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Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].

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Rodrigo. Behüte mich der Himmel davor, daß
ich mein Lebensglück auf Ihre Geschmacksrichtungen
gründe! Wenn ihr die Krankheit ebensogut angeschlagen
hat, wie Ihnen, dann bin ich pleite! Sie verlassen die
Isolierbaracke, wie eine verunglückte Kautschukdame, die
sich aufs Kunsthungern geworfen hat. Sie können sich
kaum mehr die Nase schneuzen. Erst brauchen Sie eine
Viertelstunde, um Ihre Finger zu sortieren, und dann
bedarf es der größten Vorsicht, damit Sie die Spitze
nicht abbrechen.
Die Geschwitz. Was uns unter die Erde bringt,
gibt ihr Kraft und Gesundheit wieder.
Rodrigo. Das ist alles schön und gut. Ich werde
aber doch vermutlich heute abend noch nicht mitfahren.
Die Geschwitz. Sie wollen Ihre Braut am
Ende gar allein reisen lassen?
Rodrigo. Erstens fährt doch der Alte mit, um
sie im Ernstfalle zu verteidigen. Meine Begleitung kann
sie nur verdächtigen. Und zweitens muß ich hier noch
abwarten, bis meine Kostüme fertig sind. -- Ich komme
immer noch früh genug nach Paris. Hoffentlich legt
sie sich derweil auch noch etwas Embonpoint zu. Dann
wird geheiratet, vorausgesetzt, daß ich sie vor einem an-
ständigen Publikum produzieren kann. Ich liebe an einer
Frau das Praktische; welche Theorien sich die Weiber
machen, ist mir vollkommen egal. Ihnen nicht auch,
Herr Doktor?
Alwa. Ich habe nicht gehört, was Sie sagten.
Rodrigo: Ich hätte meine Person gar nicht in
das Komplott verwickelt, wenn sie mir nicht vor ihrer
Verurteilung schon immer die Plautze gekitzelt hätte.
Wenn sie sich in Paris nur nicht gleich wieder zu viel
Bewegung macht! Wenn ich nicht in die "Follies Berger"
Rodrigo. Behüte mich der Himmel davor, daß
ich mein Lebensglück auf Ihre Geſchmacksrichtungen
gründe! Wenn ihr die Krankheit ebenſogut angeſchlagen
hat, wie Ihnen, dann bin ich pleite! Sie verlaſſen die
Iſolierbaracke, wie eine verunglückte Kautſchukdame, die
ſich aufs Kunſthungern geworfen hat. Sie können ſich
kaum mehr die Naſe ſchneuzen. Erſt brauchen Sie eine
Viertelſtunde, um Ihre Finger zu ſortieren, und dann
bedarf es der größten Vorſicht, damit Sie die Spitze
nicht abbrechen.
Die Geſchwitz. Was uns unter die Erde bringt,
gibt ihr Kraft und Geſundheit wieder.
Rodrigo. Das iſt alles ſchön und gut. Ich werde
aber doch vermutlich heute abend noch nicht mitfahren.
Die Geſchwitz. Sie wollen Ihre Braut am
Ende gar allein reiſen laſſen?
Rodrigo. Erſtens fährt doch der Alte mit, um
ſie im Ernſtfalle zu verteidigen. Meine Begleitung kann
ſie nur verdächtigen. Und zweitens muß ich hier noch
abwarten, bis meine Koſtüme fertig ſind. — Ich komme
immer noch früh genug nach Paris. Hoffentlich legt
ſie ſich derweil auch noch etwas Embonpoint zu. Dann
wird geheiratet, vorausgeſetzt, daß ich ſie vor einem an-
ſtändigen Publikum produzieren kann. Ich liebe an einer
Frau das Praktiſche; welche Theorien ſich die Weiber
machen, iſt mir vollkommen egal. Ihnen nicht auch,
Herr Doktor?
Alwa. Ich habe nicht gehört, was Sie ſagten.
Rodrigo: Ich hätte meine Perſon gar nicht in
das Komplott verwickelt, wenn ſie mir nicht vor ihrer
Verurteilung ſchon immer die Plautze gekitzelt hätte.
Wenn ſie ſich in Paris nur nicht gleich wieder zu viel
Bewegung macht! Wenn ich nicht in die „Follies Berger“
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[6/0014] Rodrigo. Behüte mich der Himmel davor, daß ich mein Lebensglück auf Ihre Geſchmacksrichtungen gründe! Wenn ihr die Krankheit ebenſogut angeſchlagen hat, wie Ihnen, dann bin ich pleite! Sie verlaſſen die Iſolierbaracke, wie eine verunglückte Kautſchukdame, die ſich aufs Kunſthungern geworfen hat. Sie können ſich kaum mehr die Naſe ſchneuzen. Erſt brauchen Sie eine Viertelſtunde, um Ihre Finger zu ſortieren, und dann bedarf es der größten Vorſicht, damit Sie die Spitze nicht abbrechen. Die Geſchwitz. Was uns unter die Erde bringt, gibt ihr Kraft und Geſundheit wieder. Rodrigo. Das iſt alles ſchön und gut. Ich werde aber doch vermutlich heute abend noch nicht mitfahren. Die Geſchwitz. Sie wollen Ihre Braut am Ende gar allein reiſen laſſen? Rodrigo. Erſtens fährt doch der Alte mit, um ſie im Ernſtfalle zu verteidigen. Meine Begleitung kann ſie nur verdächtigen. Und zweitens muß ich hier noch abwarten, bis meine Koſtüme fertig ſind. — Ich komme immer noch früh genug nach Paris. Hoffentlich legt ſie ſich derweil auch noch etwas Embonpoint zu. Dann wird geheiratet, vorausgeſetzt, daß ich ſie vor einem an- ſtändigen Publikum produzieren kann. Ich liebe an einer Frau das Praktiſche; welche Theorien ſich die Weiber machen, iſt mir vollkommen egal. Ihnen nicht auch, Herr Doktor? Alwa. Ich habe nicht gehört, was Sie ſagten. Rodrigo: Ich hätte meine Perſon gar nicht in das Komplott verwickelt, wenn ſie mir nicht vor ihrer Verurteilung ſchon immer die Plautze gekitzelt hätte. Wenn ſie ſich in Paris nur nicht gleich wieder zu viel Bewegung macht! Wenn ich nicht in die „Follies Berger“

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/14>, abgerufen am 24.11.2024.