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Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.

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auch auf die Fächer, wo, wie es heute noch in meinem Fache
in starkem Maße der Fall ist, der Handwerker das Arbeits-
mittel (im wesentlichen: die Bibliothek) selbst besitzt, ganz
entsprechend, wie es der alte Handwerker in der Vergangen-
heit innerhalb des Gewerbes auch tat. Die Entwicklung ist
in vollem Gange.

Die technischen Vorzüge sind ganz unzweifelhaft, wie bei
allen kapitalistischen und zugleich bureaukratisierten Betrieben.
Aber der "Geist", der in ihnen herrscht, ist ein anderer als
die althistorische Atmosphäre der deutschen Universitäten. Es
besteht eine außerordentlich starke Kluft, äußerlich und inner-
lich, zwischen dem Chef eines solchen großen kapitalistischen
Universitätsunternehmens und dem gewöhnlichen Ordinarius
alten Stils. Auch in der inneren Haltung. Jch möchte das
hier nicht weiter ausführen. Jnnerlich ebenso wie äußerlich ist die
alte Universitätsverfassung fiktiv geworden. Geblieben aber
und wesentlich gesteigert ist ein der Universitätslaufbahn
eigenes Moment: Ob es einem solchen Privatdozenten,
vollends einem Assistenten, jemals gelingt, in die Stelle eines
vollen Ordinarius und gar eines Jnstitutsvorstandes einzu-
rücken, ist eine Angelegenheit, die einfach Hazard ist.
Gewiß: nicht nur der Zufall herrscht, aber er herrscht doch in
ungewöhnlich hohem Grade. Jch kenne kaum eine Laufbahn
auf Erden, wo er eine solche Rolle spielt. Jch darf das um
so mehr sagen, als ich persönlich es einigen absoluten Zufällig-
keiten zu verdanken habe, daß ich seinerzeit in sehr jungen
Jahren in eine ordentliche Professur eines Faches berufen wurde,
in welchem damals Altersgenossen unzweifelhaft mehr als ich
geleistet hatten. Und ich bilde mir allerdings ein, auf Grund
dieser Erfahrung ein geschärftes Auge für das unverdiente
Schicksal der vielen zu haben, bei denen der Zufall gerade
umgekehrt gespielt hat und noch spielt, und die trotz aller
Tüchtigkeit innerhalb dieses Ausleseapparates nicht an die
Stelle gelangen, die ihnen gebühren würde.

Daß nun der Hazard und nicht die Tüchtigkeit als solche
eine so große Rolle spielt, liegt nicht allein und nicht einmal
vorzugsweise an den Menschlichkeiten, die natürlich bei dieser

auch auf die Fächer, wo, wie es heute noch in meinem Fache
in ſtarkem Maße der Fall iſt, der Handwerker das Arbeits-
mittel (im weſentlichen: die Bibliothek) ſelbſt beſitzt, ganz
entſprechend, wie es der alte Handwerker in der Vergangen-
heit innerhalb des Gewerbes auch tat. Die Entwicklung iſt
in vollem Gange.

Die techniſchen Vorzüge ſind ganz unzweifelhaft, wie bei
allen kapitaliſtiſchen und zugleich bureaukratiſierten Betrieben.
Aber der „Geiſt“, der in ihnen herrſcht, iſt ein anderer als
die althiſtoriſche Atmoſphäre der deutſchen Univerſitäten. Es
beſteht eine außerordentlich ſtarke Kluft, äußerlich und inner-
lich, zwiſchen dem Chef eines ſolchen großen kapitaliſtiſchen
Univerſitätsunternehmens und dem gewöhnlichen Ordinarius
alten Stils. Auch in der inneren Haltung. Jch möchte das
hier nicht weiter ausführen. Jnnerlich ebenſo wie äußerlich iſt die
alte Univerſitätsverfaſſung fiktiv geworden. Geblieben aber
und weſentlich geſteigert iſt ein der Univerſitätslaufbahn
eigenes Moment: Ob es einem ſolchen Privatdozenten,
vollends einem Aſſiſtenten, jemals gelingt, in die Stelle eines
vollen Ordinarius und gar eines Jnſtitutsvorſtandes einzu-
rücken, iſt eine Angelegenheit, die einfach Hazard iſt.
Gewiß: nicht nur der Zufall herrſcht, aber er herrſcht doch in
ungewöhnlich hohem Grade. Jch kenne kaum eine Laufbahn
auf Erden, wo er eine ſolche Rolle ſpielt. Jch darf das um
ſo mehr ſagen, als ich perſönlich es einigen abſoluten Zufällig-
keiten zu verdanken habe, daß ich ſeinerzeit in ſehr jungen
Jahren in eine ordentliche Profeſſur eines Faches berufen wurde,
in welchem damals Altersgenoſſen unzweifelhaft mehr als ich
geleiſtet hatten. Und ich bilde mir allerdings ein, auf Grund
dieſer Erfahrung ein geſchärftes Auge für das unverdiente
Schickſal der vielen zu haben, bei denen der Zufall gerade
umgekehrt geſpielt hat und noch ſpielt, und die trotz aller
Tüchtigkeit innerhalb dieſes Ausleſeapparates nicht an die
Stelle gelangen, die ihnen gebühren würde.

