Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891. Robert. Ich habe ja den Strick in Händen gehabt. -- Ich habe noch keinen Erhängten gesehen, den man nicht zugedeckt hätte. Georg. Auf gemeinere Art hätte er sich nicht empfehlen können! Hänschen Rilow. Was Teufel, das Erhängen soll ganz hübsch sein! Otto. Mir ist er nämlich noch fünf Mark schuldig. Wir hatten gewettet. Er schwor, er werde sich halten. Hänschen Rilow. Du bist schuld, daß er daliegt. Du hast ihn Prahlhans genannt. Otto. Paperlapap, ich muß auch büffeln die Nächte durch. Hätte er die griechische Literaturgeschichte gelernt, er hätte sich nicht zu erhängen brauchen! Ernst. Hast du den Aufsatz, Otto? Otto. Erst die Einleitung. Ernst. Ich weiß gar nicht, was schreiben. Georg. Warst du denn nicht da, als uns Affenschmalz die Disposition gab? Hänschen Rilow. Ich stopsle mir was aus dem Demokrit zusammen. Ernst. Ich will sehen, ob sich im kleinen Meyer was finden läßt. Otto. Hast du den Vergil schon auf morgen? -- -- -- -- -- (Die Gymnasiasten ab. -- Martha und Ilse kommen an's Grab.) Ilse. Rasch, rasch! -- Dort hinten kommen die Todten- gräber. Martha. Wollen wir nicht lieber warten, Ilse? Robert. Ich habe ja den Strick in Händen gehabt. — Ich habe noch keinen Erhängten geſehen, den man nicht zugedeckt hätte. Georg. Auf gemeinere Art hätte er ſich nicht empfehlen können! Hänschen Rilow. Was Teufel, das Erhängen ſoll ganz hübſch ſein! Otto. Mir iſt er nämlich noch fünf Mark ſchuldig. Wir hatten gewettet. Er ſchwor, er werde ſich halten. Hänschen Rilow. Du biſt ſchuld, daß er daliegt. Du haſt ihn Prahlhans genannt. Otto. Paperlapap, ich muß auch büffeln die Nächte durch. Hätte er die griechiſche Literaturgeſchichte gelernt, er hätte ſich nicht zu erhängen brauchen! Ernſt. Haſt du den Aufſatz, Otto? Otto. Erſt die Einleitung. Ernſt. Ich weiß gar nicht, was ſchreiben. Georg. Warſt du denn nicht da, als uns Affenſchmalz die Dispoſition gab? Hänschen Rilow. Ich ſtopſle mir was aus dem Demokrit zuſammen. Ernſt. Ich will ſehen, ob ſich im kleinen Meyer was finden läßt. Otto. Haſt du den Vergil ſchon auf morgen? — — — — — (Die Gymnaſiaſten ab. — Martha und Ilſe kommen an's Grab.) Ilſe. Raſch, raſch! — Dort hinten kommen die Todten- gräber. Martha. Wollen wir nicht lieber warten, Ilſe? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" n="60"/> <sp who="#ROB"> <speaker><hi rendition="#g">Robert</hi>.</speaker> <p>Ich habe ja den Strick in Händen gehabt. —<lb/> Ich habe noch keinen Erhängten geſehen, den man nicht zugedeckt<lb/> hätte.</p> </sp><lb/> <sp who="#GEO"> <speaker><hi rendition="#g">Georg</hi>.</speaker> <p>Auf gemeinere Art hätte er ſich nicht empfehlen<lb/> können!</p> </sp><lb/> <sp who="#HAN"> <speaker><hi rendition="#g">Hänschen Rilow</hi>.</speaker> <p>Was Teufel, das Erhängen ſoll ganz<lb/> hübſch ſein!</p> </sp><lb/> <sp who="#OTT"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker> <p>Mir iſt er nämlich noch fünf Mark ſchuldig. Wir<lb/> hatten gewettet. Er ſchwor, er werde ſich halten.</p> </sp><lb/> <sp who="#HAN"> <speaker><hi rendition="#g">Hänschen Rilow</hi>.</speaker> <p>Du biſt ſchuld, daß er daliegt. Du<lb/> haſt ihn Prahlhans genannt.</p> </sp><lb/> <sp who="#OTT"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker> <p>Paperlapap, ich muß auch büffeln die Nächte durch.<lb/> Hätte er die griechiſche Literaturgeſchichte gelernt, er hätte ſich<lb/> nicht zu erhängen brauchen!</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Ernſt</hi>.</speaker> <p>Haſt du den Aufſatz, Otto?</p> </sp><lb/> <sp who="#OTT"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker> <p>Erſt die Einleitung.</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Ernſt</hi>.</speaker> <p>Ich weiß gar nicht, was ſchreiben.</p> </sp><lb/> <sp who="#GEO"> <speaker><hi rendition="#g">Georg</hi>.</speaker> <p>Warſt du denn nicht da, als uns Affenſchmalz<lb/> die Dispoſition gab?</p> </sp><lb/> <sp who="#HAN"> <speaker><hi rendition="#g">Hänschen Rilow</hi>.</speaker> <p>Ich ſtopſle mir was aus dem<lb/><hi rendition="#g">Demokrit</hi> zuſammen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Ernſt</hi>.</speaker> <p>Ich will ſehen, ob ſich im <hi rendition="#g">kleinen Meyer</hi> was<lb/> finden läßt.</p> </sp><lb/> <sp who="#OTT"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker> <p>Haſt du den Vergil ſchon auf morgen? — —<lb/> — — —</p><lb/> <stage>(Die Gymnaſiaſten ab. — Martha und Ilſe kommen an's Grab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ILS"> <speaker><hi rendition="#g">Ilſe</hi>.</speaker> <p>Raſch, raſch! — Dort hinten kommen die Todten-<lb/> gräber.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Martha</hi>.</speaker> <p>Wollen wir nicht lieber warten, Ilſe?</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0076]
Robert. Ich habe ja den Strick in Händen gehabt. —
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hätte.
Georg. Auf gemeinere Art hätte er ſich nicht empfehlen
können!
Hänschen Rilow. Was Teufel, das Erhängen ſoll ganz
hübſch ſein!
Otto. Mir iſt er nämlich noch fünf Mark ſchuldig. Wir
hatten gewettet. Er ſchwor, er werde ſich halten.
Hänschen Rilow. Du biſt ſchuld, daß er daliegt. Du
haſt ihn Prahlhans genannt.
Otto. Paperlapap, ich muß auch büffeln die Nächte durch.
Hätte er die griechiſche Literaturgeſchichte gelernt, er hätte ſich
nicht zu erhängen brauchen!
Ernſt. Haſt du den Aufſatz, Otto?
Otto. Erſt die Einleitung.
Ernſt. Ich weiß gar nicht, was ſchreiben.
Georg. Warſt du denn nicht da, als uns Affenſchmalz
die Dispoſition gab?
Hänschen Rilow. Ich ſtopſle mir was aus dem
Demokrit zuſammen.
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Ilſe. Raſch, raſch! — Dort hinten kommen die Todten-
gräber.
Martha. Wollen wir nicht lieber warten, Ilſe?
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Zitationshilfe: | Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/76>, abgerufen am 28.07.2024. |