Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.lich- das "Opfer des Jntellektes" zu bringen, so oder so. lich– das „Opfer des Jntellektes“ zu bringen, ſo oder ſo. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0036" n="37"/> lich– das „Opfer des Jntellektes“ zu bringen, ſo oder ſo.<lb/> Wir werden ihn darum nicht ſchelten, wenn er es wirklich<lb/> vermag. Denn ein ſolches Opfer des Jntellekts zugunſten<lb/> einer bedingungsloſen religiöſen Hingabe iſt ſittlich immerhin<lb/> doch etwas anderes als jene Umgehung der ſchlichten intellek-<lb/> tuellen Rechtſchaffenheitspflicht, die eintritt, wenn man ſich<lb/> ſelbſt nicht klar zu werden den Mut hat über die eigene letzte<lb/> Stellungnahme, ſondern dieſe Pflicht durch ſchwächliche Rela-<lb/> tivierung ſich erleichtert. Und mir ſteht ſie auch höher als<lb/> jene Kathederprophetie, die ſich darüber nicht klar iſt, daß<lb/> innerhalb der Räume des Hörſaals nun einmal keine andere<lb/> Tugend gilt als eben: ſchlichte intellektuelle Rechtſchaffen-<lb/> heit. Sie aber gebietet uns, feſtzuſtellen, daß heute für alle<lb/> jene vielen, die auf neue Propheten und Heilande harren,<lb/> die Lage die gleiche iſt, wie ſie aus jenem ſchönen, unter die<lb/> Jeſaja-Orakel aufgenommenen edomitiſchen Wächterlied in der<lb/> Exilszeit klingt: „Es kommt ein Ruf aus Seir in Edom:<lb/> Wächter, wie lang noch die Nacht? Der Wächter ſpricht:<lb/> Es kommt der Morgen, aber noch iſt es Nacht. Wenn ihr<lb/> fragen wollt, kommt ein ander Mal wieder.“ Das Volk,<lb/> dem das geſagt wurde, hat gefragt und geharrt durch weit<lb/> mehr als zwei Jahrtauſende, und wir kennen ſein erſchütterndes<lb/> Schickſal. Daraus wollen wir die Lehre ziehen: daß es mit<lb/> dem Sehnen und Harren allein nicht getan iſt, und es anders<lb/> machen: an unſere Arbeit gehen und der „Forderung des<lb/> Tages“ gerecht werden – menſchlich ſowohl wie beruflich.<lb/> Die aber iſt ſchlicht und einfach, wenn jeder den Dämon<lb/> findet und ihm gehorcht, der <hi rendition="#g">seines</hi> Lebens Fäden hält.</p><lb/> </div> </body> <back> <div type="postface"> </div> </back> </text> </TEI> [37/0036]
lich– das „Opfer des Jntellektes“ zu bringen, ſo oder ſo.
Wir werden ihn darum nicht ſchelten, wenn er es wirklich
vermag. Denn ein ſolches Opfer des Jntellekts zugunſten
einer bedingungsloſen religiöſen Hingabe iſt ſittlich immerhin
doch etwas anderes als jene Umgehung der ſchlichten intellek-
tuellen Rechtſchaffenheitspflicht, die eintritt, wenn man ſich
ſelbſt nicht klar zu werden den Mut hat über die eigene letzte
Stellungnahme, ſondern dieſe Pflicht durch ſchwächliche Rela-
tivierung ſich erleichtert. Und mir ſteht ſie auch höher als
jene Kathederprophetie, die ſich darüber nicht klar iſt, daß
innerhalb der Räume des Hörſaals nun einmal keine andere
Tugend gilt als eben: ſchlichte intellektuelle Rechtſchaffen-
heit. Sie aber gebietet uns, feſtzuſtellen, daß heute für alle
jene vielen, die auf neue Propheten und Heilande harren,
die Lage die gleiche iſt, wie ſie aus jenem ſchönen, unter die
Jeſaja-Orakel aufgenommenen edomitiſchen Wächterlied in der
Exilszeit klingt: „Es kommt ein Ruf aus Seir in Edom:
Wächter, wie lang noch die Nacht? Der Wächter ſpricht:
Es kommt der Morgen, aber noch iſt es Nacht. Wenn ihr
fragen wollt, kommt ein ander Mal wieder.“ Das Volk,
dem das geſagt wurde, hat gefragt und geharrt durch weit
mehr als zwei Jahrtauſende, und wir kennen ſein erſchütterndes
Schickſal. Daraus wollen wir die Lehre ziehen: daß es mit
dem Sehnen und Harren allein nicht getan iſt, und es anders
machen: an unſere Arbeit gehen und der „Forderung des
Tages“ gerecht werden – menſchlich ſowohl wie beruflich.
Die aber iſt ſchlicht und einfach, wenn jeder den Dämon
findet und ihm gehorcht, der seines Lebens Fäden hält.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.
(2018-02-07T08:13:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-02-07T08:13:52Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |