1947. - K. H. Halbach, Zu pwe_142.037 Begriff und Wesen des Klassik. (In: Festschrift für Paul Kluckhohn und Hermann pwe_142.038 Schneider, Tübingen 1948). 2 pwe_142.039
Hermann Schneider, Geschichte der deutschen Dichtung. Nach ihren Epochen pwe_142.040 dargestellt. I. Bonn 1949. pwe_142.001 Das normhafte Element macht sich vor allem verwirrend bemerkbar, pwe_142.008 Schon für eine einzelne Literatur wird die Abgrenzung eines Epochenbegriffs pwe_142.025 1 pwe_142.036 Martin Turnell, The Classical Moment. London. 1947. – K. H. Halbach, Zu pwe_142.037 Begriff und Wesen des Klassik. (In: Festschrift für Paul Kluckhohn und Hermann pwe_142.038 Schneider, Tübingen 1948). 2 pwe_142.039
Hermann Schneider, Geschichte der deutschen Dichtung. Nach ihren Epochen pwe_142.040 dargestellt. I. Bonn 1949. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0148" n="142"/><lb n="pwe_142.001"/> Historie als angewandte Typologie zu entwickeln, führt dann auch zur Annahme <lb n="pwe_142.002"/> wiederkehrender Zyklen oder rhythmischer Wechsel (z. B. Klassik <lb n="pwe_142.003"/> und Romantik), die die geschichtliche Realität vergewaltigt, indem sie <lb n="pwe_142.004"/> deren gerichteten und einmaligen Charakter übersieht und aus der Geschichte <lb n="pwe_142.005"/> das Spiel einer mechanisch auf- und zugehenden Handharmonika <lb n="pwe_142.006"/> macht.</p> <lb n="pwe_142.007"/> <p> Das <hi rendition="#g">normhafte</hi> Element macht sich vor allem verwirrend bemerkbar, <lb n="pwe_142.008"/> sofern einzelne Epochen als „Blütezeiten“ oder „klassische“ Literaturepochen <lb n="pwe_142.009"/> hervorgehoben werden. Gewiß ist auch Literarhistorie ohne Wertung <lb n="pwe_142.010"/> nicht denkbar; aber weder ist das für eine Epoche typischste Werk (z. <lb n="pwe_142.011"/> B. ein barockes Nürnberger Poem) ihr wertvollstes, noch genügt die Ordnung <lb n="pwe_142.012"/> in Blütezeiten und Verfallzeiten zur Periodisierung. Auf dieser Verwechslung <lb n="pwe_142.013"/> beruhen wieder Versuche zur mechanischen Rhythmisierung der <lb n="pwe_142.014"/> Geschichte – von Hesiods absteigender Treppe der Weltalter bis zu <hi rendition="#k">Wil- <lb n="pwe_142.015"/> helm Scherers</hi> Lehre von den Sechshundert-Jahr-Perioden von Blütezeit <lb n="pwe_142.016"/> zu Blütezeit der deutschen Literaturgeschichte. Im Begriff „<hi rendition="#g">Klassik</hi>“<note xml:id="PWE_142_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_142.036"/> Martin Turnell, <hi rendition="#i">The Classical Moment.</hi> London. 1947. – K. H. Halbach, <hi rendition="#i">Zu <lb n="pwe_142.037"/> Begriff und Wesen des Klassik.</hi> (In: <hi rendition="#i">Festschrift für Paul Kluckhohn und Hermann <lb n="pwe_142.038"/> Schneider,</hi> Tübingen 1948).</note> <lb n="pwe_142.017"/> verbinden sich Wertendes (etwa die „Blütezeit“ der „Staufischen Klassik“ <lb n="pwe_142.018"/> in <hi rendition="#k">Hermann Schneiders</hi> Literaturgeschichte), Typologisches (Klassizismus) <lb n="pwe_142.019"/> und rein Historisches (deutsche Klassik um 1800). Über die Rolle der <lb n="pwe_142.020"/> „Kanonbildung“, d. h. über das Entstehen klassischer Geltung bestimmter <lb n="pwe_142.021"/> Autoren oder Autorengruppen und ihre Bedeutung für die Literaturgeschichte <lb n="pwe_142.022"/> wie für die Literaturhistorie handelt ein wichtiges Kapitel von <lb n="pwe_142.023"/> <hi rendition="#k">Ernst Robert Curtius.</hi></p> <lb n="pwe_142.024"/> <p> Schon für eine einzelne Literatur wird die Abgrenzung eines Epochenbegriffs <lb n="pwe_142.025"/> die Resultante aus verschiedenen Einzelgrenzen sein – ähnlich wie <lb n="pwe_142.026"/> bei einer Sprachgrenze in der Dialektgeographie –, entsprechend dem <lb n="pwe_142.027"/> schichtenhaften oder <hi rendition="#g">bündelartigen</hi> Charakter jedes Literaturverlaufs. <lb n="pwe_142.028"/> Oft genug wird es sich dabei praktisch um Kompromisse handeln. <lb n="pwe_142.029"/> Ein Beispiel bietet <hi rendition="#k">Hermann Schneider</hi><note xml:id="PWE_142_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_142.039"/> Hermann Schneider, <hi rendition="#i">Geschichte der deutschen Dichtung. Nach ihren Epochen <lb n="pwe_142.040"/> dargestellt.