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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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Aber das Mittel ist es, wovon hier die Rede ist, und den
Adel ihrer letzten Absichten nehmen die befehdeten Gegner
mit voller subjektiver Ehrlichkeit ganz ebenso für sich in An-
spruch. "Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert
umkommen," und Kampf ist überall Kampf. Also: - die
Ethik der Bergpredigt? Mit der Bergpredigt - gemeint
ist: die absolute Ethik des Evangeliums - ist es eine ernstere
Sache, als die glauben, die diese Gebote heute gern zitieren.
Mit ihr ist nicht zu spaßen. Von ihr gilt, was man von
der Kausalität in der Wissenschaft gesagt hat: sie ist kein
Fiaker, den man beliebig halten lassen kann, um nach Befinden
ein- und auszusteigen. Sondern: ganz oder gar nicht, das
gerade ist ihr Sinn, wenn etwas anderes als Trivialitäten heraus-
kommen soll. Also z. B.: der reiche Jüngling: "er aber ging
traurig davon, denn er hatte viele Güter". Das evangelische
Gebot ist unbedingt und eindeutig: gib her, was du hast -
alles, schlechthin. Der Politiker wird sagen: eine sozial
sinnlose Zumutung, solange es nicht für alle durchgesetzt
wird. Also: Besteuerung, Wegsteuerung, Konfiskation, -
mit einem Wort: Zwang und Ordnung gegen alle. Das
ethische Gebot aber fragt danach gar nicht, das ist sein Wesen.
Oder: "halte den anderen Backen hin!" Unbedingt, ohne zu
fragen, wieso es dem anderen zukommt, zu schlagen. Eine Ethik
der Würdelosigkeit - außer: für einen Heiligen. Das ist es:
man muß ein Heiliger sein in allem, zum mindesten dem Wollen
nach, muß leben wie Jesus, die Apostel, der heilige Franz und
seinesgleichen, dann ist diese Ethik sinnvoll und Ausdruck einer
Würde. Sonst nicht. Denn wenn es in Konsequenz der
akosmistischen Liebesethik heißt: "dem Übel nicht widerstehen
mit Gewalt", - so gilt für den Politiker umgekehrt der Satz:
du sollst dem Übel gewaltsam widerstehen, sonst - bist
du für seine Überhandnahme verantwortlich. Wer nach der
Ethik des Evangeliums handeln will, der enthalte sich der
Streiks - denn sie sind: Zwang - und gehe in die gelben
Gewerkschaften. Er rede aber vor allen Dingen nicht von
"Revolution". Denn jene Ethik will doch wohl nicht lehren:
daß gerade der Bürgerkrieg der einzig legitime Krieg sei. Der

Aber das Mittel iſt es, wovon hier die Rede iſt, und den
Adel ihrer letzten Abſichten nehmen die befehdeten Gegner
mit voller ſubjektiver Ehrlichkeit ganz ebenſo für ſich in An-
ſpruch. „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert
umkommen,“ und Kampf iſt überall Kampf. Alſo: – die
Ethik der Bergpredigt? Mit der Bergpredigt – gemeint
iſt: die abſolute Ethik des Evangeliums – iſt es eine ernſtere
Sache, als die glauben, die dieſe Gebote heute gern zitieren.
Mit ihr iſt nicht zu ſpaßen. Von ihr gilt, was man von
der Kauſalität in der Wiſſenſchaft geſagt hat: ſie iſt kein
Fiaker, den man beliebig halten laſſen kann, um nach Befinden
ein- und auszuſteigen. Sondern: ganz oder gar nicht, das
gerade iſt ihr Sinn, wenn etwas anderes als Trivialitäten heraus-
kommen ſoll. Alſo z. B.: der reiche Jüngling: „er aber ging
traurig davon, denn er hatte viele Güter“. Das evangeliſche
Gebot iſt unbedingt und eindeutig: gib her, was du haſt –
alles, ſchlechthin. Der Politiker wird ſagen: eine ſozial
ſinnloſe Zumutung, ſolange es nicht für alle durchgeſetzt
wird. Alſo: Beſteuerung, Wegſteuerung, Konfiskation, –
mit einem Wort: Zwang und Ordnung gegen alle. Das
ethiſche Gebot aber fragt danach gar nicht, das iſt ſein Weſen.
