Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.
mag es aufwärts oder abwärts mit mir geh'n, dich werde ich nie vergessen ... Moritz. Dank, dank, Geliebter. Melchior. ... und wenn ich einmal ein alter Mann in grauen Haaren bin, dann stehst gerade du mir vielleicht wieder näher als alle Mitlebenden. Moritz. Ich danke dir. -- Glück auf den Weg, meine Herren! -- Lassen Sie sich nicht länger aufhalten. Der vermummte Herr. Komm Kind! -- (Er legt seinen Arm in denjenigen Melchior's und entfernt sich mit ihm über die Gräber hin.) Moritz (allein). -- Da sitze ich nun mit meinem Kopf im Arm. -- -- Der Mond verhüllt sein Gesicht, entschleiert sich wieder und sieht um kein Haar gescheidter aus. -- -- So kehre ich denn zu meinem Plätzchen zurück, richte mein Kreuz auf, das mir der Tollkopf so rücksichtslos niedergestampft, und wenn alles in Ordnung, leg ich mich wieder auf den Rücken, wärme mich an der Verwesung und lächle ...
mag es aufwärts oder abwärts mit mir geh'n, dich werde ich nie vergeſſen … Moritz. Dank, dank, Geliebter. Melchior. … und wenn ich einmal ein alter Mann in grauen Haaren bin, dann ſtehſt gerade du mir vielleicht wieder näher als alle Mitlebenden. Moritz. Ich danke dir. — Glück auf den Weg, meine Herren! — Laſſen Sie ſich nicht länger aufhalten. Der vermummte Herr. Komm Kind! — (Er legt ſeinen Arm in denjenigen Melchior's und entfernt ſich mit ihm über die Gräber hin.) Moritz (allein). — Da ſitze ich nun mit meinem Kopf im Arm. — — Der Mond verhüllt ſein Geſicht, entſchleiert ſich wieder und ſieht um kein Haar geſcheidter aus. — — So kehre ich denn zu meinem Plätzchen zurück, richte mein Kreuz auf, das mir der Tollkopf ſo rückſichtslos niedergeſtampft, und wenn alles in Ordnung, leg ich mich wieder auf den Rücken, wärme mich an der Verweſung und lächle … <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MEL"> <p><pb facs="#f0101" n="85"/> mag es aufwärts oder abwärts mit mir geh'n, dich werde ich<lb/> nie vergeſſen …</p> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker> <p>Dank, dank, Geliebter.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>… und wenn ich einmal ein alter Mann in<lb/> grauen Haaren bin, dann ſtehſt gerade du mir vielleicht wieder<lb/> näher als alle Mitlebenden.</p> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker> <p>Ich danke dir. — Glück auf den Weg, meine<lb/> Herren! — Laſſen Sie ſich nicht länger aufhalten.</p> </sp><lb/> <sp who="#HER"> <speaker><hi rendition="#g">Der vermummte Herr</hi>.</speaker> <p>Komm Kind! —</p> <stage>(Er legt ſeinen<lb/> Arm in denjenigen Melchior's und entfernt ſich mit ihm über die Gräber hin.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker> <hi rendition="#g">Moritz</hi> </speaker> <stage>(allein).</stage> <p>— Da ſitze ich nun mit meinem Kopf im<lb/> Arm. — — Der Mond verhüllt ſein Geſicht, entſchleiert ſich<lb/> wieder und ſieht um kein Haar geſcheidter aus. — — So kehre<lb/> ich denn zu meinem Plätzchen zurück, richte mein Kreuz auf, das<lb/> mir der Tollkopf ſo rückſichtslos niedergeſtampft, und wenn<lb/> alles in Ordnung, leg ich mich wieder auf den Rücken, wärme<lb/> mich an der Verweſung und lächle …</p> </sp> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> <back> </back> </text> </TEI> [85/0101]
mag es aufwärts oder abwärts mit mir geh'n, dich werde ich
nie vergeſſen …
Moritz. Dank, dank, Geliebter.
Melchior. … und wenn ich einmal ein alter Mann in
grauen Haaren bin, dann ſtehſt gerade du mir vielleicht wieder
näher als alle Mitlebenden.
Moritz. Ich danke dir. — Glück auf den Weg, meine
Herren! — Laſſen Sie ſich nicht länger aufhalten.
Der vermummte Herr. Komm Kind! — (Er legt ſeinen
Arm in denjenigen Melchior's und entfernt ſich mit ihm über die Gräber hin.)
Moritz (allein). — Da ſitze ich nun mit meinem Kopf im
Arm. — — Der Mond verhüllt ſein Geſicht, entſchleiert ſich
wieder und ſieht um kein Haar geſcheidter aus. — — So kehre
ich denn zu meinem Plätzchen zurück, richte mein Kreuz auf, das
mir der Tollkopf ſo rückſichtslos niedergeſtampft, und wenn
alles in Ordnung, leg ich mich wieder auf den Rücken, wärme
mich an der Verweſung und lächle …
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Zitationshilfe: | Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/101>, abgerufen am 16.02.2025. |