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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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Der echte Beamte - das ist für die Beurteilung unseres
früheren Regimes entscheidend - soll seinem eigentlichen
Beruf nach nicht Politik treiben, sondern: "verwalten", un-
parteiisch
vor allem, - auch für die sogenannten "politischen"
Verwaltungsbeamten gilt das, offiziell wenigstens, soweit nicht
die "Staatsräson", d. h. die Lebensinteressen der herrschenden
Ordnung, in Frage stehen. Sine ira et studio, "ohne Zorn
und Eingenommenheit" soll er seines Amtes walten. Er
soll also gerade das nicht tun, was der Politiker, der Führer
sowohl wie seine Gefolgschaft, immer und notwendig tun muß:
kämpfen. Denn Parteinahme, Kampf, Leidenschaft - ira
et studium
- sind das Element des Politikers. Und vor
allem: des politischen Führers. Dessen Handeln steht unter
einem ganz anderen, gerade entgegengesetzten Prinzip der Ver-
antwortung
, als die des Beamten ist. Ehre des Beamten
ist die Fähigkeit, wenn - trotz seiner Vorstellungen - die ihm
vorgesetzte Behörde auf einem ihm falsch erscheinenden Befehl
beharrt, ihn auf Verantwortung des Befehlenden gewissenhaft
und genau so auszuführen, als ob er seiner eigenen Über-
zeugung entspräche: ohne diese im höchsten Sinn sittliche Dis-
ziplin und Selbstverleugnung zerfiele der ganze Apparat. Ehre
des politischen Führers, also: des leitenden Staatsmannes,
ist dagegen gerade die ausschließliche Eigenverantwortung
für das, was er tut, die er nicht ablehnen oder abwälzen kann
und darf. Gerade sittlich hochstehende Beamtennaturen sind
schlechte, vor allem im politischen Begriff des Wortes ver-
antwortungslose und in diesem Sinn: sittlich tiefstehende
Politiker: - solche, wie wir sie leider in leitenden Stellungen
immer wieder gehabt haben: das ist es, was wir "Beamten-
herrschaft" nennen; und es fällt wahrlich kein Flecken auf die
Ehre unseres Beamtentums, wenn wir das politisch, vom
Standpunkt des Erfolges aus gewertet, Falsche dieses Systems
bloßlegen. Aber kehren wir noch einmal zu den Typen der
politischen Figuren zurück.

Der "Demagoge" ist seit dem Verfassungsstaat und vollends
seit der Demokratie der Typus des führenden Politikers im
Okzident. Der unangenehme Beigeschmack des Wortes darf

Der echte Beamte – das iſt für die Beurteilung unſeres
früheren Regimes entſcheidend – ſoll ſeinem eigentlichen
Beruf nach nicht Politik treiben, ſondern: „verwalten“, un-
parteiiſch
vor allem, – auch für die ſogenannten „politiſchen“
Verwaltungsbeamten gilt das, offiziell wenigſtens, ſoweit nicht
die „Staatsräſon“, d. h. die Lebensintereſſen der herrſchenden
Ordnung, in Frage ſtehen. Sine ira et studio, „ohne Zorn
und Eingenommenheit“ ſoll er ſeines Amtes walten. Er
ſoll alſo gerade das nicht tun, was der Politiker, der Führer
ſowohl wie ſeine Gefolgſchaft, immer und notwendig tun muß:
kämpfen. Denn Parteinahme, Kampf, Leidenſchaft – ira
et ſtudium
– ſind das Element des Politikers. Und vor
allem: des politiſchen Führers. Deſſen Handeln ſteht unter
einem ganz anderen, gerade entgegengeſetzten Prinzip der Ver-
antwortung
, als die des Beamten iſt. Ehre des Beamten
iſt die Fähigkeit, wenn – trotz ſeiner Vorſtellungen – die ihm
vorgeſetzte Behörde auf einem ihm falſch erſcheinenden Befehl
beharrt, ihn auf Verantwortung des Befehlenden gewiſſenhaft
und genau ſo auszuführen, als ob er ſeiner eigenen Über-
zeugung entſpräche: ohne dieſe im höchſten Sinn ſittliche Dis-
ziplin und Selbſtverleugnung zerfiele der ganze Apparat. Ehre
des politiſchen Führers, alſo: des leitenden Staatsmannes,
iſt dagegen gerade die ausſchließliche Eigenverantwortung
für das, was er tut, die er nicht ablehnen oder abwälzen kann
und darf. Gerade ſittlich hochſtehende Beamtennaturen ſind
ſchlechte, vor allem im politiſchen Begriff des Wortes ver-
antwortungsloſe und in dieſem Sinn: ſittlich tiefſtehende
Politiker: – ſolche, wie wir ſie leider in leitenden Stellungen
immer wieder gehabt haben: das iſt es, was wir „Beamten-
herrſchaft“ nennen; und es fällt wahrlich kein Flecken auf die
Ehre unſeres Beamtentums, wenn wir das politiſch, vom
Standpunkt des Erfolges aus gewertet, Falſche dieſes Syſtems
bloßlegen. Aber kehren wir noch einmal zu den Typen der
politiſchen Figuren zurück.

