Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895. Lulu. Ich sehe Sie noch, wie Sie die Figuren hin und herschoben. Alwa. Es war mir noch lange die grauenvollste Er- innerung, wie ich mit einem Mal klar in die Ver- hältnisse sah. Lulu. Da wurden Sie eisig gemessen gegen mich. Alwa. Ach Gott -- ich schämte mich meiner kindlichen Harmlosigkeit. Ich sah etwas so unendlich hoch über mir Stehendes in Ihnen. Ich hegte vielleicht eine höhere Verehrung für Sie, als für meine Mutter. Denken Sie, wie meine Mutter starb, -- ich war siebzehn Jahre alt -- da trat ich vor meinen Vater und forderte ihn auf, daß er Sie augenblicklich zu seiner Frau mache, sonst müßten wir uns duelliren. Lulu. Das hat er mir damals erzählt. Alwa. Seit ich älter bin, kann ich ihn nur noch be- mitleiden. Er wird mich nie verstehen. Da phantasirt er sich eine kleinliche Diplomatie zu- sammen, die mich dazu bestimmen soll, seiner Ver- heiratung mit der Comtesse entgegenzuarbeiten. Lulu. Ich ſehe Sie noch, wie Sie die Figuren hin und herſchoben. Alwa. Es war mir noch lange die grauenvollſte Er- innerung, wie ich mit einem Mal klar in die Ver- hältniſſe ſah. Lulu. Da wurden Sie eiſig gemeſſen gegen mich. Alwa. Ach Gott — ich ſchämte mich meiner kindlichen Harmloſigkeit. Ich ſah etwas ſo unendlich hoch über mir Stehendes in Ihnen. Ich hegte vielleicht eine höhere Verehrung für Sie, als für meine Mutter. Denken Sie, wie meine Mutter ſtarb, — ich war ſiebzehn Jahre alt — da trat ich vor meinen Vater und forderte ihn auf, daß er Sie augenblicklich zu ſeiner Frau mache, ſonſt müßten wir uns duelliren. Lulu. Das hat er mir damals erzählt. Alwa. Seit ich älter bin, kann ich ihn nur noch be- mitleiden. Er wird mich nie verſtehen. Da phantaſirt er ſich eine kleinliche Diplomatie zu- ſammen, die mich dazu beſtimmen ſoll, ſeiner Ver- heiratung mit der Comteſſe entgegenzuarbeiten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0133" n="127"/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich ſehe Sie noch, wie Sie die Figuren hin<lb/> und herſchoben.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker> <hi rendition="#b">Alwa.</hi> </speaker><lb/> <p>Es war mir noch lange die grauenvollſte Er-<lb/> innerung, wie ich mit einem Mal klar in die Ver-<lb/> hältniſſe ſah.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Da wurden Sie eiſig gemeſſen gegen mich.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker> <hi rendition="#b">Alwa.</hi> </speaker><lb/> <p>Ach Gott — ich ſchämte mich meiner kindlichen<lb/> Harmloſigkeit. Ich ſah etwas ſo unendlich hoch<lb/> über mir Stehendes in Ihnen. Ich hegte vielleicht<lb/> eine höhere Verehrung für Sie, als für meine<lb/> Mutter. Denken Sie, wie meine Mutter ſtarb, —<lb/> ich war ſiebzehn Jahre alt — da trat ich vor<lb/> meinen Vater und forderte ihn auf, daß er Sie<lb/> augenblicklich zu ſeiner Frau mache, ſonſt müßten<lb/> wir uns duelliren.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Das hat er mir damals erzählt.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker> <hi rendition="#b">Alwa.</hi> </speaker><lb/> <p>Seit ich älter bin, kann ich ihn nur noch be-<lb/> mitleiden. Er wird mich nie verſtehen. Da<lb/> phantaſirt er ſich eine kleinliche Diplomatie zu-<lb/> ſammen, die mich dazu beſtimmen ſoll, ſeiner Ver-<lb/> heiratung mit der Comteſſe entgegenzuarbeiten.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0133]
Lulu.
Ich ſehe Sie noch, wie Sie die Figuren hin
und herſchoben.
Alwa.
Es war mir noch lange die grauenvollſte Er-
innerung, wie ich mit einem Mal klar in die Ver-
hältniſſe ſah.
Lulu.
Da wurden Sie eiſig gemeſſen gegen mich.
Alwa.
Ach Gott — ich ſchämte mich meiner kindlichen
Harmloſigkeit. Ich ſah etwas ſo unendlich hoch
über mir Stehendes in Ihnen. Ich hegte vielleicht
eine höhere Verehrung für Sie, als für meine
Mutter. Denken Sie, wie meine Mutter ſtarb, —
ich war ſiebzehn Jahre alt — da trat ich vor
meinen Vater und forderte ihn auf, daß er Sie
augenblicklich zu ſeiner Frau mache, ſonſt müßten
wir uns duelliren.
Lulu.
Das hat er mir damals erzählt.
Alwa.
Seit ich älter bin, kann ich ihn nur noch be-
mitleiden. Er wird mich nie verſtehen. Da
phantaſirt er ſich eine kleinliche Diplomatie zu-
ſammen, die mich dazu beſtimmen ſoll, ſeiner Ver-
heiratung mit der Comteſſe entgegenzuarbeiten.
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