Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].
Dich noch Eins in Betracht. Bei Oikonomopulos in Kairo bist Du vor Deinen Henkern sicherer, als wenn Du Dich in einen kanadischen Urwald verkriechst. Man überführt so leicht keine ägyptische Courtisane in ein deutsches Gefängnis, erstens schon aus Sparsamkeits- rücksichten und zweitens aus Furcht, man könnte dadurch der ewigen Gerechtigkeit zunahetreten. Lulu. Was schert mich Eure ewige Gerechtigkeit! Du kannst Dir an Deinen fünf Fingern abzählen, daß ich mich nicht in ein solches Vergnügungslokal sperren lasse. Casti Piani. Dann erlaubst Du, daß ich den Polizisten heraufpfeife. Lulu. Warum bittest Du mich nicht einfach um fünfzehnhundert Francs, wenn Du das Geld nötig hast? Casti Piani. Ich habe gar kein Geld nötig! -- Übrigens bitte ich Dich deshalb nicht darum, weil Du auf dem Trocknen bist. Lulu. Wir haben noch dreißigtausend Mark. Casti Piani. In Jungfrau-Aktien! Ich habe mich nie mit Aktien abgegeben. Der Staatsanwalt bezahlt in deutscher Reichswährung und Oikonomopulos zahlt in englischem Gold. Du kannst morgen früh in Marseilles sein. Die Mittelmeerfahrt dauert nicht viel mehr als fünf Tage. In spätestens vierzehn Tagen bist Du in Sicherheit. Hier in Paris stehst Du dem Gefängnis näher als irgendwo. Es ist ein Wunder, das ich als Polizeiorgan nicht fasse, daß Ihr hier ein volles Jahr unbehelligt habt leben können. Aber so gut wie ich Euren Antecedentien auf die Spur kam, kann bei Deinem starken Verbrauch an Männern jeden Tag einer meiner Kollegen die glückliche Entdeckung machen. Dann darf ich mir den Mund wischen und Du verbringst Deine genußfähigsten Lebensjahre in der Einsamkeit. Willst Du
Dich noch Eins in Betracht. Bei Oikonomopulos in Kairo biſt Du vor Deinen Henkern ſicherer, als wenn Du Dich in einen kanadiſchen Urwald verkriechſt. Man überführt ſo leicht keine ägyptiſche Courtiſane in ein deutſches Gefängnis, erſtens ſchon aus Sparſamkeits- rückſichten und zweitens aus Furcht, man könnte dadurch der ewigen Gerechtigkeit zunahetreten. Lulu. Was ſchert mich Eure ewige Gerechtigkeit! Du kannſt Dir an Deinen fünf Fingern abzählen, daß ich mich nicht in ein ſolches Vergnügungslokal ſperren laſſe. Caſti Piani. Dann erlaubſt Du, daß ich den Poliziſten heraufpfeife. Lulu. Warum bitteſt Du mich nicht einfach um fünfzehnhundert Francs, wenn Du das Geld nötig haſt? Caſti Piani. Ich habe gar kein Geld nötig! — Übrigens bitte ich Dich deshalb nicht darum, weil Du auf dem Trocknen biſt. Lulu. Wir haben noch dreißigtauſend Mark. Caſti Piani. In Jungfrau-Aktien! Ich habe mich nie mit Aktien abgegeben. Der Staatsanwalt bezahlt in deutſcher Reichswährung und Oikonomopulos zahlt in engliſchem Gold. Du kannſt morgen früh in Marſeilles ſein. Die Mittelmeerfahrt dauert nicht viel mehr als fünf Tage. In ſpäteſtens vierzehn Tagen biſt Du in Sicherheit. Hier in Paris ſtehſt Du dem Gefängnis näher als irgendwo. Es iſt ein Wunder, das ich als Polizeiorgan nicht faſſe, daß Ihr hier ein volles Jahr unbehelligt habt leben können. Aber ſo gut wie ich Euren Antecedentien auf die Spur kam, kann bei Deinem ſtarken Verbrauch an Männern jeden Tag einer meiner Kollegen die glückliche Entdeckung machen. Dann darf ich mir den Mund wiſchen und Du verbringſt Deine genußfähigſten Lebensjahre in der Einſamkeit. Willſt Du <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#PIA"> <p><pb facs="#f0046" n="38"/> Dich noch Eins in Betracht. Bei Oikonomopulos in<lb/> Kairo biſt Du vor Deinen Henkern ſicherer, als wenn<lb/> Du Dich in einen kanadiſchen Urwald verkriechſt. Man<lb/> überführt ſo leicht keine ägyptiſche Courtiſane in ein<lb/> deutſches Gefängnis, erſtens ſchon aus Sparſamkeits-<lb/> rückſichten und zweitens aus Furcht, man könnte dadurch<lb/> der ewigen Gerechtigkeit zunahetreten.