Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903]. Die Geschwitz. Lulu, Lulu, ich gehe mit, wohin Du gehst! Schigolch. Wenn Sie Ihre Knochen auf Zinsen legen wollen, dann suchen Sie sich bitte Ihr eigenes Trottoir. Die Geschwitz. Lulu, ich gehe Dir nicht von der Seite! Ich habe Waffen bei mir. Schigolch. Verflucht noch mal! Gräfliche Gnaden legen es darauf an, mit unserem Speck zu fischen! Lulu. Ihr bringt mich um! Ich halte es hier nicht mehr aus! Die Geschwitz. Du brauchst nichts zu fürchten. Ich bin bei Dir! (Lulu mit der Gräfin Geschwitz durch die Mitte ab.) Schigolch. Sakerment, Sakerment, Sakerment! Alwa (wirft sich auf eine Chaiselongue). Ich glaube, ich habe vom Diesseits nicht mehr viel Gutes zu erwarten. Schigolch. Man hätte das Frauenzimmer an der Kehle zurückhalten müssen. Sie vertreibt alles, was Odem hat, mit ihrem aristokratischen Totenschädel. Alwa. Sie hat mich aufs Krankenlager geworfen und mich von außen und innen mit Dornen gespickt! Schigolch. Dafür hat sie allerdings auch genug Courage für zehn Mannsleute im Leib. Alwa. Keinen Verwundeten wird der Gnadenstoß jemals dankbarer finden als mich! Schigolch. Wenn sie den Springfritzen nicht nach dem Quai de la Gare gelockt hätte, dann hätten wir ihn heute noch auf dem Hals. Alwa. Ich sehe ihn über meinem Haupte schweben, wie Tantalus den Zweig mit goldenen Äpfeln. (Pause) Schigolch (auf seiner Matraze). Willst Du die Lampe nicht ein wenig hinaufschrauben? Die Geſchwitz. Lulu, Lulu, ich gehe mit, wohin Du gehſt! Schigolch. Wenn Sie Ihre Knochen auf Zinſen legen wollen, dann ſuchen Sie ſich bitte Ihr eigenes Trottoir. Die Geſchwitz. Lulu, ich gehe Dir nicht von der Seite! Ich habe Waffen bei mir. Schigolch. Verflucht noch mal! Gräfliche Gnaden legen es darauf an, mit unſerem Speck zu fiſchen! Lulu. Ihr bringt mich um! Ich halte es hier nicht mehr aus! Die Geſchwitz. Du brauchſt nichts zu fürchten. Ich bin bei Dir! (Lulu mit der Gräfin Geſchwitz durch die Mitte ab.) Schigolch. Sakerment, Sakerment, Sakerment! Alwa (wirft ſich auf eine Chaiſelongue). Ich glaube, ich habe vom Diesſeits nicht mehr viel Gutes zu erwarten. Schigolch. Man hätte das Frauenzimmer an der Kehle zurückhalten müſſen. Sie vertreibt alles, was Odem hat, mit ihrem ariſtokratiſchen Totenſchädel. Alwa. Sie hat mich aufs Krankenlager geworfen und mich von außen und innen mit Dornen geſpickt! Schigolch. Dafür hat ſie allerdings auch genug Courage für zehn Mannsleute im Leib. Alwa. Keinen Verwundeten wird der Gnadenſtoß jemals dankbarer finden als mich! Schigolch. Wenn ſie den Springfritzen nicht nach dem Quai de la Gare gelockt hätte, dann hätten wir ihn heute noch auf dem Hals. Alwa. Ich ſehe ihn über meinem Haupte ſchweben, wie Tantalus den Zweig mit goldenen Äpfeln. (Pauſe) Schigolch (auf ſeiner Matraze). Willſt Du die Lampe nicht ein wenig hinaufſchrauben? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0083" n="75"/> <sp who="#GES"> <speaker><hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi>.</speaker> <p>Lulu, Lulu, ich gehe mit, wohin<lb/> Du gehſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#g">Schigolch</hi>.</speaker> <p>Wenn Sie Ihre Knochen auf Zinſen<lb/> legen wollen, dann ſuchen Sie ſich bitte Ihr eigenes<lb/> Trottoir.</p> </sp><lb/> <sp who="#GES"> <speaker><hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi>.</speaker> <p>Lulu, ich gehe Dir nicht von der<lb/> Seite! Ich habe Waffen bei mir.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#g">Schigolch</hi>.</speaker> <p>Verflucht noch mal! Gräfliche Gnaden<lb/> legen es darauf an, mit unſerem Speck zu fiſchen!