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Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.

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heute dahingestellt. Aber damit ist die Leistung der Wissenschaft
glücklicherweise auch noch nicht zu Ende, sondern wir sind in der
Lage, Jhnen zu einem Dritten zu verhelfen: zur Klarheit. Vor-
ausgesetzt natürlich, daß wir sie selbst besitzen. Soweit dies der Fall
ist, können wir Jhnen deutlich machen: man kann zu dem Wert-
problem, um das es sich jeweils handelt - ich bitte Sie, der Ein-
fachheit halber an soziale Erscheinungen als Beispiel zu denken -
praktisch die und die verschiedene Stellung einnehmen. Wenn
man die und die Stellung einnimmt, so muß man nach den Er-
fahrungen der Wissenschaft die und die Mittel anwenden, um
sie praktisch zur Durchführung zu bringen. Diese Mittel sind
nun vielleicht schon an sich solche, die Sie ablehnen zu müssen
glauben. Dann muß man zwischen dem Zweck und den un-
vermeidlichen Mitteln eben wählen. "Heiligt" der Zweck diese
Mittel oder nicht? Der Lehrer kann die Notwendigkeit dieser
Wahl vor Sie hinstellen, mehr kann er, solange er Lehrer
bleiben und nicht Demagoge werden will, nicht. Er kann
Jhnen ferner natürlich sagen: wenn Sie den und den Zweck
wollen, dann müssen Sie die und die Nebenerfolge, die dann
erfahrungsgemäß eintreten, mit in Kauf nehmen: wieder die
gleiche Lage. Jndessen das sind alles noch Probleme, wie sie
für jeden Techniker auch entstehen können, der ja auch in zahl-
reichen Fällen nach dem Prinzip des kleineren Übels oder des
relativ Besten sich entscheiden muß. Nur daß für ihn eins,
die Hauptsache, gegeben zu sein pflegt: der Zweck. Aber eben
dies ist nun für uns, sobald es sich um wirklich "letzte"
Probleme handelt, nicht der Fall. Und damit erst gelangen
wir zu der letzten Leistung, welche die Wissenschaft als solche
im Dienste der Klarheit vollbringen kann, und zugleich zu
ihren Grenzen: wir können - und sollen - Jhnen auch sagen:
die und die praktische Stellungnahme läßt sich mit innerer
Konsequenz und also: Ehrlichkeit ihrem Sinn nach ableiten
aus der und der letzten weltanschauungsmäßigen Grundposition
- es kann sein, aus nur einer, oder es können vielleicht ver-
schiedene sein -, aber aus den und den anderen nicht. Jhr
dient, bildlich geredet, diesem Gott und kränkt jenen
anderen
, wenn Jhr Euch für diese Stellungnahme entschließt.

heute dahingeſtellt. Aber damit iſt die Leiſtung der Wiſſenſchaft
glücklicherweiſe auch noch nicht zu Ende, ſondern wir ſind in der
Lage, Jhnen zu einem Dritten zu verhelfen: zur Klarheit. Vor-
ausgeſetzt natürlich, daß wir ſie ſelbſt beſitzen. Soweit dies der Fall
iſt, können wir Jhnen deutlich machen: man kann zu dem Wert-
problem, um das es ſich jeweils handelt – ich bitte Sie, der Ein-
fachheit halber an ſoziale Erſcheinungen als Beiſpiel zu denken –
praktiſch die und die verſchiedene Stellung einnehmen. Wenn
man die und die Stellung einnimmt, ſo muß man nach den Er-
fahrungen der Wiſſenſchaft die und die Mittel anwenden, um
ſie praktiſch zur Durchführung zu bringen. Dieſe Mittel ſind
nun vielleicht ſchon an ſich ſolche, die Sie ablehnen zu müſſen
glauben. Dann muß man zwiſchen dem Zweck und den un-
vermeidlichen Mitteln eben wählen. „Heiligt“ der Zweck dieſe
Mittel oder nicht? Der Lehrer kann die Notwendigkeit dieſer
Wahl vor Sie hinſtellen, mehr kann er, ſolange er Lehrer
bleiben und nicht Demagoge werden will, nicht. Er kann
Jhnen ferner natürlich ſagen: wenn Sie den und den Zweck
wollen, dann müſſen Sie die und die Nebenerfolge, die dann
erfahrungsgemäß eintreten, mit in Kauf nehmen: wieder die
gleiche Lage. Jndeſſen das ſind alles noch Probleme, wie ſie
für jeden Techniker auch entſtehen können, der ja auch in zahl-
reichen Fällen nach dem Prinzip des kleineren Übels oder des
relativ Beſten ſich entſcheiden muß. Nur daß für ihn eins,
die Hauptſache, gegeben zu ſein pflegt: der Zweck. Aber eben
dies iſt nun für uns, ſobald es ſich um wirklich „letzte“
Probleme handelt, nicht der Fall. Und damit erſt gelangen
wir zu der letzten Leiſtung, welche die Wiſſenſchaft als ſolche
im Dienſte der Klarheit vollbringen kann, und zugleich zu
ihren Grenzen: wir können – und ſollen – Jhnen auch ſagen:
die und die praktiſche Stellungnahme läßt ſich mit innerer
Konſequenz und alſo: Ehrlichkeit ihrem Sinn nach ableiten
aus der und der letzten weltanſchauungsmäßigen Grundpoſition
– es kann ſein, aus nur einer, oder es können vielleicht ver-
ſchiedene ſein –, aber aus den und den anderen nicht. Jhr
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, wenn Jhr Euch für dieſe Stellungnahme entſchließt.

