Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_108.001 Im weitesten Horizont erscheint die Frage der Wertkriterien, wenn versucht pwe_108.006 Auch bei einer Wertung des Werks als solchen (organistic), also einer pwe_108.024 Leonhard Beriger geht bei seiner Untersuchung der literarkritischen pwe_108.027 1 pwe_108.040
Stephen C. Pepper, The Basis of Criticism in the Arts3. Cambridge, Mass. 1949. pwe_108.001 Im weitesten Horizont erscheint die Frage der Wertkriterien, wenn versucht pwe_108.006 Auch bei einer Wertung des Werks als solchen (organistic), also einer pwe_108.024 Leonhard Beriger geht bei seiner Untersuchung der literarkritischen pwe_108.027 1 pwe_108.040
Stephen C. Pepper, The Basis of Criticism in the Arts3. Cambridge, Mass. 1949. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0114" n="108"/><lb n="pwe_108.001"/> ein Werk in Erscheinung und Wesen ohne Wertklassierung zu beschreiben: <lb n="pwe_108.002"/> die Feststellung von Gattungscharakter, von Versbau und Rhythmus, <lb n="pwe_108.003"/> Bild- und Gedankensphäre mag vielleicht auf eine Wertung zielen, aber ist <lb n="pwe_108.004"/> ausdrücklich zunächst noch keine.</p> <lb n="pwe_108.005"/> <p> Im weitesten Horizont erscheint die Frage der Wertkriterien, wenn versucht <lb n="pwe_108.006"/> wird, sie auf dem Boden einer Ästhetik für alle Künste zu stellen, <lb n="pwe_108.007"/> im Sinn einer allgemeinen Kritik der ästhetischen Erfahrung. Besonders <lb n="pwe_108.008"/> dann, wenn das ästhetische Werturteil ganz empirisch als eine Kumulation <lb n="pwe_108.009"/> der Anwendungen grundsätzlich verschiedener Kriterien untersucht wird. So <lb n="pwe_108.010"/> unterscheidet <hi rendition="#k">Stephen C. Pepper</hi><note xml:id="PWE_108_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_108.040"/> Stephen C. Pepper, <hi rendition="#i">The Basis of Criticism in the Arts</hi><hi rendition="#sup">3</hi>. Cambridge, Mass. 1949.</note> vier verschiedene Arten, sich einem ästhetischen <lb n="pwe_108.011"/> Gegenstand zu nähern, die alle je auf eine „world hypothesis“, d. h. <lb n="pwe_108.012"/> eine Art, die Welt überhaupt zu begreifen, zurückgehen und zusammen <lb n="pwe_108.013"/> auch den ästhetischen Gegenstand einkreisen. <hi rendition="#k">Pepper</hi> unterscheidet so einen <lb n="pwe_108.014"/> mechanistic criticism (der den unmittelbaren Lustgewinn betrifft), einen <lb n="pwe_108.015"/> contextualistic criticism (der die konkrete Situation von Werk und Wirkung <lb n="pwe_108.016"/> im Auge hat, mit den Kriterien Intensität und Tiefe), einen organistic <lb n="pwe_108.017"/> criticism (der auf die Integration, die Ganzheit des Werks und der Einbildungskraft <lb n="pwe_108.018"/> sich richtet) und einen formistic criticism (der das Kunstwerk <lb n="pwe_108.019"/> als Verkörperung einer natürlichen Norm beurteilt). Aus dieser an sich fragwürdigen, <lb n="pwe_108.020"/> empirisch-eklektischen Zusammenstellung können uns im Rahmen <lb n="pwe_108.021"/> unseres Gedankengangs nur die Gesichtspunkte des zweiten und dritten <lb n="pwe_108.022"/> Criticism interessieren.</p> <lb n="pwe_108.023"/> <p> Auch bei einer Wertung des Werks als solchen (organistic), also einer <lb n="pwe_108.024"/> poetischen Wertung im engern Sinn, ist die Gefahr eines bloß additiven <lb n="pwe_108.025"/> Vorgehens groß.</p> <lb n="pwe_108.026"/> <p> <hi rendition="#k">Leonhard Beriger</hi> geht bei seiner Untersuchung der literarkritischen <lb n="pwe_108.027"/> Wertmaßstäbe davon aus, daß <hi rendition="#g">Deutung und Wertung</hi> untrennbar <lb n="pwe_108.028"/> seien, daß also alle Gesichtspunkte der Interpretation auch zum Wertkriterium <lb n="pwe_108.029"/> werden können; das Dichtwerk aber sieht er im Gegensatz zum Werk <lb n="pwe_108.030"/> der bildenden oder musikalischen Kunst als symbolische Einheit, d. h. eine <lb n="pwe_108.031"/> Einheit, die nicht nur „schön“, sondern auch „wahr“ sein will, d. h. im <lb n="pwe_108.032"/> „Gehalt“ (Gedanke, Weltanschauung, Idee) auf eine außerästhetische Wirklichkeit <lb n="pwe_108.033"/> weist. Auch wenn Berigers Untersuchungen auf eine einheitliche <lb n="pwe_108.034"/> systematische Grundlage – die ungefähr der <hi rendition="#k">Emil Ermatingers</hi> entspricht <lb n="pwe_108.035"/> – bezogen sein wollen, so unternehmen sie es doch, die Wertungsmöglichkeiten <lb n="pwe_108.036"/> fast ausschließlich vom Einzelaspekt aus zu untersuchen. So <lb n="pwe_108.037"/> erscheinen als <hi rendition="#g">ästhetische</hi> Gesichtspunkte die Stilaspekte von Stoff, <lb n="pwe_108.038"/> Sprache, Symbolik, Atmosphäre und Gattungsform (welch letzteres, wie <lb n="pwe_108.039"/> oben zu zeigen versucht wurde, am fragwürdigsten ist); als <hi rendition="#g">außerästhe- </hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0114]
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ein Werk in Erscheinung und Wesen ohne Wertklassierung zu beschreiben: pwe_108.002
die Feststellung von Gattungscharakter, von Versbau und Rhythmus, pwe_108.003
Bild- und Gedankensphäre mag vielleicht auf eine Wertung zielen, aber ist pwe_108.004
ausdrücklich zunächst noch keine.
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Im weitesten Horizont erscheint die Frage der Wertkriterien, wenn versucht pwe_108.006
wird, sie auf dem Boden einer Ästhetik für alle Künste zu stellen, pwe_108.007
im Sinn einer allgemeinen Kritik der ästhetischen Erfahrung. Besonders pwe_108.008
dann, wenn das ästhetische Werturteil ganz empirisch als eine Kumulation pwe_108.009
der Anwendungen grundsätzlich verschiedener Kriterien untersucht wird. So pwe_108.010
unterscheidet Stephen C. Pepper 1 vier verschiedene Arten, sich einem ästhetischen pwe_108.011
Gegenstand zu nähern, die alle je auf eine „world hypothesis“, d. h. pwe_108.012
eine Art, die Welt überhaupt zu begreifen, zurückgehen und zusammen pwe_108.013
auch den ästhetischen Gegenstand einkreisen. Pepper unterscheidet so einen pwe_108.014
mechanistic criticism (der den unmittelbaren Lustgewinn betrifft), einen pwe_108.015
contextualistic criticism (der die konkrete Situation von Werk und Wirkung pwe_108.016
im Auge hat, mit den Kriterien Intensität und Tiefe), einen organistic pwe_108.017
criticism (der auf die Integration, die Ganzheit des Werks und der Einbildungskraft pwe_108.018
sich richtet) und einen formistic criticism (der das Kunstwerk pwe_108.019
als Verkörperung einer natürlichen Norm beurteilt). Aus dieser an sich fragwürdigen, pwe_108.020
empirisch-eklektischen Zusammenstellung können uns im Rahmen pwe_108.021
unseres Gedankengangs nur die Gesichtspunkte des zweiten und dritten pwe_108.022
Criticism interessieren.
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Auch bei einer Wertung des Werks als solchen (organistic), also einer pwe_108.024
poetischen Wertung im engern Sinn, ist die Gefahr eines bloß additiven pwe_108.025
Vorgehens groß.
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Leonhard Beriger geht bei seiner Untersuchung der literarkritischen pwe_108.027
Wertmaßstäbe davon aus, daß Deutung und Wertung untrennbar pwe_108.028
seien, daß also alle Gesichtspunkte der Interpretation auch zum Wertkriterium pwe_108.029
werden können; das Dichtwerk aber sieht er im Gegensatz zum Werk pwe_108.030
der bildenden oder musikalischen Kunst als symbolische Einheit, d. h. eine pwe_108.031
Einheit, die nicht nur „schön“, sondern auch „wahr“ sein will, d. h. im pwe_108.032
„Gehalt“ (Gedanke, Weltanschauung, Idee) auf eine außerästhetische Wirklichkeit pwe_108.033
weist. Auch wenn Berigers Untersuchungen auf eine einheitliche pwe_108.034
systematische Grundlage – die ungefähr der Emil Ermatingers entspricht pwe_108.035
– bezogen sein wollen, so unternehmen sie es doch, die Wertungsmöglichkeiten pwe_108.036
fast ausschließlich vom Einzelaspekt aus zu untersuchen. So pwe_108.037
erscheinen als ästhetische Gesichtspunkte die Stilaspekte von Stoff, pwe_108.038
Sprache, Symbolik, Atmosphäre und Gattungsform (welch letzteres, wie pwe_108.039
oben zu zeigen versucht wurde, am fragwürdigsten ist); als außerästhe-
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Stephen C. Pepper, The Basis of Criticism in the Arts3. Cambridge, Mass. 1949.
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