</hi> I. Bonn 1949.</note>, der der Epochengrenze ausdrücklich <lb n="pwe_142.030"/> eine „entscheidende Rolle“ zuweist bei der Konzeption einer Literaturgeschichte, <lb n="pwe_142.031"/> die er mit literatureigenen Kategorien und Normen als <lb n="pwe_142.032"/> Geschichte künstlerischer „Potenzen“ gestaltet haben will. Den Epochenbeginn <lb n="pwe_142.033"/> charakterisiert er als den Beginn eines literarisch „Neuen“, soweit <lb n="pwe_142.034"/> dieses grundstürzend ist. Und es gibt das „Phänomen einer künstlerischen <lb n="pwe_142.035"/> Hochblüte“, „sie wächst heran, sie entkeimt und bereitet sich langsam, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0148]
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Historie als angewandte Typologie zu entwickeln, führt dann auch zur Annahme pwe_142.002
wiederkehrender Zyklen oder rhythmischer Wechsel (z. B. Klassik pwe_142.003
und Romantik), die die geschichtliche Realität vergewaltigt, indem sie pwe_142.004
deren gerichteten und einmaligen Charakter übersieht und aus der Geschichte pwe_142.005
das Spiel einer mechanisch auf- und zugehenden Handharmonika pwe_142.006
macht.
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Das normhafte Element macht sich vor allem verwirrend bemerkbar, pwe_142.008
sofern einzelne Epochen als „Blütezeiten“ oder „klassische“ Literaturepochen pwe_142.009
hervorgehoben werden. Gewiß ist auch Literarhistorie ohne Wertung pwe_142.010
nicht denkbar; aber weder ist das für eine Epoche typischste Werk (z. pwe_142.011
B. ein barockes Nürnberger Poem) ihr wertvollstes, noch genügt die Ordnung pwe_142.012
in Blütezeiten und Verfallzeiten zur Periodisierung. Auf dieser Verwechslung pwe_142.013
beruhen wieder Versuche zur mechanischen Rhythmisierung der pwe_142.014
Geschichte – von Hesiods absteigender Treppe der Weltalter bis zu Wil- pwe_142.015
helm Scherers Lehre von den Sechshundert-Jahr-Perioden von Blütezeit pwe_142.016
zu Blütezeit der deutschen Literaturgeschichte. Im Begriff „Klassik“ 1 pwe_142.017
verbinden sich Wertendes (etwa die „Blütezeit“ der „Staufischen Klassik“ pwe_142.018
in Hermann Schneiders Literaturgeschichte), Typologisches (Klassizismus) pwe_142.019
und rein Historisches (deutsche Klassik um 1800). Über die Rolle der pwe_142.020
„Kanonbildung“, d. h. über das Entstehen klassischer Geltung bestimmter pwe_142.021
Autoren oder Autorengruppen und ihre Bedeutung für die Literaturgeschichte pwe_142.022
wie für die Literaturhistorie handelt ein wichtiges Kapitel von pwe_142.023
Ernst Robert Curtius.
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Schon für eine einzelne Literatur wird die Abgrenzung eines Epochenbegriffs pwe_142.025
die Resultante aus verschiedenen Einzelgrenzen sein – ähnlich wie pwe_142.026
bei einer Sprachgrenze in der Dialektgeographie –, entsprechend dem pwe_142.027
schichtenhaften oder bündelartigen Charakter jedes Literaturverlaufs. pwe_142.028
Oft genug wird es sich dabei praktisch um Kompromisse handeln. pwe_142.029
Ein Beispiel bietet Hermann Schneider 2, der der Epochengrenze ausdrücklich pwe_142.030
eine „entscheidende Rolle“ zuweist bei der Konzeption einer Literaturgeschichte, pwe_142.031
die er mit literatureigenen Kategorien und Normen als pwe_142.032
Geschichte künstlerischer „Potenzen“ gestaltet haben will. Den Epochenbeginn pwe_142.033
charakterisiert er als den Beginn eines literarisch „Neuen“, soweit pwe_142.034
dieses grundstürzend ist. Und es gibt das „Phänomen einer künstlerischen pwe_142.035
Hochblüte“, „sie wächst heran, sie entkeimt und bereitet sich langsam,
1 pwe_142.036
Martin Turnell, The Classical Moment. London. 1947. – K. H. Halbach, Zu pwe_142.037
Begriff und Wesen des Klassik. (In: Festschrift für Paul Kluckhohn und Hermann pwe_142.038
Schneider, Tübingen 1948).
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Hermann Schneider, Geschichte der deutschen Dichtung. Nach ihren Epochen pwe_142.040
dargestellt. I. Bonn 1949.
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