Der „Demagoge“ iſt ſeit dem Verfasſungsſtaat und vollends
ſeit der Demokratie der Typus des führenden Politikers im
Okzident. Der unangenehme Beigeſchmack des Wortes darf

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[25/0025] Der echte Beamte – das iſt für die Beurteilung unſeres früheren Regimes entſcheidend – ſoll ſeinem eigentlichen Beruf nach nicht Politik treiben, ſondern: „verwalten“, un- parteiiſch vor allem, – auch für die ſogenannten „politiſchen“ Verwaltungsbeamten gilt das, offiziell wenigſtens, ſoweit nicht die „Staatsräſon“, d. h. die Lebensintereſſen der herrſchenden Ordnung, in Frage ſtehen. Sine ira et studio, „ohne Zorn und Eingenommenheit“ ſoll er ſeines Amtes walten. Er ſoll alſo gerade das nicht tun, was der Politiker, der Führer ſowohl wie ſeine Gefolgſchaft, immer und notwendig tun muß: kämpfen. Denn Parteinahme, Kampf, Leidenſchaft – ira et ſtudium – ſind das Element des Politikers. Und vor allem: des politiſchen Führers. Deſſen Handeln ſteht unter einem ganz anderen, gerade entgegengeſetzten Prinzip der Ver- antwortung, als die des Beamten iſt. Ehre des Beamten iſt die Fähigkeit, wenn – trotz ſeiner Vorſtellungen – die ihm vorgeſetzte Behörde auf einem ihm falſch erſcheinenden Befehl beharrt, ihn auf Verantwortung des Befehlenden gewiſſenhaft und genau ſo auszuführen, als ob er ſeiner eigenen Über- zeugung entſpräche: ohne dieſe im höchſten Sinn ſittliche Dis- ziplin und Selbſtverleugnung zerfiele der ganze Apparat. Ehre des politiſchen Führers, alſo: des leitenden Staatsmannes, iſt dagegen gerade die ausſchließliche Eigenverantwortung für das, was er tut, die er nicht ablehnen oder abwälzen kann und darf. Gerade ſittlich hochſtehende Beamtennaturen ſind ſchlechte, vor allem im politiſchen Begriff des Wortes ver- antwortungsloſe und in dieſem Sinn: ſittlich tiefſtehende Politiker: – ſolche, wie wir ſie leider in leitenden Stellungen immer wieder gehabt haben: das iſt es, was wir „Beamten- herrſchaft“ nennen; und es fällt wahrlich kein Flecken auf die Ehre unſeres Beamtentums, wenn wir das politiſch, vom Standpunkt des Erfolges aus gewertet, Falſche dieſes Syſtems bloßlegen. Aber kehren wir noch einmal zu den Typen der politiſchen Figuren zurück. Der „Demagoge“ iſt ſeit dem Verfasſungsſtaat und vollends ſeit der Demokratie der Typus des führenden Politikers im Okzident. Der unangenehme Beigeſchmack des Wortes darf

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/25>, abgerufen am 24.11.2024.