Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903]. Schigolch. Sie ist Münchnerin. In ihrer Jugend war sie die Frau des Königs von Neapel. Sie sagt mir jeden Tag, daß sie früher einmal sehr hübsch ge- wesen sei. Lulu. Braucht sie die fünfhundert Francs sehr nötig? Schigolch. Elle veut se mettre dans ses meubles. Solche Summen spielen doch bei Dir keine Rolle. Lulu (in einen Sessel zusammenbrechend). O Du allmäch- tiger Gott! Schigolch. Nun? -- Was gibt es denn wieder? Lulu (schluchzt krampfhaft). Es ist zu grauenhaft! Schigolch. Hm -- Du übernimmst Dich, mein Kind. -- Du mußt Dich zuweilen mit einem Roman zu Bett legen. -- Weine nur; weine Dich nur recht aus. -- So hat es Dich auch schon vor fünfzehn Jahren geschüttelt. Es hat seitdem kein Mensch mehr so ge- schrien, wie Du damals hast schreien können. -- Da- mals trugst Du noch keinen weißen Federbusch auf dem Kopf und hattest auch keine durchlöcherten Strümpfe an Deinen Beinen. Du hattest weder Stiefel noch Strümpfe daran. Lulu. Nimm mich mit Dir nach Haus! Nimm mich diese Nacht mit zu Dir an den Quai de la Gare! Ich bitte Dich! Wir finden unten Wagen genug! Schigolch. Ich nehme Dich mit; ich nehme Dich mit. -- Was gibt es denn? Lulu. Es geht um meinen Hals! Man zeigt mich an! Schigolch. Wer? -- Wer zeigt Dich an? Lulu. Der Springfritze. Schigolch. Dem besorg' ich es! Lulu. Besorg' es ihm! Ich bitte Dich, besorg' es ihm! Dann thu mit mir, was Du willst. Schigolch. Sie iſt Münchnerin. In ihrer Jugend war ſie die Frau des Königs von Neapel. Sie ſagt mir jeden Tag, daß ſie früher einmal ſehr hübſch ge- weſen ſei. Lulu. Braucht ſie die fünfhundert Francs ſehr nötig? Schigolch. Elle veut se mettre dans ses meubles. Solche Summen ſpielen doch bei Dir keine Rolle. Lulu (in einen Seſſel zuſammenbrechend). O Du allmäch- tiger Gott! Schigolch. Nun? — Was gibt es denn wieder? Lulu (ſchluchzt krampfhaft). Es iſt zu grauenhaft! Schigolch. Hm — Du übernimmſt Dich, mein Kind. — Du mußt Dich zuweilen mit einem Roman zu Bett legen. — Weine nur; weine Dich nur recht aus. — So hat es Dich auch ſchon vor fünfzehn Jahren geſchüttelt. Es hat ſeitdem kein Menſch mehr ſo ge- ſchrien, wie Du damals haſt ſchreien können. — Da- mals trugſt Du noch keinen weißen Federbuſch auf dem Kopf und hatteſt auch keine durchlöcherten Strümpfe an Deinen Beinen. Du hatteſt weder Stiefel noch Strümpfe daran. Lulu. Nimm mich mit Dir nach Haus! Nimm mich dieſe Nacht mit zu Dir an den Quai de la Gare! Ich bitte Dich! Wir finden unten Wagen genug! Schigolch. Ich nehme Dich mit; ich nehme Dich mit. — Was gibt es denn? Lulu. Es geht um meinen Hals! Man zeigt mich an! Schigolch. Wer? — Wer zeigt Dich an? Lulu. Der Springfritze. Schigolch. Dem beſorg’ ich es! Lulu. Beſorg’ es ihm! Ich bitte Dich, beſorg’ es ihm! 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Solche Summen ſpielen doch bei Dir keine Rolle.
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tiger Gott!
Schigolch. Nun? — Was gibt es denn wieder?
Lulu (ſchluchzt krampfhaft). Es iſt zu grauenhaft!
Schigolch. Hm — Du übernimmſt Dich, mein
Kind. — Du mußt Dich zuweilen mit einem Roman
zu Bett legen. — Weine nur; weine Dich nur recht
aus. — So hat es Dich auch ſchon vor fünfzehn Jahren
geſchüttelt. Es hat ſeitdem kein Menſch mehr ſo ge-
ſchrien, wie Du damals haſt ſchreien können. — Da-
mals trugſt Du noch keinen weißen Federbuſch auf dem
Kopf und hatteſt auch keine durchlöcherten Strümpfe an
Deinen Beinen. Du hatteſt weder Stiefel noch Strümpfe
daran.
Lulu. Nimm mich mit Dir nach Haus! Nimm
mich dieſe Nacht mit zu Dir an den Quai de la Gare!
Ich bitte Dich! Wir finden unten Wagen genug!
Schigolch. Ich nehme Dich mit; ich nehme Dich
mit. — Was gibt es denn?
Lulu. Es geht um meinen Hals! Man zeigt
mich an!
Schigolch. Wer? — Wer zeigt Dich an?
Lulu. Der Springfritze.
Schigolch. Dem beſorg’ ich es!
Lulu. Beſorg’ es ihm! Ich bitte Dich, beſorg’ es
ihm! Dann thu mit mir, was Du willſt.
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