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Ihr bringt mich um! Ich halte es hier nicht<lb/> mehr aus!</p> </sp><lb/> <sp who="#GES"> <speaker><hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi>.</speaker> <p>Du brauchſt nichts zu fürchten. Ich<lb/> bin bei Dir!</p> <stage>(Lulu mit der Gräfin Geſchwitz durch die Mitte ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#g">Schigolch</hi>.</speaker> <p>Sakerment, Sakerment, Sakerment!</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker> <hi rendition="#g">Alwa</hi> </speaker> <stage>(wirft ſich auf eine Chaiſelongue).</stage> <p>Ich glaube, ich<lb/> habe vom Diesſeits nicht mehr viel Gutes zu erwarten.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#g">Schigolch</hi>.</speaker> <p>Man hätte das Frauenzimmer an der<lb/> Kehle zurückhalten müſſen. Sie vertreibt alles, was Odem<lb/> hat, mit ihrem ariſtokratiſchen Totenſchädel.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Sie hat mich aufs Krankenlager geworfen<lb/> und mich von außen und innen mit Dornen geſpickt!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#g">Schigolch</hi>.</speaker> <p>Dafür hat ſie allerdings auch genug<lb/> Courage für zehn Mannsleute im Leib.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Keinen Verwundeten wird der Gnadenſtoß<lb/> jemals dankbarer finden als mich!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#g">Schigolch</hi>.</speaker> <p>Wenn ſie den Springfritzen nicht nach<lb/> dem <hi rendition="#aq">Quai de la Gare</hi> gelockt hätte, dann hätten wir<lb/> ihn heute noch auf dem Hals.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Ich ſehe ihn über meinem Haupte ſchweben,<lb/> wie Tantalus den Zweig mit goldenen Äpfeln.</p><lb/> <stage>(Pauſe)</stage> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#g">Schigolch</hi> </speaker> <stage>(auf ſeiner Matraze).</stage> <p>Willſt Du die Lampe<lb/> nicht ein wenig hinaufſchrauben?</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [75/0083]
Die Geſchwitz. Lulu, Lulu, ich gehe mit, wohin
Du gehſt!
Schigolch. Wenn Sie Ihre Knochen auf Zinſen
legen wollen, dann ſuchen Sie ſich bitte Ihr eigenes
Trottoir.
Die Geſchwitz. Lulu, ich gehe Dir nicht von der
Seite! Ich habe Waffen bei mir.
Schigolch. Verflucht noch mal! Gräfliche Gnaden
legen es darauf an, mit unſerem Speck zu fiſchen!
Lulu. Ihr bringt mich um! Ich halte es hier nicht
mehr aus!
Die Geſchwitz. Du brauchſt nichts zu fürchten. Ich
bin bei Dir! (Lulu mit der Gräfin Geſchwitz durch die Mitte ab.)
Schigolch. Sakerment, Sakerment, Sakerment!
Alwa (wirft ſich auf eine Chaiſelongue). Ich glaube, ich
habe vom Diesſeits nicht mehr viel Gutes zu erwarten.
Schigolch. Man hätte das Frauenzimmer an der
Kehle zurückhalten müſſen. Sie vertreibt alles, was Odem
hat, mit ihrem ariſtokratiſchen Totenſchädel.
Alwa. Sie hat mich aufs Krankenlager geworfen
und mich von außen und innen mit Dornen geſpickt!
Schigolch. Dafür hat ſie allerdings auch genug
Courage für zehn Mannsleute im Leib.
Alwa. Keinen Verwundeten wird der Gnadenſtoß
jemals dankbarer finden als mich!
Schigolch. Wenn ſie den Springfritzen nicht nach
dem Quai de la Gare gelockt hätte, dann hätten wir
ihn heute noch auf dem Hals.
Alwa. Ich ſehe ihn über meinem Haupte ſchweben,
wie Tantalus den Zweig mit goldenen Äpfeln.
(Pauſe)
Schigolch (auf ſeiner Matraze). Willſt Du die Lampe
nicht ein wenig hinaufſchrauben?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeBei dieser Ausgabe handelt es sich um die erste s… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |