Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
einen wie den andern und möchte mich an sonst niemand hängen,
und wenn die Welt voll Erzengel und Millionäre wär'!
Moritz. -- Ich muß zurück, Ilse.
Ilse. Komm' bis an unser Haus mit!
Moritz. -- Wozu? -- Wozu? --
Ilse. Kuhwarme Ziegenmilch trinken! -- Ich will dir
Locken brennen und dir ein Glöcklein um den Hals hängen. --
Wir haben auch noch ein Hü-Pferdchen, mit dem du spielen kannst.
Moritz. Ich muß zurück. -- Ich habe noch die Sassa-
niden, die Bergpredigt und das Parallelepipedon auf dem Ge-
wissen. -- Gute Nacht, Ilse!
Ilse. Schlumm're sanft! ... Geht ihr wohl noch zum
Wigwam hinunter, wo Melchi Gabor mein Tomahawk
begrub? -- Brrr! Bis es an euch kommt, lieg' ich im Kehricht.

(Eilt davon.)
Moritz (allein). -- -- -- Ein Wort hätte es gekostet.
-- -- Ilse! -- Ilse! -- -- Gottlob sie hört nicht mehr.

-- Ich bin in der Stimmung nicht. -- Dazu bedarf es
eines freien Kopfes und eines fröhlichen Herzens. -- Schade,
schade um die Gelegenheit!

... ich werde sagen, ich hätte mächtige Krystallspiegel
über meinen Betten gehabt -- hätte mir ein unbändiges Füllen
gezogen -- hätte es in langen schwarzseidenen Strümpfen und
schwarzen Lackstiefeln und schwarzen, langen Glace-Handschuhen,
schwarzen Sammt um den Hals, über den Teppich an mir vorbei-
stolziren lassen -- hätte es in einem Wahnsinnsanfall in meinen
Kissen erwürgt ... ich werde lächeln wenn von Wollust die
Rede ist ... ich werde --

Aufschreien! -- Aufschreien! -- Du sein, Ilse! --
Priapia! -- Besinnungslosigkeit! -- Das nimmt die
einen wie den andern und möchte mich an ſonſt niemand hängen,
und wenn die Welt voll Erzengel und Millionäre wär'!
Moritz. — Ich muß zurück, Ilſe.
Ilſe. Komm' bis an unſer Haus mit!
Moritz. — Wozu? — Wozu? —
Ilſe. Kuhwarme Ziegenmilch trinken! — Ich will dir
Locken brennen und dir ein Glöcklein um den Hals hängen. —
Wir haben auch noch ein Hü-Pferdchen, mit dem du ſpielen kannſt.
Moritz. Ich muß zurück. — Ich habe noch die Saſſa-
niden, die Bergpredigt und das Parallelepipedon auf dem Ge-
wiſſen. — Gute Nacht, Ilſe!
Ilſe. Schlumm're ſanft! … Geht ihr wohl noch zum
Wigwam hinunter, wo Melchi Gabor mein Tomahawk
begrub? — Brrr! Bis es an euch kommt, lieg' ich im Kehricht.

(Eilt davon.)
Moritz (allein). — — — Ein Wort hätte es gekoſtet.
— — Ilſe! — Ilſe! — — Gottlob ſie hört nicht mehr.

— Ich bin in der Stimmung nicht. — Dazu bedarf es
eines freien Kopfes und eines fröhlichen Herzens. — Schade,
ſchade um die Gelegenheit!

… ich werde ſagen, ich hätte mächtige Kryſtallſpiegel
über meinen Betten gehabt — hätte mir ein unbändiges Füllen
gezogen — hätte es in langen ſchwarzſeidenen Strümpfen und
ſchwarzen Lackſtiefeln und ſchwarzen, langen Glacé-Handſchuhen,
ſchwarzen Sammt um den Hals, über den Teppich an mir vorbei-
ſtolziren laſſen — hätte es in einem Wahnſinnsanfall in meinen
Kiſſen erwürgt … ich werde lächeln wenn von Wolluſt die
Rede iſt … ich werde —

