Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.menschlicher Verbände ist es, was die Besonderheit aller ethischen Wer immer mit diesem Mittel paktiert, zu welchen Zwecken menſchlicher Verbände iſt es, was die Beſonderheit aller ethiſchen Wer immer mit dieſem Mittel paktiert, zu welchen Zwecken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0062" n="62"/> menſchlicher Verbände iſt es, was die Beſonderheit aller ethiſchen<lb/> Probleme der Politik bedingt.</p><lb/> <p>Wer immer mit dieſem Mittel paktiert, zu welchen Zwecken<lb/> immer – und jeder Politiker tut das –, der iſt ſeinen ſpezifiſchen<lb/> Konſequenzen ausgeliefert. Jn beſonders hohem Maß iſt es<lb/> der Glaubenskämpfer, der religiöſe wie der revolutionäre.<lb/> Nehmen wir getroſt die Gegenwart als Beiſpiel an. Wer<lb/> die abſolute Gerechtigkeit auf Erden mit <hi rendition="#g">Gewalt</hi> herſtellen will,<lb/> der bedarf dazu der Gefolgſchaft: des menſchlichen „Apparates“.<lb/> Dieſem muß er die nötigen inneren und äußeren Prämien<lb/> – <choice><sic>himmlichen</sic><corr>himmliſchen</corr></choice> oder irdiſchen Lohn – in Ausſicht ſtellen, ſonſt<lb/> funktioniert er nicht. Alſo innere: unter der Bedingung des<lb/> modernen Klaſſenkampfes, Befriedigung des Haſſes und der<lb/> Rachſucht, vor allem: des Reſſentiments und des Bedürfniſſes<lb/> nach pſeudoethiſcher Rechthaberei, alſo des Verläſterungs- und<lb/> Verketzerungsbedürfniſſes gegen die Gegner. Äußere: Aben-<lb/> teuer, Sieg, Beute, Macht und Pfründen. Von dem Funktio-<lb/> nieren dieſes ſeines Apparates iſt der Führer in ſeinem Er-<lb/> folg völlig abhängig. Daher auch von <hi rendition="#g">deſſen</hi> – nicht: von<lb/> ſeinen eigenen – Motiven. Davon alſo, daß der Gefolgſchaft:<lb/> der roten Garde, den Spitzeln, den Agitatoren, die er bedarf,<lb/> jene Prämien <hi rendition="#g">dauernd</hi> gewährt werden können. Was er unter<lb/> ſolchen Bedingungen ſeines Wirkens tatsächlich erreicht, ſteht<lb/> daher nicht in ſeiner Hand, ſondern iſt ihm vorgeſchrieben durch<lb/> jene ethiſch überwiegend gemeinen Motive des Handelns ſeiner<lb/> Gefolgſchaft, die nur im Zaum gehalten werden, ſolange ehr-<lb/> licher Glaube an ſeine Perſon und ſeine Sache wenigſtens<lb/> einen Teil der Genoſſenſchaft: wohl nie auf Erden auch nur<lb/> die Mehrzahl, beſeelt. Aber nicht nur iſt dieſer Glaube, auch<lb/> wo er ſubjektiv ehrlich iſt, in einem ſehr großen Teil der Fälle<lb/> in Wahrheit nur die ethiſche „Legitimierung“ der Rache-,<lb/> Macht-, Beute- und Pfründenſucht: – darüber laſſen wir uns<lb/> nichts vorreden, denn die materialiſtiſche Geſchichtsdeutung iſt<lb/> auch kein beliebig zu beſteigender Fiaker und macht vor den<lb/> Trägern von Revolutionen nicht halt! – ſondern vor allem:<lb/> der traditionaliſtiſche <hi rendition="#g">Alltag</hi> kommt nach der emotionalen<lb/> Revolution, der Glaubensheld und vor allem der Glaube ſelbſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0062]
menſchlicher Verbände iſt es, was die Beſonderheit aller ethiſchen
Probleme der Politik bedingt.
Wer immer mit dieſem Mittel paktiert, zu welchen Zwecken
immer – und jeder Politiker tut das –, der iſt ſeinen ſpezifiſchen
Konſequenzen ausgeliefert. Jn beſonders hohem Maß iſt es
der Glaubenskämpfer, der religiöſe wie der revolutionäre.
Nehmen wir getroſt die Gegenwart als Beiſpiel an. Wer
die abſolute Gerechtigkeit auf Erden mit Gewalt herſtellen will,
der bedarf dazu der Gefolgſchaft: des menſchlichen „Apparates“.
Dieſem muß er die nötigen inneren und äußeren Prämien
– himmliſchen oder irdiſchen Lohn – in Ausſicht ſtellen, ſonſt
funktioniert er nicht. Alſo innere: unter der Bedingung des
modernen Klaſſenkampfes, Befriedigung des Haſſes und der
Rachſucht, vor allem: des Reſſentiments und des Bedürfniſſes
nach pſeudoethiſcher Rechthaberei, alſo des Verläſterungs- und
Verketzerungsbedürfniſſes gegen die Gegner. Äußere: Aben-
teuer, Sieg, Beute, Macht und Pfründen. Von dem Funktio-
nieren dieſes ſeines Apparates iſt der Führer in ſeinem Er-
folg völlig abhängig. Daher auch von deſſen – nicht: von
ſeinen eigenen – Motiven. Davon alſo, daß der Gefolgſchaft:
der roten Garde, den Spitzeln, den Agitatoren, die er bedarf,
jene Prämien dauernd gewährt werden können. Was er unter
ſolchen Bedingungen ſeines Wirkens tatsächlich erreicht, ſteht
daher nicht in ſeiner Hand, ſondern iſt ihm vorgeſchrieben durch
jene ethiſch überwiegend gemeinen Motive des Handelns ſeiner
Gefolgſchaft, die nur im Zaum gehalten werden, ſolange ehr-
licher Glaube an ſeine Perſon und ſeine Sache wenigſtens
einen Teil der Genoſſenſchaft: wohl nie auf Erden auch nur
die Mehrzahl, beſeelt. Aber nicht nur iſt dieſer Glaube, auch
wo er ſubjektiv ehrlich iſt, in einem ſehr großen Teil der Fälle
in Wahrheit nur die ethiſche „Legitimierung“ der Rache-,
Macht-, Beute- und Pfründenſucht: – darüber laſſen wir uns
nichts vorreden, denn die materialiſtiſche Geſchichtsdeutung iſt
auch kein beliebig zu beſteigender Fiaker und macht vor den
Trägern von Revolutionen nicht halt! – ſondern vor allem:
der traditionaliſtiſche Alltag kommt nach der emotionalen
Revolution, der Glaubensheld und vor allem der Glaube ſelbſt
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Zitationshilfe: | Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/62>, abgerufen am 17.02.2025. |