Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.Dilettantismus eines Herrschers, der damals noch vor allem: Gleichzeitig mit dem Aufstieg des fachgeschulten Beamten- Weber, Geistige Arbeit als Beruf. II. 2
Dilettantismus eines Herrſchers, der damals noch vor allem: Gleichzeitig mit dem Aufſtieg des fachgeſchulten Beamten- Weber, Geiſtige Arbeit als Beruf. II. 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="17"/> Dilettantismus eines Herrſchers, der damals noch vor allem:<lb/> ein Ritter war, am wenigſten vertrug, den Fürſten zu depoſſe-<lb/> dieren. Die Entwicklung der Kriegſtechnik bedingte den Fach-<lb/> offizier, die Verfeinerung des Rechtsganges den geſchulten<lb/> Juriſten. Auf dieſen drei Gebieten ſiegte das Fachbeamtentum<lb/> in den entwickelteren Staaten endgültig im 16. Jahrhundert.<lb/> Damit war gleichzeitig mit dem Aufſtieg des Abſolutismus<lb/> der Fürſten gegenüber den Ständen die allmähliche Abdankung<lb/> ſeiner Selbſtherrſchaft an die Fachbeamten, durch die ihm jener<lb/> Sieg über die Stände erſt ermöglicht wurde, eingeleitet.</p><lb/> <p>Gleichzeitig mit dem Aufſtieg des fachgeſchulten <hi rendition="#g">Beamten-<lb/> tums</hi> vollzog ſich auch – wennſchon in weit unmerklicheren<lb/> Übergängen – die Entwicklung der „leitenden <hi rendition="#g">Politiker</hi>“.<lb/> Von jeher und in aller Welt hatte es, ſelbſtverſtändlich, ſolche<lb/> tatsächlich maßgeblichen Berater der Fürſten gegeben. Jm<lb/> Orient hat das Bedürfnis, den Sultan von der perſönlichen<lb/> Verantwortung für den Erfolg der Regierung möglichſt zu<lb/> entlaſten, die typiſche Figur des „Großweſirs“ geſchaffen.<lb/> Jm Abendland wurde die Diplomatie, vor allem unter dem<lb/> Einfluß der in diplomatiſchen Fachkreiſen mit leidenſchaftlichem<lb/> Eifer geleſenen venezianiſchen Geſandtſchaftsberichte, im Zeit-<lb/> alter Karls V. – der Zeit Macchiavellis – zuerſt eine <hi rendition="#g">be-<lb/> wußt</hi> gepflegte Kunſt, deren meiſt humaniſtiſch gebildete<lb/> Adepten ſich untereinander als eine geſchulte Schicht von<lb/> Eingeweihten behandelten, ähnlich den humaniſtiſchen chineſiſchen<lb/> Staatsmännern der letzten Teilſtaatenzeit. Die Notwendigkeit<lb/> einer formell einheitlichen Leitung der <hi rendition="#g">geſamten</hi> Politik,<lb/> einſchließlich der inneren, durch einen führenden Staatsmann<lb/> entſtand endgültig und zwingend erſt durch die konſtitutionelle<lb/> Entwicklung. Bis dahin hatte es zwar ſelbſtverſtändlich ſolche<lb/> Einzelperſönlichkeiten als Berater oder vielmehr – der Sache<lb/> nach – Leiter der Fürſten immer wieder gegeben. Aber die<lb/> Organiſation der Behörden war zunächſt, auch in den am<lb/> weiteſten vorgeſchrittenen Staaten, andere Wege gegangen.<lb/><hi rendition="#g">Kollegiale</hi> höchſte Verwaltungsbehörden waren entſtanden.<lb/> Der Theorie und, in allmählich abnehmendem Maße, der<lb/> Tatſache nach tagten ſie unter dem Vorſitz des Fürſten perſön-<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Weber</hi>, Geiſtige Arbeit als Beruf. II. <hi rendition="#right">2</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0017]
Dilettantismus eines Herrſchers, der damals noch vor allem:
ein Ritter war, am wenigſten vertrug, den Fürſten zu depoſſe-
dieren. Die Entwicklung der Kriegſtechnik bedingte den Fach-
offizier, die Verfeinerung des Rechtsganges den geſchulten
Juriſten. Auf dieſen drei Gebieten ſiegte das Fachbeamtentum
in den entwickelteren Staaten endgültig im 16. Jahrhundert.
Damit war gleichzeitig mit dem Aufſtieg des Abſolutismus
der Fürſten gegenüber den Ständen die allmähliche Abdankung
ſeiner Selbſtherrſchaft an die Fachbeamten, durch die ihm jener
Sieg über die Stände erſt ermöglicht wurde, eingeleitet.
Gleichzeitig mit dem Aufſtieg des fachgeſchulten Beamten-
tums vollzog ſich auch – wennſchon in weit unmerklicheren
Übergängen – die Entwicklung der „leitenden Politiker“.
Von jeher und in aller Welt hatte es, ſelbſtverſtändlich, ſolche
tatsächlich maßgeblichen Berater der Fürſten gegeben. Jm
Orient hat das Bedürfnis, den Sultan von der perſönlichen
Verantwortung für den Erfolg der Regierung möglichſt zu
entlaſten, die typiſche Figur des „Großweſirs“ geſchaffen.
Jm Abendland wurde die Diplomatie, vor allem unter dem
Einfluß der in diplomatiſchen Fachkreiſen mit leidenſchaftlichem
Eifer geleſenen venezianiſchen Geſandtſchaftsberichte, im Zeit-
alter Karls V. – der Zeit Macchiavellis – zuerſt eine be-
wußt gepflegte Kunſt, deren meiſt humaniſtiſch gebildete
Adepten ſich untereinander als eine geſchulte Schicht von
Eingeweihten behandelten, ähnlich den humaniſtiſchen chineſiſchen
Staatsmännern der letzten Teilſtaatenzeit. Die Notwendigkeit
einer formell einheitlichen Leitung der geſamten Politik,
einſchließlich der inneren, durch einen führenden Staatsmann
entſtand endgültig und zwingend erſt durch die konſtitutionelle
Entwicklung. Bis dahin hatte es zwar ſelbſtverſtändlich ſolche
Einzelperſönlichkeiten als Berater oder vielmehr – der Sache
nach – Leiter der Fürſten immer wieder gegeben. Aber die
Organiſation der Behörden war zunächſt, auch in den am
weiteſten vorgeſchrittenen Staaten, andere Wege gegangen.
Kollegiale höchſte Verwaltungsbehörden waren entſtanden.
Der Theorie und, in allmählich abnehmendem Maße, der
Tatſache nach tagten ſie unter dem Vorſitz des Fürſten perſön-
Weber, Geiſtige Arbeit als Beruf. II. 2
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