Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895. Schön (sie schüttelnd). Jetzt müssen Sie notwendig noch zum Diner bleiben. (Schleppt sie nach rechts, stößt sie ins Nebenzimmer, verschließt die Thür hinter ihr.) Wir wollen keine Aus- rufer. (Setzt sich neben Lulu, drängt ihr den Revolver auf.) Es ist noch genug drin. -- Schämst du dich der In- timitäten nicht, die du feil bietest? Sieh mich an! Ich kann in meinem Haus meinem Kutscher nicht helfen, mir die Stirn zu verzieren. Sieh mich an! Glaubst du, ich will meinem Kutscher sein Glück streitig machen? Sieh mich an! Ich be- zahle meinen Kutscher. Sieh mich an! Ist mein Kutscher zufrieden? Sieh mich an! Sieh mich an! Vergönne ich meinem Kutscher was, wenn ich den infamen Stallgeruch nicht verschnupfen kann? Lulu. Laß anspannen. Bitte. Wir fahren in die Oper. Schön. Wir fahren zum Teufel! Jetzt kutschiere ich. Wir sind höllisch aufgedonnert. Glaubst du, man leidet Todesqualen in meinen Jahren und sagt: Geh und sündige nicht wieder? (Den Revolver in ihrer Hand von sich ab und auf Lulus Brust wendend.) Nicht, nicht. Faß dir ein Herz. Ich habe noch Zeit. Glaubst du, man läßt sich mißhandeln, wie du mich miß- Schön (ſie ſchüttelnd). Jetzt müſſen Sie notwendig noch zum Diner bleiben. (Schleppt ſie nach rechts, ſtößt ſie ins Nebenzimmer, verſchließt die Thür hinter ihr.) Wir wollen keine Aus- rufer. (Setzt ſich neben Lulu, drängt ihr den Revolver auf.) Es iſt noch genug drin. — Schämſt du dich der In- timitäten nicht, die du feil bieteſt? Sieh mich an! Ich kann in meinem Haus meinem Kutſcher nicht helfen, mir die Stirn zu verzieren. Sieh mich an! Glaubſt du, ich will meinem Kutſcher ſein Glück ſtreitig machen? Sieh mich an! Ich be- zahle meinen Kutſcher. Sieh mich an! Iſt mein Kutſcher zufrieden? Sieh mich an! Sieh mich an! Vergönne ich meinem Kutſcher was, wenn ich den infamen Stallgeruch nicht verſchnupfen kann? Lulu. Laß anſpannen. Bitte. Wir fahren in die Oper. Schön. Wir fahren zum Teufel! Jetzt kutſchiere ich. Wir ſind hölliſch aufgedonnert. Glaubſt du, man leidet Todesqualen in meinen Jahren und ſagt: Geh und ſündige nicht wieder? (Den Revolver in ihrer Hand von ſich ab und auf Lulus Bruſt wendend.) Nicht, nicht. Faß dir ein Herz. Ich habe noch Zeit. Glaubſt du, man läßt ſich mißhandeln, wie du mich miß- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0210" n="204"/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#b">Schön</hi> </speaker> <stage>(ſie ſchüttelnd).</stage><lb/> <p>Jetzt müſſen Sie notwendig noch zum Diner<lb/> bleiben.</p> <stage>(Schleppt ſie nach rechts, ſtößt ſie ins Nebenzimmer,<lb/> verſchließt die Thür hinter ihr.)</stage> <p>Wir wollen keine Aus-<lb/> rufer.</p> <stage>(Setzt ſich neben Lulu, drängt ihr den Revolver auf.)</stage> <p>Es<lb/> iſt noch genug drin. — Schämſt du dich der In-<lb/> timitäten nicht, die du feil bieteſt? Sieh mich<lb/> an! Ich kann in meinem Haus meinem Kutſcher<lb/> nicht helfen, mir die Stirn zu verzieren. Sieh mich<lb/> an! Glaubſt du, ich will meinem Kutſcher ſein<lb/> Glück ſtreitig machen? Sieh mich an! Ich be-<lb/> zahle meinen Kutſcher. Sieh mich an! Iſt mein<lb/> Kutſcher zufrieden? Sieh mich an! Sieh mich an!<lb/> Vergönne ich meinem Kutſcher was, wenn ich den<lb/> infamen Stallgeruch nicht verſchnupfen kann?</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Laß anſpannen. Bitte. Wir fahren in die Oper.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#b">Schön.</hi> </speaker><lb/> <p>Wir fahren zum Teufel! Jetzt kutſchiere ich.<lb/> Wir ſind hölliſch aufgedonnert. Glaubſt du, man<lb/> leidet Todesqualen in meinen Jahren und ſagt:<lb/> Geh und ſündige nicht wieder?</p> <stage>(Den Revolver in ihrer<lb/> Hand von ſich ab und auf Lulus Bruſt wendend.)</stage> <p>Nicht, nicht.<lb/> Faß dir ein Herz. Ich habe noch Zeit. Glaubſt<lb/> du, man läßt ſich mißhandeln, wie du mich miß-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0210]
Schön (ſie ſchüttelnd).
Jetzt müſſen Sie notwendig noch zum Diner
bleiben. (Schleppt ſie nach rechts, ſtößt ſie ins Nebenzimmer,
verſchließt die Thür hinter ihr.) Wir wollen keine Aus-
rufer. (Setzt ſich neben Lulu, drängt ihr den Revolver auf.) Es
iſt noch genug drin. — Schämſt du dich der In-
timitäten nicht, die du feil bieteſt? Sieh mich
an! Ich kann in meinem Haus meinem Kutſcher
nicht helfen, mir die Stirn zu verzieren. Sieh mich
an! Glaubſt du, ich will meinem Kutſcher ſein
Glück ſtreitig machen? Sieh mich an! Ich be-
zahle meinen Kutſcher. Sieh mich an! Iſt mein
Kutſcher zufrieden? Sieh mich an! Sieh mich an!
Vergönne ich meinem Kutſcher was, wenn ich den
infamen Stallgeruch nicht verſchnupfen kann?
Lulu.
Laß anſpannen. Bitte. Wir fahren in die Oper.
Schön.
Wir fahren zum Teufel! Jetzt kutſchiere ich.
Wir ſind hölliſch aufgedonnert. Glaubſt du, man
leidet Todesqualen in meinen Jahren und ſagt:
Geh und ſündige nicht wieder? (Den Revolver in ihrer
Hand von ſich ab und auf Lulus Bruſt wendend.) Nicht, nicht.
Faß dir ein Herz. Ich habe noch Zeit. Glaubſt
du, man läßt ſich mißhandeln, wie du mich miß-
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