Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.fessor Förster sonst nahesteht, sind bekanntlich die "consilia evan- feſſor Förſter ſonſt naheſteht, ſind bekanntlich die „consilia evan- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0061" n="61"/> feſſor Förſter ſonſt naheſteht, ſind bekanntlich die <hi rendition="#aq">„consilia evan</hi>-<lb/><hi rendition="#aq">gelica“</hi> eine Sonderethik für die mit dem Charisma des heiligen<lb/> Lebens begabten. Da ſteht neben dem Mönch, der kein Blut<lb/> vergießen und keinen Erwerb ſuchen darf, der fromme Ritter<lb/> und Bürger, die, der eine dies, der andere jenes, dürfen. Die<lb/> Abſtufung der Ethik und ihre Einfügung in einen Organismus<lb/> der Heilslehre iſt minder konſequent als in Jndien, mußte<lb/> und durfte dies auch nach den chriſtlichen Glaubensvoraus-<lb/> ſetzungen ſein. Die erbsündliche Verderbtheit der Welt ge-<lb/> ſtattete eine Einfügung der Gewaltſamkeit in die Ethik als<lb/> Zuchtmittel gegen die Sünde und die ſeelengefährdenden Ketzer<lb/> relativ leicht. – Die rein geſinnungsethiſchen, akosmiſtiſchen<lb/> Forderungen der Bergpredigt aber und das darauf ruhende<lb/> religiöſe Naturrecht als abſolute Forderung behielten ihre<lb/> revolutionierende Gewalt und traten in faſt allen Zeiten ſozialer<lb/> Erſchütterung mit elementarer Wucht auf den Plan. Sie<lb/> ſchufen insbeſondere die radikal-pazifiſtiſchen Sekten, deren eine<lb/> in Pennſylvanien das Experiment eines nach außen gewaltloſen<lb/> Staatsweſens machte, – tragiſch in ſeinem Verlauf inſofern,<lb/> als die Quäker, als der Unabhängigkeitskrieg ausbrach, für<lb/> ihre Jdeale, die er vertrat, nicht mit der Waffe eintreten<lb/> konnten. – Der normale Proteſtantismus dagegen legiti-<lb/> mierte den Staat, alſo: das Mittel der Gewaltſamkeit; als<lb/> göttliche Einrichtung abſolut und den legitimen Obrigkeits-<lb/> ſtaat insbeſondere. Die ethiſche Verantwortung für den<lb/> Krieg nahm Luther dem Einzelnen ab und wälzte ſie auf die<lb/> Obrigkeit, der zu gehorchen in anderen Dingen als Glaubens-<lb/> ſachen niemals ſchuldhaft ſein konnte. Der Kalvinismus<lb/> wieder kannte prinzipiell die Gewalt als Mittel der Glaubens-<lb/> verteidigung, alſo den Glaubenskrieg, der im Jſlam von An-<lb/> fang an Lebenselement war. Man ſieht: es iſt durchaus<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi> moderner, aus dem Heroenkult der Renaiſſance ge-<lb/> borener Unglaube, der das Problem der politiſchen Ethik auf-<lb/> wirft. Alle Religionen haben damit gerungen, mit höchſt<lb/> verſchiedenem Erfolg, – und nach dem Geſagten konnte es<lb/> auch nicht anders ſein. Das ſpezifiſche Mittel der <hi rendition="#g">legi-<lb/> timen Gewaltſamkeit</hi> rein als ſolches in der Hand<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0061]
feſſor Förſter ſonſt naheſteht, ſind bekanntlich die „consilia evan-
gelica“ eine Sonderethik für die mit dem Charisma des heiligen
Lebens begabten. Da ſteht neben dem Mönch, der kein Blut
vergießen und keinen Erwerb ſuchen darf, der fromme Ritter
und Bürger, die, der eine dies, der andere jenes, dürfen. Die
Abſtufung der Ethik und ihre Einfügung in einen Organismus
der Heilslehre iſt minder konſequent als in Jndien, mußte
und durfte dies auch nach den chriſtlichen Glaubensvoraus-
ſetzungen ſein. Die erbsündliche Verderbtheit der Welt ge-
ſtattete eine Einfügung der Gewaltſamkeit in die Ethik als
Zuchtmittel gegen die Sünde und die ſeelengefährdenden Ketzer
relativ leicht. – Die rein geſinnungsethiſchen, akosmiſtiſchen
Forderungen der Bergpredigt aber und das darauf ruhende
religiöſe Naturrecht als abſolute Forderung behielten ihre
revolutionierende Gewalt und traten in faſt allen Zeiten ſozialer
Erſchütterung mit elementarer Wucht auf den Plan. Sie
ſchufen insbeſondere die radikal-pazifiſtiſchen Sekten, deren eine
in Pennſylvanien das Experiment eines nach außen gewaltloſen
Staatsweſens machte, – tragiſch in ſeinem Verlauf inſofern,
als die Quäker, als der Unabhängigkeitskrieg ausbrach, für
ihre Jdeale, die er vertrat, nicht mit der Waffe eintreten
konnten. – Der normale Proteſtantismus dagegen legiti-
mierte den Staat, alſo: das Mittel der Gewaltſamkeit; als
göttliche Einrichtung abſolut und den legitimen Obrigkeits-
ſtaat insbeſondere. Die ethiſche Verantwortung für den
Krieg nahm Luther dem Einzelnen ab und wälzte ſie auf die
Obrigkeit, der zu gehorchen in anderen Dingen als Glaubens-
ſachen niemals ſchuldhaft ſein konnte. Der Kalvinismus
wieder kannte prinzipiell die Gewalt als Mittel der Glaubens-
verteidigung, alſo den Glaubenskrieg, der im Jſlam von An-
fang an Lebenselement war. Man ſieht: es iſt durchaus
nicht moderner, aus dem Heroenkult der Renaiſſance ge-
borener Unglaube, der das Problem der politiſchen Ethik auf-
wirft. Alle Religionen haben damit gerungen, mit höchſt
verſchiedenem Erfolg, – und nach dem Geſagten konnte es
auch nicht anders ſein. Das ſpezifiſche Mittel der legi-
timen Gewaltſamkeit rein als ſolches in der Hand
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