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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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Herrschaft, wie sie der moderne "Staatsdiener" und alle jene
Träger von Macht ausüben, die ihm in dieser Hinsicht
ähneln. - Es versteht sich, daß in der Realität höchst massive
Motive der Furcht und der Hoffnung - Furcht vor der
Rache magischer Mächte oder des Machthabers, Hoffnung
auf jenseitigen oder diesseitigen Lohn - und daneben Jnteressen
verschiedenster Art die Fügsamkeit bedingen. Davon sogleich.
Aber wenn man nach den "Legitimitäts"gründen dieser Fügsam-
keit fragt, dann allerdings stößt man auf diese drei "reinen"
Typen. Und diese Legitimitätsvorstellungen und ihre innere Be-
gründung sind für die Struktur der Herrschaft von sehr erheblicher
Bedeutung. Die reinen Typen finden sich freilich in der Wirk-
lichkeit selten. Aber es kann heute auf die höchst verwickelten
Abwandlungen, Übergänge und Kombinationen dieser reinen
Typen nicht eingegangen werden: das gehört zu dem Problem
der "allgemeinen Staatslehre". Uns interessiert hier vor allem
der zweite von jenen Typen: die Herrschaft kraft Hingabe der
Gehorchenden an das rein persönliche "Charisma" des "Führers".
Denn hier wurzelt der Gedanke des Berufs in seiner höchsten
Ausprägung. Die Hingabe an das Charisma des Propheten
oder des Führers im Kriege oder des ganz großen Demagogen
in der Ekklesia oder im Parlament bedeutet ja, daß er persönlich
als der innerlich "berufene" Leiter der Menschen gilt, daß
diese sich ihm nicht kraft Sitte oder Satzung fügen, sondern
weil sie an ihn glauben. Er selbst zwar lebt seiner Sache,
"trachtet nach seinem Werk", wenn er mehr ist als ein enger
und eitler Emporkömmling des Augenblicks. Seiner Person
und ihren Qualitäten aber gilt die Hingabe seines Anhanges:
der Jüngerschaft, der Gefolgschaft, der ganz persönlichen
Parteigängerschaft. Jn den beiden in der Vergangenheit
wichtigsten Figuren: des Magiers und Propheten einerseits,
des gekorenen Kriegsfürsten, Bandenführers, Condottiere ander-
seits, ist das Führertum in allen Gebieten und historischen
Epochen aufgetreten. Dem Okzident eigentümlich ist aber, was
uns näher angeht: das politische Führertum in der Gestalt
zuerst des freien "Demagogen", der auf dem Boden des nur
dem Abendland, vor allem der mittelländischen Kultur, eigenen

Herrſchaft, wie ſie der moderne „Staatsdiener“ und alle jene
Träger von Macht ausüben, die ihm in dieſer Hinſicht
ähneln. – Es verſteht ſich, daß in der Realität höchſt maſſive
Motive der Furcht und der Hoffnung – Furcht vor der
Rache magiſcher Mächte oder des Machthabers, Hoffnung
auf jenſeitigen oder diesſeitigen Lohn – und daneben Jntereſſen
verſchiedenſter Art die Fügſamkeit bedingen. Davon ſogleich.
Aber wenn man nach den „Legitimitäts“gründen dieſer Fügſam-
keit fragt, dann allerdings ſtößt man auf dieſe drei „reinen“
Typen. Und dieſe Legitimitätsvorſtellungen und ihre innere Be-
gründung ſind für die Struktur der Herrſchaft von ſehr erheblicher
Bedeutung. Die reinen Typen finden ſich freilich in der Wirk-
lichkeit ſelten. Aber es kann heute auf die höchſt verwickelten
Abwandlungen, Übergänge und Kombinationen dieſer reinen
Typen nicht eingegangen werden: das gehört zu dem Problem
der „allgemeinen Staatslehre“. Uns intereſſiert hier vor allem
der zweite von jenen Typen: die Herrſchaft kraft Hingabe der
Gehorchenden an das rein perſönliche „Charisma“ des „Führers“.
Denn hier wurzelt der Gedanke des Berufs in ſeiner höchſten
Ausprägung. Die Hingabe an das Charisma des Propheten
oder des Führers im Kriege oder des ganz großen Demagogen
in der Ekkleſia oder im Parlament bedeutet ja, daß er perſönlich
als der innerlich „berufene“ Leiter der Menſchen gilt, daß
dieſe ſich ihm nicht kraft Sitte oder Satzung fügen, ſondern
weil ſie an ihn glauben. Er ſelbſt zwar lebt ſeiner Sache,
„trachtet nach ſeinem Werk“, wenn er mehr iſt als ein enger
und eitler Emporkömmling des Augenblicks. Seiner Perſon
und ihren Qualitäten aber gilt die Hingabe ſeines Anhanges:
der Jüngerſchaft, der Gefolgſchaft, der ganz perſönlichen
Parteigängerſchaft. Jn den beiden in der Vergangenheit
wichtigſten Figuren: des Magiers und Propheten einerſeits,
des gekorenen Kriegsfürſten, Bandenführers, Condottiere ander-
ſeits, iſt das Führertum in allen Gebieten und hiſtoriſchen
Epochen aufgetreten. Dem Okzident eigentümlich iſt aber, was
uns näher angeht: das politiſche Führertum in der Geſtalt
zuerſt des freien „Demagogen“, der auf dem Boden des nur
dem Abendland, vor allem der mittelländiſchen Kultur, eigenen