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[31/0030] heute dahingeſtellt. Aber damit iſt die Leiſtung der Wiſſenſchaft glücklicherweiſe auch noch nicht zu Ende, ſondern wir ſind in der Lage, Jhnen zu einem Dritten zu verhelfen: zur Klarheit. Vor- ausgeſetzt natürlich, daß wir ſie ſelbſt beſitzen. Soweit dies der Fall iſt, können wir Jhnen deutlich machen: man kann zu dem Wert- problem, um das es ſich jeweils handelt – ich bitte Sie, der Ein- fachheit halber an ſoziale Erſcheinungen als Beiſpiel zu denken – praktiſch die und die verſchiedene Stellung einnehmen. Wenn man die und die Stellung einnimmt, ſo muß man nach den Er- fahrungen der Wiſſenſchaft die und die Mittel anwenden, um ſie praktiſch zur Durchführung zu bringen. Dieſe Mittel ſind nun vielleicht ſchon an ſich ſolche, die Sie ablehnen zu müſſen glauben. Dann muß man zwiſchen dem Zweck und den un- vermeidlichen Mitteln eben wählen. „Heiligt“ der Zweck dieſe Mittel oder nicht? Der Lehrer kann die Notwendigkeit dieſer Wahl vor Sie hinſtellen, mehr kann er, ſolange er Lehrer bleiben und nicht Demagoge werden will, nicht. Er kann Jhnen ferner natürlich ſagen: wenn Sie den und den Zweck wollen, dann müſſen Sie die und die Nebenerfolge, die dann erfahrungsgemäß eintreten, mit in Kauf nehmen: wieder die gleiche Lage. Jndeſſen das ſind alles noch Probleme, wie ſie für jeden Techniker auch entſtehen können, der ja auch in zahl- reichen Fällen nach dem Prinzip des kleineren Übels oder des relativ Beſten ſich entſcheiden muß. Nur daß für ihn eins, die Hauptſache, gegeben zu ſein pflegt: der Zweck. Aber eben dies iſt nun für uns, ſobald es ſich um wirklich „letzte“ Probleme handelt, nicht der Fall. Und damit erſt gelangen wir zu der letzten Leiſtung, welche die Wiſſenſchaft als ſolche im Dienſte der Klarheit vollbringen kann, und zugleich zu ihren Grenzen: wir können – und ſollen – Jhnen auch ſagen: die und die praktiſche Stellungnahme läßt ſich mit innerer Konſequenz und alſo: Ehrlichkeit ihrem Sinn nach ableiten aus der und der letzten weltanſchauungsmäßigen Grundpoſition – es kann ſein, aus nur einer, oder es können vielleicht ver- ſchiedene ſein –, aber aus den und den anderen nicht. Jhr dient, bildlich geredet, dieſem Gott und kränkt jenen anderen, wenn Jhr Euch für dieſe Stellungnahme entſchließt.

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Zitationshilfe: Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_wissenschaft_1919/30>, abgerufen am 29.11.2024.