Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.treten ist, wie es früher unbekannt war, und daß dies in alle Nun ist es aber Tatsache: daß mit noch so viel von solcher treten iſt, wie es früher unbekannt war, und daß dies in alle Nun iſt es aber Tatſache: daß mit noch ſo viel von ſolcher <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0009" n="10"/> treten iſt, wie es früher unbekannt war, und daß dies in alle<lb/> Zukunft ſo bleiben wird. Nicht nur äußerlich, nein, gerade<lb/> innerlich liegt die Sache ſo: daß der einzelne das ſichere Be-<lb/> wußtſein, etwas wirklich ganz Vollkommenes auf wiſſenſchaft-<lb/> lichem Gebiet zu leiſten, nur im Falle ſtrengſter Spezialiſierung<lb/> ſich verſchaffen kann. Alle Arbeiten, welche auf Nachbarge-<lb/> biete übergreifen, wie wir ſie gelegentlich machen, wie gerade<lb/> z. B. die Soziologen ſie notwendig immer wieder machen<lb/> müſſen, ſind mit dem reſignierten Bewußtſein belaſtet: daß<lb/> man allenfalls dem Fachmann nützliche <hi rendition="#g">Frageſtellungen</hi> liefert,<lb/> auf die dieſer von ſeinen Fachgeſichtspunkten aus nicht ſo leicht<lb/> verfällt, daß aber die eigene Arbeit unvermeidlich höchſt unvoll-<lb/> kommen bleiben muß. Nur durch ſtrenge Spezialiſierung kann<lb/> der wiſſenſchaftliche Arbeiter tatſächlich das Vollgefühl, ein-<lb/> mal und vielleicht nie wieder im Leben, ſich zu eigen machen:<lb/> hier habe ich etwas geleiſtet, was <hi rendition="#g">dauern</hi> wird. Eine wirklich<lb/> endgültige und tüchtige Leiſtung iſt heute ſtets: eine ſpezialiſti-<lb/> ſche Leiſtung. Und wer alſo nicht die Fähigkeit beſitzt, ſich<lb/> einmal ſozuſagen Scheuklappen anzuziehen und ſich hineinzu-<lb/> ſteigern in die Vorſtellung, daß das Schickſal ſeiner Seele<lb/> davon abhängt: ob er dieſe, gerade dieſe Konjektur an dieſer<lb/> Stelle dieſer Handſchrift richtig macht, der bleibe der Wiſſen-<lb/> ſchaft nur ja fern. Niemals wird er in ſich das durchmachen,<lb/> was man das „Erlebnis“ der Wiſſenſchaft nennen kann. Ohne<lb/> dieſen ſeltſamen, von jedem Draußenſtehenden belächelten<lb/> Rauſch, dieſe Leidenſchaft, dieſes: „Jahrtauſende mußten ver-<lb/> gehen, ehe du ins Leben trateſt, und andere Jahrtauſende<lb/> warten ſchweigend“: – darauf, ob dir dieſe Konjektur gelingt,<lb/> hat einer den Beruf zur Wiſſenſchaft <hi rendition="#g">nicht</hi> und tue etwas<lb/> anderes. Denn nichts iſt für den Menſchen als Menſchen<lb/> etwas wert, was er nicht mit <hi rendition="#g">Leidenſchaft</hi> tun <hi rendition="#g">kann</hi>.</p><lb/> <p>Nun iſt es aber Tatſache: daß mit noch ſo viel von ſolcher<lb/> Leidenſchaft, ſo echt und tief ſie ſein mag, das Reſultat ſich<lb/> noch lange nicht erzwingen läßt. Freilich iſt ſie eine Vorbe-<lb/> dingung des Entſcheidenden: der „Eingebung“. Es iſt ja wohl<lb/> heute in den Kreiſen der Jugend die Vorſtellung ſehr ver-<lb/> breitet, die Wiſſenſchaft ſei ein Rechenexempel geworden, das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0009]
treten iſt, wie es früher unbekannt war, und daß dies in alle
Zukunft ſo bleiben wird. Nicht nur äußerlich, nein, gerade
innerlich liegt die Sache ſo: daß der einzelne das ſichere Be-
wußtſein, etwas wirklich ganz Vollkommenes auf wiſſenſchaft-
lichem Gebiet zu leiſten, nur im Falle ſtrengſter Spezialiſierung
ſich verſchaffen kann. Alle Arbeiten, welche auf Nachbarge-
biete übergreifen, wie wir ſie gelegentlich machen, wie gerade
z. B. die Soziologen ſie notwendig immer wieder machen
müſſen, ſind mit dem reſignierten Bewußtſein belaſtet: daß
man allenfalls dem Fachmann nützliche Frageſtellungen liefert,
auf die dieſer von ſeinen Fachgeſichtspunkten aus nicht ſo leicht
verfällt, daß aber die eigene Arbeit unvermeidlich höchſt unvoll-
kommen bleiben muß. Nur durch ſtrenge Spezialiſierung kann
der wiſſenſchaftliche Arbeiter tatſächlich das Vollgefühl, ein-
mal und vielleicht nie wieder im Leben, ſich zu eigen machen:
hier habe ich etwas geleiſtet, was dauern wird. Eine wirklich
endgültige und tüchtige Leiſtung iſt heute ſtets: eine ſpezialiſti-
ſche Leiſtung. Und wer alſo nicht die Fähigkeit beſitzt, ſich
einmal ſozuſagen Scheuklappen anzuziehen und ſich hineinzu-
ſteigern in die Vorſtellung, daß das Schickſal ſeiner Seele
davon abhängt: ob er dieſe, gerade dieſe Konjektur an dieſer
Stelle dieſer Handſchrift richtig macht, der bleibe der Wiſſen-
ſchaft nur ja fern. Niemals wird er in ſich das durchmachen,
was man das „Erlebnis“ der Wiſſenſchaft nennen kann. Ohne
dieſen ſeltſamen, von jedem Draußenſtehenden belächelten
Rauſch, dieſe Leidenſchaft, dieſes: „Jahrtauſende mußten ver-
gehen, ehe du ins Leben trateſt, und andere Jahrtauſende
warten ſchweigend“: – darauf, ob dir dieſe Konjektur gelingt,
hat einer den Beruf zur Wiſſenſchaft nicht und tue etwas
anderes. Denn nichts iſt für den Menſchen als Menſchen
etwas wert, was er nicht mit Leidenſchaft tun kann.
Nun iſt es aber Tatſache: daß mit noch ſo viel von ſolcher
Leidenſchaft, ſo echt und tief ſie ſein mag, das Reſultat ſich
noch lange nicht erzwingen läßt. Freilich iſt ſie eine Vorbe-
dingung des Entſcheidenden: der „Eingebung“. Es iſt ja wohl
heute in den Kreiſen der Jugend die Vorſtellung ſehr ver-
breitet, die Wiſſenſchaft ſei ein Rechenexempel geworden, das
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