Daß nun der Hazard und nicht die Tüchtigkeit als ſolche
eine ſo große Rolle ſpielt, liegt nicht allein und nicht einmal
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[6/0005] auch auf die Fächer, wo, wie es heute noch in meinem Fache in ſtarkem Maße der Fall iſt, der Handwerker das Arbeits- mittel (im weſentlichen: die Bibliothek) ſelbſt beſitzt, ganz entſprechend, wie es der alte Handwerker in der Vergangen- heit innerhalb des Gewerbes auch tat. Die Entwicklung iſt in vollem Gange. Die techniſchen Vorzüge ſind ganz unzweifelhaft, wie bei allen kapitaliſtiſchen und zugleich bureaukratiſierten Betrieben. Aber der „Geiſt“, der in ihnen herrſcht, iſt ein anderer als die althiſtoriſche Atmoſphäre der deutſchen Univerſitäten. Es beſteht eine außerordentlich ſtarke Kluft, äußerlich und inner- lich, zwiſchen dem Chef eines ſolchen großen kapitaliſtiſchen Univerſitätsunternehmens und dem gewöhnlichen Ordinarius alten Stils. Auch in der inneren Haltung. Jch möchte das hier nicht weiter ausführen. Jnnerlich ebenſo wie äußerlich iſt die alte Univerſitätsverfaſſung fiktiv geworden. Geblieben aber und weſentlich geſteigert iſt ein der Univerſitätslaufbahn eigenes Moment: Ob es einem ſolchen Privatdozenten, vollends einem Aſſiſtenten, jemals gelingt, in die Stelle eines vollen Ordinarius und gar eines Jnſtitutsvorſtandes einzu- rücken, iſt eine Angelegenheit, die einfach Hazard iſt. Gewiß: nicht nur der Zufall herrſcht, aber er herrſcht doch in ungewöhnlich hohem Grade. Jch kenne kaum eine Laufbahn auf Erden, wo er eine ſolche Rolle ſpielt. Jch darf das um ſo mehr ſagen, als ich perſönlich es einigen abſoluten Zufällig- keiten zu verdanken habe, daß ich ſeinerzeit in ſehr jungen Jahren in eine ordentliche Profeſſur eines Faches berufen wurde, in welchem damals Altersgenoſſen unzweifelhaft mehr als ich geleiſtet hatten. Und ich bilde mir allerdings ein, auf Grund dieſer Erfahrung ein geſchärftes Auge für das unverdiente Schickſal der vielen zu haben, bei denen der Zufall gerade umgekehrt geſpielt hat und noch ſpielt, und die trotz aller Tüchtigkeit innerhalb dieſes Ausleſeapparates nicht an die Stelle gelangen, die ihnen gebühren würde. Daß nun der Hazard und nicht die Tüchtigkeit als ſolche eine ſo große Rolle ſpielt, liegt nicht allein und nicht einmal vorzugsweiſe an den Menſchlichkeiten, die natürlich bei dieſer

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Zitationshilfe: Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_wissenschaft_1919/5>, abgerufen am 23.11.2024.