Oder: „halte den anderen Backen hin!“ Unbedingt, ohne zu
fragen, wieſo es dem anderen zukommt, zu ſchlagen. Eine Ethik
der Würdeloſigkeit – außer: für einen Heiligen. Das iſt es:
man muß ein Heiliger ſein in allem, zum mindeſten dem Wollen
nach, muß leben wie Jeſus, die Apoſtel, der heilige Franz und
ſeinesgleichen, dann iſt dieſe Ethik ſinnvoll und Ausdruck einer
Würde. Sonſt nicht. Denn wenn es in Konſequenz der
akosmiſtiſchen Liebesethik heißt: „dem Übel nicht widerſtehen
mit Gewalt“, – ſo gilt für den Politiker umgekehrt der Satz:
du ſollſt dem Übel gewaltſam widerſtehen, ſonſt – biſt
du für ſeine Überhandnahme verantwortlich. Wer nach der
Ethik des Evangeliums handeln will, der enthalte ſich der
Streiks – denn ſie ſind: Zwang – und gehe in die gelben
Gewerkſchaften. Er rede aber vor allen Dingen nicht von
„Revolution“. Denn jene Ethik will doch wohl nicht lehren:
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[55/0055] Aber das Mittel iſt es, wovon hier die Rede iſt, und den Adel ihrer letzten Abſichten nehmen die befehdeten Gegner mit voller ſubjektiver Ehrlichkeit ganz ebenſo für ſich in An- ſpruch. „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen,“ und Kampf iſt überall Kampf. Alſo: – die Ethik der Bergpredigt? Mit der Bergpredigt – gemeint iſt: die abſolute Ethik des Evangeliums – iſt es eine ernſtere Sache, als die glauben, die dieſe Gebote heute gern zitieren. Mit ihr iſt nicht zu ſpaßen. Von ihr gilt, was man von der Kauſalität in der Wiſſenſchaft geſagt hat: ſie iſt kein Fiaker, den man beliebig halten laſſen kann, um nach Befinden ein- und auszuſteigen. Sondern: ganz oder gar nicht, das gerade iſt ihr Sinn, wenn etwas anderes als Trivialitäten heraus- kommen ſoll. Alſo z. B.: der reiche Jüngling: „er aber ging traurig davon, denn er hatte viele Güter“. Das evangeliſche Gebot iſt unbedingt und eindeutig: gib her, was du haſt – alles, ſchlechthin. Der Politiker wird ſagen: eine ſozial ſinnloſe Zumutung, ſolange es nicht für alle durchgeſetzt wird. Alſo: Beſteuerung, Wegſteuerung, Konfiskation, – mit einem Wort: Zwang und Ordnung gegen alle. Das ethiſche Gebot aber fragt danach gar nicht, das iſt ſein Weſen. Oder: „halte den anderen Backen hin!“ Unbedingt, ohne zu fragen, wieſo es dem anderen zukommt, zu ſchlagen. Eine Ethik der Würdeloſigkeit – außer: für einen Heiligen. Das iſt es: man muß ein Heiliger ſein in allem, zum mindeſten dem Wollen nach, muß leben wie Jeſus, die Apoſtel, der heilige Franz und ſeinesgleichen, dann iſt dieſe Ethik ſinnvoll und Ausdruck einer Würde. Sonſt nicht. Denn wenn es in Konſequenz der akosmiſtiſchen Liebesethik heißt: „dem Übel nicht widerſtehen mit Gewalt“, – ſo gilt für den Politiker umgekehrt der Satz: du ſollſt dem Übel gewaltſam widerſtehen, ſonſt – biſt du für ſeine Überhandnahme verantwortlich. Wer nach der Ethik des Evangeliums handeln will, der enthalte ſich der Streiks – denn ſie ſind: Zwang – und gehe in die gelben Gewerkſchaften. Er rede aber vor allen Dingen nicht von „Revolution“. Denn jene Ethik will doch wohl nicht lehren: daß gerade der Bürgerkrieg der einzig legitime Krieg ſei. Der

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/55>, abgerufen am 22.11.2024.