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[6/0006] Herrſchaft, wie ſie der moderne „Staatsdiener“ und alle jene Träger von Macht ausüben, die ihm in dieſer Hinſicht ähneln. – Es verſteht ſich, daß in der Realität höchſt maſſive Motive der Furcht und der Hoffnung – Furcht vor der Rache magiſcher Mächte oder des Machthabers, Hoffnung auf jenſeitigen oder diesſeitigen Lohn – und daneben Jntereſſen verſchiedenſter Art die Fügſamkeit bedingen. Davon ſogleich. Aber wenn man nach den „Legitimitäts“gründen dieſer Fügſam- keit fragt, dann allerdings ſtößt man auf dieſe drei „reinen“ Typen. Und dieſe Legitimitätsvorſtellungen und ihre innere Be- gründung ſind für die Struktur der Herrſchaft von ſehr erheblicher Bedeutung. Die reinen Typen finden ſich freilich in der Wirk- lichkeit ſelten. Aber es kann heute auf die höchſt verwickelten Abwandlungen, Übergänge und Kombinationen dieſer reinen Typen nicht eingegangen werden: das gehört zu dem Problem der „allgemeinen Staatslehre“. Uns intereſſiert hier vor allem der zweite von jenen Typen: die Herrſchaft kraft Hingabe der Gehorchenden an das rein perſönliche „Charisma“ des „Führers“. Denn hier wurzelt der Gedanke des Berufs in ſeiner höchſten Ausprägung. Die Hingabe an das Charisma des Propheten oder des Führers im Kriege oder des ganz großen Demagogen in der Ekkleſia oder im Parlament bedeutet ja, daß er perſönlich als der innerlich „berufene“ Leiter der Menſchen gilt, daß dieſe ſich ihm nicht kraft Sitte oder Satzung fügen, ſondern weil ſie an ihn glauben. Er ſelbſt zwar lebt ſeiner Sache, „trachtet nach ſeinem Werk“, wenn er mehr iſt als ein enger und eitler Emporkömmling des Augenblicks. Seiner Perſon und ihren Qualitäten aber gilt die Hingabe ſeines Anhanges: der Jüngerſchaft, der Gefolgſchaft, der ganz perſönlichen Parteigängerſchaft. Jn den beiden in der Vergangenheit wichtigſten Figuren: des Magiers und Propheten einerſeits, des gekorenen Kriegsfürſten, Bandenführers, Condottiere ander- ſeits, iſt das Führertum in allen Gebieten und hiſtoriſchen Epochen aufgetreten. Dem Okzident eigentümlich iſt aber, was uns näher angeht: das politiſche Führertum in der Geſtalt zuerſt des freien „Demagogen“, der auf dem Boden des nur dem Abendland, vor allem der mittelländiſchen Kultur, eigenen

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/6>, abgerufen am 22.11.2024.