Aufſchreien! — Aufſchreien! — Du ſein, Ilſe! —
Priapia! — Beſinnungsloſigkeit! — Das nimmt die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#ILS">
            <p><pb facs="#f0064" n="48"/>
einen wie den andern und möchte mich an &#x017F;on&#x017F;t niemand hängen,<lb/>
und wenn die Welt voll Erzengel und Millionäre wär'!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>&#x2014; Ich muß zurück, Il&#x017F;e.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ILS">
            <speaker><hi rendition="#g">Il&#x017F;e</hi>.</speaker>
            <p>Komm' bis an un&#x017F;er Haus mit!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>&#x2014; Wozu? &#x2014; Wozu? &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ILS">
            <speaker><hi rendition="#g">Il&#x017F;e</hi>.</speaker>
            <p>Kuhwarme Ziegenmilch trinken! &#x2014; Ich will dir<lb/>
Locken brennen und dir ein Glöcklein um den Hals hängen. &#x2014;<lb/>
Wir haben auch noch ein Hü-Pferdchen, mit dem du &#x017F;pielen kann&#x017F;t.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Ich muß zurück. &#x2014; Ich habe noch die Sa&#x017F;&#x017F;a-<lb/>
niden, die Bergpredigt und das Parallelepipedon auf dem Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Gute Nacht, Il&#x017F;e!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ILS">
            <speaker><hi rendition="#g">Il&#x017F;e</hi>.</speaker>
            <p>Schlumm're &#x017F;anft! &#x2026; Geht ihr wohl noch zum<lb/><hi rendition="#g">Wigwam</hi> hinunter, wo <hi rendition="#g">Melchi Gabor</hi> mein Tomahawk<lb/>
begrub? &#x2014; Brrr! Bis es an euch kommt, lieg' ich im Kehricht.</p><lb/>
            <stage>(Eilt davon.)</stage>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker> <hi rendition="#g">Moritz</hi> </speaker>
            <stage>(allein).</stage>
            <p>&#x2014; &#x2014; &#x2014; Ein Wort hätte es geko&#x017F;tet.<lb/>
&#x2014; &#x2014; Il&#x017F;e! &#x2014; Il&#x017F;e! &#x2014; &#x2014; Gottlob &#x017F;ie hört nicht mehr.</p><lb/>
            <p>&#x2014; Ich bin in der Stimmung nicht. &#x2014; Dazu bedarf es<lb/>
eines freien Kopfes und eines fröhlichen Herzens. &#x2014; Schade,<lb/>
&#x017F;chade um die Gelegenheit!</p><lb/>
            <p>&#x2026; ich werde &#x017F;agen, ich hätte mächtige Kry&#x017F;tall&#x017F;piegel<lb/>
über meinen Betten gehabt &#x2014; hätte mir ein unbändiges Füllen<lb/>
gezogen &#x2014; hätte es in langen &#x017F;chwarz&#x017F;eidenen Strümpfen und<lb/>
&#x017F;chwarzen Lack&#x017F;tiefeln und &#x017F;chwarzen, langen Glac<hi rendition="#aq">é</hi>-Hand&#x017F;chuhen,<lb/>
&#x017F;chwarzen Sammt um den Hals, über den Teppich an mir vorbei-<lb/>
&#x017F;tolziren la&#x017F;&#x017F;en &#x2014; hätte es in einem Wahn&#x017F;innsanfall in meinen<lb/>
Ki&#x017F;&#x017F;en erwürgt &#x2026; ich werde lächeln wenn von Wollu&#x017F;t die<lb/>
Rede i&#x017F;t &#x2026; ich werde &#x2014;</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#g">Auf&#x017F;chreien! &#x2014; Auf&#x017F;chreien! &#x2014; Du &#x017F;ein, Il&#x017F;e! &#x2014;<lb/>
Priapia! &#x2014; Be&#x017F;innungslo&#x017F;igkeit! &#x2014; Das nimmt die<lb/></hi> </p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0064] einen wie den andern und möchte mich an ſonſt niemand hängen, und wenn die Welt voll Erzengel und Millionäre wär'! Moritz. — Ich muß zurück, Ilſe. Ilſe. Komm' bis an unſer Haus mit! Moritz. — Wozu? — Wozu? — Ilſe. Kuhwarme Ziegenmilch trinken! — Ich will dir Locken brennen und dir ein Glöcklein um den Hals hängen. — Wir haben auch noch ein Hü-Pferdchen, mit dem du ſpielen kannſt. Moritz. Ich muß zurück. — Ich habe noch die Saſſa- niden, die Bergpredigt und das Parallelepipedon auf dem Ge- wiſſen. — Gute Nacht, Ilſe! Ilſe. Schlumm're ſanft! … Geht ihr wohl noch zum Wigwam hinunter, wo Melchi Gabor mein Tomahawk begrub? — Brrr! Bis es an euch kommt, lieg' ich im Kehricht. (Eilt davon.) Moritz (allein). — — — Ein Wort hätte es gekoſtet. — — Ilſe! — Ilſe! — — Gottlob ſie hört nicht mehr. — Ich bin in der Stimmung nicht. — Dazu bedarf es eines freien Kopfes und eines fröhlichen Herzens. — Schade, ſchade um die Gelegenheit! … ich werde ſagen, ich hätte mächtige Kryſtallſpiegel über meinen Betten gehabt — hätte mir ein unbändiges Füllen gezogen — hätte es in langen ſchwarzſeidenen Strümpfen und ſchwarzen Lackſtiefeln und ſchwarzen, langen Glacé-Handſchuhen, ſchwarzen Sammt um den Hals, über den Teppich an mir vorbei- ſtolziren laſſen — hätte es in einem Wahnſinnsanfall in meinen Kiſſen erwürgt … ich werde lächeln wenn von Wolluſt die Rede iſt … ich werde — Aufſchreien! — Aufſchreien! — Du ſein, Ilſe! — Priapia! — Beſinnungsloſigkeit! — Das nimmt die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/64
Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/64>, abgerufen am 24.11.2024.