Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891. Martha. So denke ich mir den jungen Alexander als er zu Aristoteles in die Schule ging. Thea. Du lieber Gott, die griechische Geschichte! -- Ich weiß nur noch, wie Sokrates in der Tonne lag, als ihm Alexander den Eselsschatten verkaufte. Wendla. Er soll der Drittbeste in seiner Klasse sein. Thea. Professor Knochenbruch sagt, wenn er wollte, könnte er Primus sein. Martha. Er hat eine schöne Stirne, aber sein Freund hat einen seelenvolleren Blick. Thea. Moritz Stiefel? -- Ist das eine Schlafmütze! Martha. Ich habe mich immer ganz gut mit ihm unter- halten. Thea. Er blamirt Einen, wo man ihn trifft. Auf dem Kinderball bei Rilow's bot er mir Pralinee's an. Denke dir, Wendla, die waren weich und warm. Ist das nicht ...? -- Er sagte, er habe sie zu lang in der Hosentasche gehabt. Wendla. Denke dir, Melchi Gabor sagte mir damals, er glaube an nichts -- nicht an Gott, nicht an ein Jenseits -- an gar nichts mehr in dieser Welt. Vierte Scene. Parkanlagen vor dem Gymnasium. -- Melchior, Otto, Georg, Robert, Hänschen Rilow, Lämmermeier. Melchior. Kann mir einer von euch sagen, wo Moritz Stiefel steckt? Georg. Dem kann's schlecht geh'n! -- O dem kann's schlecht ge'hn! Martha. So denke ich mir den jungen Alexander als er zu Ariſtoteles in die Schule ging. Thea. Du lieber Gott, die griechiſche Geſchichte! — Ich weiß nur noch, wie Sokrates in der Tonne lag, als ihm Alexander den Eſelsſchatten verkaufte. Wendla. Er ſoll der Drittbeſte in ſeiner Klaſſe ſein. Thea. Profeſſor Knochenbruch ſagt, wenn er wollte, könnte er Primus ſein. Martha. Er hat eine ſchöne Stirne, aber ſein Freund hat einen ſeelenvolleren Blick. Thea. Moritz Stiefel? — Iſt das eine Schlafmütze! Martha. Ich habe mich immer ganz gut mit ihm unter- halten. Thea. Er blamirt Einen, wo man ihn trifft. Auf dem Kinderball bei Rilow's bot er mir Pralinée's an. Denke dir, Wendla, die waren weich und warm. Iſt das nicht …? — Er ſagte, er habe ſie zu lang in der Hoſentaſche gehabt. Wendla. Denke dir, Melchi Gabor ſagte mir damals, er glaube an nichts — nicht an Gott, nicht an ein Jenſeits — an gar nichts mehr in dieſer Welt. Vierte Scene. Parkanlagen vor dem Gymnaſium. — Melchior, Otto, Georg, Robert, Hänschen Rilow, Lämmermeier. Melchior. Kann mir einer von euch ſagen, wo Moritz Stiefel ſteckt? Georg. Dem kann's ſchlecht geh'n! — O dem kann's ſchlecht ge'hn! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="15" facs="#f0031"/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Martha</hi>.</speaker> <p>So denke ich mir den jungen Alexander als er<lb/> zu Ariſtoteles in die Schule ging.</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Thea</hi>.</speaker> <p>Du lieber Gott, die griechiſche Geſchichte! — Ich<lb/> weiß nur noch, wie Sokrates in der Tonne lag, als ihm Alexander<lb/> den Eſelsſchatten verkaufte.</p> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker><hi rendition="#g">Wendla</hi>.</speaker> <p>Er ſoll der Drittbeſte in ſeiner Klaſſe ſein.</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Thea</hi>.</speaker> <p>Profeſſor Knochenbruch ſagt, wenn er wollte, könnte<lb/> er Primus ſein.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Martha</hi>.</speaker> <p>Er hat eine ſchöne Stirne, aber ſein Freund<lb/> hat einen ſeelenvolleren Blick.</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Thea</hi>.</speaker> <p>Moritz Stiefel? — Iſt das eine Schlafmütze!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Martha</hi>.</speaker> <p>Ich habe mich immer ganz gut mit ihm unter-<lb/> halten.</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Thea</hi>.</speaker> <p>Er blamirt Einen, wo man ihn trifft. Auf dem<lb/> Kinderball bei Rilow's bot er mir Pralin<hi rendition="#aq">é</hi>e's an. Denke dir,<lb/> Wendla, die waren weich und warm. Iſt das nicht …? —<lb/> Er ſagte, er habe ſie zu lang in der Hoſentaſche gehabt.</p> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker><hi rendition="#g">Wendla</hi>.</speaker> <p>Denke dir, Melchi Gabor ſagte mir damals, er<lb/> glaube an nichts — nicht an Gott, nicht an ein Jenſeits — an<lb/> gar nichts mehr in dieſer Welt.</p> </sp> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Vierte Scene.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">Parkanlagen vor dem Gymnaſium. — <hi rendition="#g">Melchior, Otto, Georg, Robert,<lb/> Hänschen Rilow, Lämmermeier</hi>.</hi> </stage><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>Kann mir einer von euch ſagen, wo Moritz<lb/> Stiefel ſteckt?</p> </sp><lb/> <sp who="#GEO"> <speaker><hi rendition="#g">Georg</hi>.</speaker> <p>Dem kann's ſchlecht geh'n! — O dem kann's<lb/> ſchlecht ge'hn!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0031]
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den Eſelsſchatten verkaufte.
Wendla. Er ſoll der Drittbeſte in ſeiner Klaſſe ſein.
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er Primus ſein.
Martha. Er hat eine ſchöne Stirne, aber ſein Freund
hat einen ſeelenvolleren Blick.
Thea. Moritz Stiefel? — Iſt das eine Schlafmütze!
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halten.
Thea. Er blamirt Einen, wo man ihn trifft. Auf dem
Kinderball bei Rilow's bot er mir Pralinée's an. Denke dir,
Wendla, die waren weich und warm. Iſt das nicht …? —
Er ſagte, er habe ſie zu lang in der Hoſentaſche gehabt.
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Zitationshilfe: | Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/31>, abgerufen am 03.03.2025. |