Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.stände seit dem 16. Jahrhundert bis in das Jahr 1789 durch- Die Bedeutung der Advokaten in der okzidentalen Politik ſtände ſeit dem 16. Jahrhundert bis in das Jahr 1789 durch- Die Bedeutung der Advokaten in der okzidentalen Politik <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="24"/> ſtände ſeit dem 16. Jahrhundert bis in das Jahr 1789 durch-<lb/> ſehen, finden Sie überall: Juriſtengeiſt. Und wenn Sie die<lb/> Berufszugehörigkeit der Mitglieder des franzöſiſchen Konvents<lb/> durchmuſtern, ſo finden Sie da – obwohl er nach gleichem Wahl-<lb/> recht gewählt war – einen einzigen Proletarier, ſehr wenige<lb/> bürgerliche Unternehmer, dagegen maſſenhaft Juriſten aller<lb/> Art, ohne die der ſpezifiſche Geiſt, der dieſe radikalen Jntellek-<lb/> tuellen und ihre Entwürfe beſeelte, ganz undenkbar wäre.<lb/> Der moderne Advokat und die moderne Demokratie gehören<lb/> ſeitdem ſchlechthin zuſammen, – und Advokaten in unſerem<lb/> Sinn, als ein ſelbſtändiger Stand, exiſtieren wiederum nur im<lb/> Okzident, ſeit dem Mittelalter, wo ſie aus dem „Fürſprech“<lb/> des formaliſtiſchen germaniſchen Prozeßverfahrens unter dem<lb/> Einfluß der Rationaliſierung des Prozeſſes ſich entwickelten.</p><lb/> <p>Die Bedeutung der Advokaten in der okzidentalen Politik<lb/> ſeit dem Aufkommen der Parteien iſt nichts Zufälliges. Der<lb/> politiſche Betrieb durch Parteien bedeutet eben: Jntereſſenten-<lb/> betrieb – wir werden bald ſehen, was das beſagen will. Und<lb/> eine Sache für Jntereſſenten wirkungsvoll zu führen iſt das<lb/> Handwerk des geſchulten Advokaten. Er iſt darin – das<lb/> hat uns die Überlegenheit der feindlichen Propaganda lehren<lb/> können – jedem „Beamten“ überlegen. Gewiß kann er eine<lb/> durch logiſch ſchwache Argumente geſtützte, in dieſem Sinn:<lb/> „ſchlechte“ Sache dennoch ſiegreich, alſo techniſch „gut“, führen.<lb/> Aber auch nur er führt eine durch logiſch „ſtarke“ Argumente<lb/> zu ſtützende, in dieſem Sinn „gute“ Sache ſiegreich, alſo in<lb/> dieſem Sinn „gut“. Der Beamte als Politiker macht nur<lb/> allzu oft durch techniſch „ſchlechte“ Führung eine in jenem<lb/> Sinn „gute“ Sache zur „ſchlechten“: – das haben wir er-<lb/> leben müſſen. Denn die heutige Politik wird nun einmal in<lb/> hervorragendem Maße in der Öffentlichkeit mit den Mitteln<lb/> des geſprochenen oder geſchriebenen Wortes geführt. Deſſen<lb/> Wirkung abzuwägen, liegt im eigentlichſten Aufgabenkreiſe des<lb/> Advokaten, gar nicht aber des Fachbeamten, der kein Demagoge<lb/> iſt und, ſeinem Zweck nach, ſein ſoll, und wenn er es doch zu<lb/> werden unternimmt, ein ſehr ſchlechter Demagoge zu werden pflegt.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0024]
ſtände ſeit dem 16. Jahrhundert bis in das Jahr 1789 durch-
ſehen, finden Sie überall: Juriſtengeiſt. Und wenn Sie die
Berufszugehörigkeit der Mitglieder des franzöſiſchen Konvents
durchmuſtern, ſo finden Sie da – obwohl er nach gleichem Wahl-
recht gewählt war – einen einzigen Proletarier, ſehr wenige
bürgerliche Unternehmer, dagegen maſſenhaft Juriſten aller
Art, ohne die der ſpezifiſche Geiſt, der dieſe radikalen Jntellek-
tuellen und ihre Entwürfe beſeelte, ganz undenkbar wäre.
Der moderne Advokat und die moderne Demokratie gehören
ſeitdem ſchlechthin zuſammen, – und Advokaten in unſerem
Sinn, als ein ſelbſtändiger Stand, exiſtieren wiederum nur im
Okzident, ſeit dem Mittelalter, wo ſie aus dem „Fürſprech“
des formaliſtiſchen germaniſchen Prozeßverfahrens unter dem
Einfluß der Rationaliſierung des Prozeſſes ſich entwickelten.
Die Bedeutung der Advokaten in der okzidentalen Politik
ſeit dem Aufkommen der Parteien iſt nichts Zufälliges. Der
politiſche Betrieb durch Parteien bedeutet eben: Jntereſſenten-
betrieb – wir werden bald ſehen, was das beſagen will. Und
eine Sache für Jntereſſenten wirkungsvoll zu führen iſt das
Handwerk des geſchulten Advokaten. Er iſt darin – das
hat uns die Überlegenheit der feindlichen Propaganda lehren
können – jedem „Beamten“ überlegen. Gewiß kann er eine
durch logiſch ſchwache Argumente geſtützte, in dieſem Sinn:
„ſchlechte“ Sache dennoch ſiegreich, alſo techniſch „gut“, führen.
Aber auch nur er führt eine durch logiſch „ſtarke“ Argumente
zu ſtützende, in dieſem Sinn „gute“ Sache ſiegreich, alſo in
dieſem Sinn „gut“. Der Beamte als Politiker macht nur
allzu oft durch techniſch „ſchlechte“ Führung eine in jenem
Sinn „gute“ Sache zur „ſchlechten“: – das haben wir er-
leben müſſen. Denn die heutige Politik wird nun einmal in
hervorragendem Maße in der Öffentlichkeit mit den Mitteln
des geſprochenen oder geſchriebenen Wortes geführt. Deſſen
Wirkung abzuwägen, liegt im eigentlichſten Aufgabenkreiſe des
Advokaten, gar nicht aber des Fachbeamten, der kein Demagoge
iſt und, ſeinem Zweck nach, ſein ſoll, und wenn er es doch zu
werden unternimmt, ein ſehr ſchlechter Demagoge zu werden pflegt.
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Zitationshilfe: | Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/24>, abgerufen am 16.02.2025. |