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Was ſchert mich Eure ewige Gerechtigkeit!<lb/> Du kannſt Dir an Deinen fünf Fingern abzählen, daß<lb/> ich mich nicht in ein ſolches Vergnügungslokal ſperren laſſe.</p> </sp><lb/> <sp who="#PIA"> <speaker><hi rendition="#g">Caſti Piani</hi>.</speaker> <p>Dann erlaubſt Du, daß ich den<lb/> Poliziſten heraufpfeife.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Warum bitteſt Du mich nicht einfach um<lb/> fünfzehnhundert Francs, wenn Du das Geld nötig haſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#PIA"> <speaker><hi rendition="#g">Caſti Piani</hi>.</speaker> <p>Ich habe gar kein Geld nötig! —<lb/> Übrigens bitte ich Dich deshalb nicht darum, weil Du<lb/> auf dem Trocknen biſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Wir haben noch dreißigtauſend Mark.</p> </sp><lb/> <sp who="#PIA"> <speaker><hi rendition="#g">Caſti Piani</hi>.</speaker> <p>In Jungfrau-Aktien! Ich habe mich<lb/> nie mit Aktien abgegeben. Der Staatsanwalt bezahlt<lb/> in deutſcher Reichswährung und Oikonomopulos zahlt in<lb/> engliſchem Gold. Du kannſt morgen früh in Marſeilles<lb/> ſein. Die Mittelmeerfahrt dauert nicht viel mehr als<lb/> fünf Tage. In ſpäteſtens vierzehn Tagen biſt Du in<lb/> Sicherheit. Hier in Paris ſtehſt Du dem Gefängnis<lb/> näher als irgendwo. Es iſt ein Wunder, das ich als<lb/> Polizeiorgan nicht faſſe, daß Ihr hier ein volles Jahr<lb/> unbehelligt habt leben können. Aber ſo gut wie ich<lb/> Euren Antecedentien auf die Spur kam, kann bei Deinem<lb/> ſtarken Verbrauch an Männern jeden Tag einer meiner<lb/> Kollegen die glückliche Entdeckung machen. Dann darf<lb/> ich mir den Mund wiſchen und Du verbringſt Deine<lb/> genußfähigſten Lebensjahre in der Einſamkeit. Willſt Du<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [38/0046]
Dich noch Eins in Betracht. Bei Oikonomopulos in
Kairo biſt Du vor Deinen Henkern ſicherer, als wenn
Du Dich in einen kanadiſchen Urwald verkriechſt. Man
überführt ſo leicht keine ägyptiſche Courtiſane in ein
deutſches Gefängnis, erſtens ſchon aus Sparſamkeits-
rückſichten und zweitens aus Furcht, man könnte dadurch
der ewigen Gerechtigkeit zunahetreten.
Lulu. Was ſchert mich Eure ewige Gerechtigkeit!
Du kannſt Dir an Deinen fünf Fingern abzählen, daß
ich mich nicht in ein ſolches Vergnügungslokal ſperren laſſe.
Caſti Piani. Dann erlaubſt Du, daß ich den
Poliziſten heraufpfeife.
Lulu. Warum bitteſt Du mich nicht einfach um
fünfzehnhundert Francs, wenn Du das Geld nötig haſt?
Caſti Piani. Ich habe gar kein Geld nötig! —
Übrigens bitte ich Dich deshalb nicht darum, weil Du
auf dem Trocknen biſt.
Lulu. Wir haben noch dreißigtauſend Mark.
Caſti Piani. In Jungfrau-Aktien! Ich habe mich
nie mit Aktien abgegeben. Der Staatsanwalt bezahlt
in deutſcher Reichswährung und Oikonomopulos zahlt in
engliſchem Gold. Du kannſt morgen früh in Marſeilles
ſein. Die Mittelmeerfahrt dauert nicht viel mehr als
fünf Tage. In ſpäteſtens vierzehn Tagen biſt Du in
Sicherheit. Hier in Paris ſtehſt Du dem Gefängnis
näher als irgendwo. Es iſt ein Wunder, das ich als
Polizeiorgan nicht faſſe, daß Ihr hier ein volles Jahr
unbehelligt habt leben können. Aber ſo gut wie ich
Euren Antecedentien auf die Spur kam, kann bei Deinem
ſtarken Verbrauch an Männern jeden Tag einer meiner
Kollegen die glückliche Entdeckung machen. Dann darf
ich mir den Mund wiſchen und Du verbringſt Deine
genußfähigſten Lebensjahre in der Einſamkeit. Willſt Du
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Zitationshilfe: | Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/46>, abgerufen am 22.07.2024. |