Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.wissen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine Ein weiterer Unterschied gegenüber Amerika ist der: Bei wiſſen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine Ein weiterer Unterſchied gegenüber Amerika iſt der: Bei <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0003" n="4"/> wiſſen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine<lb/> Stellung, die für den Unterhalt ausreicht. Jn den Vereinigten<lb/> Staaten dagegen beſteht das bureaukratiſche Syſtem. Da wird<lb/> der junge Mann von Anfang an beſoldet. Beſcheiden freilich.<lb/> Der Gehalt entſpricht meiſt kaum der Höhe der Entlohnung<lb/> eines nicht völlig ungelernten Arbeiters. Jmmerhin: er be-<lb/> ginnt mit einer ſcheinbar ſicheren Stellung, denn er iſt feſt<lb/> beſoldet. Allein die Regel iſt, daß ihm, wie unſeren Aſſiſtenten,<lb/> gekündigt werden kann, und das hat er vielfach rückſichtslos zu<lb/> gewärtigen, wenn er den Erwartungen nicht entſpricht. Dieſe<lb/> Erwartungen aber gehen dahin, daß er „volle Häuſer“ macht.<lb/> Das kann einem deutſchen Privatdozenten nicht paſſieren. Hat<lb/> man ihn einmal, ſo wird man ihn nicht mehr los. Zwar „An-<lb/> ſprüche“ hat er nicht. Aber er hat doch die begreifliche Vor-<lb/> ſtellung: daß er, wenn er jahrelang tätig war, eine Art<lb/> moraliſches Recht habe, daß man auf ihn Rückſicht nimmt.<lb/> Auch – das iſt oft wichtig – bei der Frage der eventuellen<lb/> Habilitierung anderer Privatdozenten. Die Frage: ob man<lb/> grundſätzlich jeden, als tüchtig legitimierten, Gelehrten habili-<lb/> tieren oder ob man auf den „Lehrbedarf“ Rückſicht nehmen,<lb/> alſo den einmal vorhandenen Dozenten ein Monopol des<lb/> Lehrens geben ſolle, iſt ein peinliches Dilemma, welches mit<lb/> dem bald zu erwähnenden Doppelgeſicht des akademiſchen Be-<lb/> rufes zuſammenhängt. Meiſt entſcheidet man ſich für das<lb/> zweite. Das bedeutet aber eine Steigerung der Gefahr, daß<lb/> der betreffende Fachordinarius, bei ſubjektiv größter Gewiſſen-<lb/> haftigkeit, doch ſeine eigenen Schüler bevorzugt. Perſönlich<lb/> habe ich – um das zu ſagen – den Grundſatz befolgt: daß<lb/> ein bei mir promovierter Gelehrter ſich bei einem <hi rendition="#g">andern</hi><lb/> als mir und anderswo legitimieren und habilitieren müſſe.<lb/> Aber das Reſultat war: daß einer meiner tüchtigſten Schüler<lb/> anderwärts abgewieſen wurde, weil niemand ihm <hi rendition="#g">glaubte</hi>,<lb/> daß dies der Grund ſei.</p><lb/> <p>Ein weiterer Unterſchied gegenüber Amerika iſt der: Bei<lb/> uns hat im allgemeinen der Privatdozent <hi rendition="#g">weniger</hi> mit Vor-<lb/> leſungen zu tun, als er wünſcht. Er kann zwar dem Rechte<lb/> nach jede Vorleſung ſeines Faches leſen. Das gilt aber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0003]
wiſſen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine
Stellung, die für den Unterhalt ausreicht. Jn den Vereinigten
Staaten dagegen beſteht das bureaukratiſche Syſtem. Da wird
der junge Mann von Anfang an beſoldet. Beſcheiden freilich.
Der Gehalt entſpricht meiſt kaum der Höhe der Entlohnung
eines nicht völlig ungelernten Arbeiters. Jmmerhin: er be-
ginnt mit einer ſcheinbar ſicheren Stellung, denn er iſt feſt
beſoldet. Allein die Regel iſt, daß ihm, wie unſeren Aſſiſtenten,
gekündigt werden kann, und das hat er vielfach rückſichtslos zu
gewärtigen, wenn er den Erwartungen nicht entſpricht. Dieſe
Erwartungen aber gehen dahin, daß er „volle Häuſer“ macht.
Das kann einem deutſchen Privatdozenten nicht paſſieren. Hat
man ihn einmal, ſo wird man ihn nicht mehr los. Zwar „An-
ſprüche“ hat er nicht. Aber er hat doch die begreifliche Vor-
ſtellung: daß er, wenn er jahrelang tätig war, eine Art
moraliſches Recht habe, daß man auf ihn Rückſicht nimmt.
Auch – das iſt oft wichtig – bei der Frage der eventuellen
Habilitierung anderer Privatdozenten. Die Frage: ob man
grundſätzlich jeden, als tüchtig legitimierten, Gelehrten habili-
tieren oder ob man auf den „Lehrbedarf“ Rückſicht nehmen,
alſo den einmal vorhandenen Dozenten ein Monopol des
Lehrens geben ſolle, iſt ein peinliches Dilemma, welches mit
dem bald zu erwähnenden Doppelgeſicht des akademiſchen Be-
rufes zuſammenhängt. Meiſt entſcheidet man ſich für das
zweite. Das bedeutet aber eine Steigerung der Gefahr, daß
der betreffende Fachordinarius, bei ſubjektiv größter Gewiſſen-
haftigkeit, doch ſeine eigenen Schüler bevorzugt. Perſönlich
habe ich – um das zu ſagen – den Grundſatz befolgt: daß
ein bei mir promovierter Gelehrter ſich bei einem andern
als mir und anderswo legitimieren und habilitieren müſſe.
Aber das Reſultat war: daß einer meiner tüchtigſten Schüler
anderwärts abgewieſen wurde, weil niemand ihm glaubte,
daß dies der Grund ſei.
Ein weiterer Unterſchied gegenüber Amerika iſt der: Bei
uns hat im allgemeinen der Privatdozent weniger mit Vor-
leſungen zu tun, als er wünſcht. Er kann zwar dem Rechte
nach jede Vorleſung ſeines Faches leſen. Das gilt aber
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